Kurz darauf stand sie in der Tür der großen Bibliothek.
Leander und Cal waren überrascht und wussten nicht, was zu tun war. Für einen Moment starrten sie sie nur an. Das war auch gut so, denn sonst wäre ihr nicht möglich gewesen, was sie jetzt tat.
Der Schlag traf ihn so plötzlich und mit einer solchen Wucht, dass er nur einen überraschten Laut zustande brachte, bevor er fiel.
Sie starrte Leander an und sagte mit leiser, eisiger Stimme, die im perfekten Einklang zu ihren Augen stand: „Wenn du es noch einmal wagen solltest in meine Erinnerungen einzudringen, dann werde ich dir deine nehmen." Sie ließ offen auf welche Weise das geschehen würde, aber allen im Raum war klar, dass sie einen Weg finden würde.
Überwältigt von dem erschreckenden Anblick, dieser wütenden Leya mit nassen Haaren und von Blut gerötetem Gesicht, veranlasste Leander vorerst dazu liegen zu bleiben. Er hielt es für das sicherste und so konnte er sehr gut beobachten, was als nächstes Geschehen würde. Denn nun drehte sie sich zu dem zweiten Zwilling um und fixierte ihn mit ihren Augen, die nur eine kleine Stufe mehr Intensität benötigten um jemanden in Staub zu verwandeln.
„Was steht noch in dem Vertrag?" Sie kannte den Teil ja schon, dass man sie als Säugling eigentlich hätte töten sollen, aber es schien ihr, als würde es noch mehr geben.
Cal war offensichtlich erschrocken über ihre tödliche Stimme. Vor allem auch, weil ihm bei ihren Worten klar wurde, dass sie zumindest einen Teil des Gesprächs mitbekommen hatte.
„Leya, ich-" er wollte offensichtlich das Ende des Gesprächs mit Leander erklären, aber Leya ging nicht darauf ein.
„Also?"
„Hör mal, das mit den Mädchen-"
„Was steht noch in dem beschissenen Vertrag?"Sie musste deutlich an sich halten um den Zorn zu kontrollieren, aber es gelang ihr nicht ganz.
„ Ich – äh – also, was ich gesa-"
Sie wollte gerade erneut zu ihrer Frage ansetzen – das Gestotter war ja wirklich nicht zum Aushalten! Seit wann war er denn so schwer von Begriff? - als sich unerwartet Leander wieder einmischte: „Der Vertrag besagt, dass alle Orpheuse, sobald sie erkannt werden, getötet werden müssen. Oder es zumindest versucht werden muss, auch wenn wir gelernt haben, dass diese Versuche meistens scheitern. Es muss wenigstens versucht werden den Faden zu zerschneiden, bevor er Unheilt anrichtet.
Kurz gesagt: Eigentlich hätten wir dich längst umbringen sollen."
Stille. Leya wusste nicht, was sie sagen sollte und Cal traute sich nicht sie zu berühren, als sie wie eine Salzsäule dastand.
Leander rappelte sich langsam auf, hielt den Blickkontakt mit ihr. Trotz des Ausdrucks in ihrem Gesicht lächelte er spöttisch und zog ohne sich umdrehen zu müssen ein kleines, in braunes Leder gebundenes Büchlein aus dem riesigen Regal und las vor:
„Zum heutigen Tage wird festgelegt zwischen den Vertretern der Götterkinder, dass jedes Kind mit dem Orpheusruf daran gehindert werden muss zu überleben. Wenn nun das bereits beschriebene Verfahren während der Geburt scheitert, muss alles unternommen werden um den Orpheus bei Erkennen zu töten. Der Fluch soll im Keim erstickt werden, bevor er ausbricht und die Menschheit in den Tod reißt." Er hob seinen braun-blauen Blick und lächelte sie kalt an. „Die Übersetzung war nicht ganz perfekt – der Text ist auf Griechisch und vom Jahr hunderelf vor Christus -, aber ich denke, dass der Sinn doch ziemlich klar ist. Du bist eine zu große Gefahr, als dass dich die Superior tolerieren werden und wenn dich jemand findet, dann werden sie dich vernichten. Und weil wir dir helfen und das ganze Dorf deinen Gesang bereits gehört haben könnte, werden wir deinem Schicksal folgen.
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Götterstimme
ParanormalEr packte sie an den Armgelenken, bevor sie ihn ein weiteres Mal schubsen konnte. „Wieso lässt du mich nicht dein Held sein?!" schrie Cal Leya wutentbrannt in ihr regennasses Gesicht. „Weil es in meiner Geschichte keine Helden gibt. Ich werde unwei...