Kapitel 2 - Göttersturz - Part 7

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Bild: Leander (alias der andere Cal)

Leyas Augen weiteten sich panisch und bevor Cal sich auch nur ein winziges Stück bewegen konnte, schrie Leya laut los: „Er ist hier! Er ist hier! Der Psycho ist hie-"

Blitzschnell sprang der schwarzhaarige Junge vom Fensterbrett, überwand die kurze Strecke zu Leya und presste ihr seine Hand auf den Mund um den Ruf zu stoppen. Sie biss ihm so fest sie konnte in die Handfläche, aber sogar als sie Blut schmeckte, gab er weder einen Mucks von sich, noch zog er die Finger weg. Stattdessen zerrte er sie mit sich zum Fenster. Er hielt sie so fest, dass jede ihrer Bewegungen weh tat.

Ohne viel Mühe hob Cal Leya auf seine Arme, erstickte weiterhin jedes Geräusch mit seiner Hand und steig auf das Fensterbrett. Über seine Schulter hinweg konnte Leya sehen, wie Angel die Tür aufriss mit der Waffe ihres Vaters in der Hand und erschrocken auf den Rücken des Schwarzhaarigen starrte.

Angel öffnete gerade den Mund um etwas zu rufen und wollte allem Anschein nach auf sie zustürzen, aber da sprang Cal auch schon vom Fensterbrett und landete im Blumenbeet von Angels Mutter.

Leya schrie gedämpft durch die Hand auf ihrem Mund auf. Er schaffte es den Sprung derart abzufedern, als wäre er nur von einem Stuhl anstatt aus dem ersten Stock mit ihr gesprungen. Cal rannte sofort los, in den dichten Wald hinein.

Sobald die Bäume sie verschluckt hatten, wurde der Schock des gesamten Tages von einem neuen überdeckt. Plötzlich hallten in Leyas Ohren das laute Krachen von brechenden Knochen wider. Schon allein das Geräusch bereitete Leya Qualen, nur dass es immer wieder kam und Cal damit einhergehend voller Schmerzen die Luft zwischen seinen Zähnen hindurch zischen ließ. Leya hörte sogar auf zu beißen, weil sie so erschrocken war.

Was war hier los? Was geschah gerade mit Cal?

Plötzlich wurde sie von etwas anderem abgelenkt. Zu dem Blut in ihrem Mund kamen auf einmal auch noch Haare. Lange, glatte Haare wie die eines Pferdes.

Leya versuchte das Gemisch auszuspucken, weil sie Angst bekam zu ersticken, was natürlich nicht funktionierte, weil die Hand – die schockierender Weise inzwischen komplett behaart war – weiterhin auf ihrem Mund lag.

Tränen traten ihr in die Augen. Wieso passierte das? Sie zwang die Tropfen zurück so gut es ging, was ihr auch gelang, wenn man von einer einzelnen absah. Sie musste ihre Gefühle in Zaum halten. Sie brauchte Sauerstoff und den konnte sie nur noch durch die Nase bekommen, also durfte sie jetzt nicht weinen.

Sie durfte weder weinen, weil ein Verrückter sie entführte vermutlich mit dem Ziel ihr Schmerzen anzutun, noch weil ihr Handtuch begann alles freizulegen, was sie im Moment sicherlich nicht freilegen wollte.

Als sie diesen beängstigenden Gedanken zu Ende geführt hatte, beendete Cal das Knochenbrechen mit einem abschließenden: „Scheiße!" und rannte, beziehungsweise galoppierte – wie Leya plötzlich verstand – los.

Seine Hufe klapperten auf dem Boden, erst über niedergetrampelte Erde durch den Wald, dann über Asphalt. Die langen, harten Haare stachen in Leyas nackten Rücken und sie vergaß ganz sich zu wehren. Die Situation überforderte sie. Wer oder besser gesagt was entführte sie da bitte? Und was wollte dieses Etwas mit ihr anstellen?

Sie wimmerte auf, während farbige Schlieren an ihr vorbeizogen. Ihr Blick war wegen der Tränen verschwommen.

Leya wollte schreien und sich übergeben, am besten gleichzeitig, aber sie konnte nichts davon wegen der Hand auf ihrem Mund. Das einzige, wozu sie fähig war, war ihre Augen weit aufzureißen, zu wimmern und an der haarigen Hand protestierend zu lecken – letzterer Möglichkeit gab sie allerdings nicht nach.

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