„Hallo? Ist da wer?"
Das Licht ging plötzlich in der Bibliothek an. Kurz tat es in ihren Augen weh, aber der Schmerz wurde schnell von der Wolke des Leides in ihr verschlungen Leya drehte sich zur Tür und sah Leander, der im Schlafanzug – okay, es waren eine Jogginghose und eine Sweatshirtjacke – am Türrahmen lehnte. Die Hand am Lichtschalter.
Er lächelte sie kurz an.
„Was machst du hier?"
Leya wollte eigentlich nicht reden, aber aus unerfindlichen Gründen fiel es ihr leichter etwas zu Leander zu sagen als zu jemand anderem.
„Mach das Licht aus." Sie ging nicht auf seine Frage ein, aber er leistete ihrer Aufforderung Folge, knipste die Lampe aus und setzte sich – ohne ihre Aufforderung – in den Sessel ihr gegenüber, soweit Leya es erkennen konnte.
„Also, was machst du hier?"Er klang ehrlich interessiert, nicht so wie Cal, immer verletzt und besorgt. Das machte es einfacher ihm zu antworten.
„Ich kann nicht schlafen."
„Und wieso kannst du nicht schlafen?" Sie fühlte seinen Blick auf ihr.
„Weiß ich nicht." murmelte sie leise.
„Weißt du, was ich einmal gelesen habe?" Ganz plötzlich wechselte Leander das Thema. Seine Stimme war nur noch ein flüstern, als er weitersprach: „ Es sind nicht wir, die leise weinen – Es sind die Kinder in uns, die um Vergebung schreien, weil sie nicht das geworden sind, was sie werden sollten."
„Wieso sagst du mir das? Ich weine doch gar nicht..." erwiderte sie stirnrunzelnd.
„Solltest du aber. Im Moment bist du nämlich ganz und gar nicht, was du werden solltest."
Leya schwieg eine Weile. Sie beobachtete den Boden, weil sie Leander nicht ansehen wollte, auch wenn das in der Dunkelheit nur schwer möglich war. Hatte er recht? Wäre es besser zu weinen?
„Lies mir was vor." flüsterte sie schließlich, als sie die Stille nicht mehr aushielt.
„Aber dann muss ich zumindest ein kleines Licht anmachen." meinte Leander.
„Ist gut." antwortete Leya. Sie würde ja nicht mehr sprechen müssen, wenn die Dunkelheit weg war.
„Okay." Leander knipste eine Stehlampe an, die neben seinem Sessel stand, lächelte Leya zu und ging rasch zu einem der vielen Bücherregale.
„Was wollen wir denn lesen..." Er fuhr über viele Titel, in verschiedenen Sprachen bis er schließlich ein grimmsches Märchenbuch in der Hand hielt. „Na, was hältst du von Rapunzel, Leya?" Er grinste sie schief an, wartete keine Antwort ab und schlug die gewünschte Geschichte auf, während er sich in den Sessel fallen ließ.
Dann begann er mit ruhiger Stimme zu lesen. Leya mochte seine Stimme wirklich gern, wenn er das tat: „Es war einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind, endlich machte sich die Frau Hoffnungen, der liebe Gott werde ihren Wunsch erfüllen. Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnte man in einen prächtigen Garten sehen, der voll der schönsten Blumen und Kräuter stand. Er war aber von einer hohen Mauer umgeben und niemand wagte hineinzugehen, weil er einer Zauberin gehörte, die große Macht hatte und von aller Welt gefürchtet ward. Eines Tages stand die Frau an diesem Fenster und sah in den Garten hinab. Da erblickte sie ein Beet, das mit den schönsten Rapunzeln bepflanzt war..."
Leya rannte. Sie rannte einen engen, steinernen Gang entlang. Nach oben. Immer nur nach oben. Sie war schon ein wenig aus der Puste, aber sie musste sich beeilen. Doch dann wurde ihr Spurt von einer massiven Steinwand aufgehalten. Sie schaffte es gerade noch kurz davor zu stoppen.
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Götterstimme
ParanormalEr packte sie an den Armgelenken, bevor sie ihn ein weiteres Mal schubsen konnte. „Wieso lässt du mich nicht dein Held sein?!" schrie Cal Leya wutentbrannt in ihr regennasses Gesicht. „Weil es in meiner Geschichte keine Helden gibt. Ich werde unwei...