Kapitel 10 - Gerettete und Verdammte - Part 4

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Leander zückte einen kleinen, alt aussehenden Schlüssel und steckte ihn in das Schlüsselloch, sobald sie vor der Eingangstür, die sich im übrigen direkt an der Hausspitze befand, standen. Er drehte ihn um und schon ließ sich die Tür ohne Quietschen aufziehen. Leya hinterfragte weder, woher er den Schlüssel hatte, noch weshalb man ihn brauchte, sondern starrte sprachlos auf die Szenerie, die vor ihren Augen erschien und in ihren Ohren dröhnte.

Den ersten Gedanken, den sie innerlich in Worte fassen konnte war:

Das Haus hat eine wirklich, wirklich geile Schalldämmung!

Denn sobald die Tür offen stand, wurde man von der Lautstärke regelrecht umgeworfen.

Zwei unterschiedliche Lieder trafen mit enormer Lautstärke an der Hausspitze zusammen und vermischten sich dort zu einer seltsamer Weise zusammenpassenden Musik.

Um zu erklären inwiefern diese Musik sich unterschied, aber trotzdem ineinanderfügte wie Puzzelteile musste man eindeutig das Bild vor Augen haben, das sich Leya gerade bot.

Denn es war stockfinster im Erdgeschoss bis auf einige Leuchtröhren, die sich in insgesamt vier verschiedenen Farben an den Wänden und Decken verwinkelt entlangzogen. Nach Links, also parallel zu dem Weg zur Engelsburg, waren die Rohre leuchtend blau und weiß, dagegen zur rechten Seite waren sie rot und gelb, aber kein sanftes Gelb, sondern eher ein giftiges, schwefeliges. In den jeweiligen Farben stand zu Beginn jedes Gangs genau ein Wort von dem alle Röhren abgingen. In Weiß-blau stand dort an der Decke: Heaven und in rot- gelb: Hell – Leya bemerkte grinsend, dass hier alles wohl eher international gehalten war. Ansonsten befanden sich weder an der Decke, noch an den Wänden weitere Lichter – in den oberen Stockwerken mussten aber welche sein, weil dort Fenster erhellt gewesen waren - stattdessen leuchtete aber etwas ganz anderes. Nämlich die Menschen. Oder besser gesagt deren Kostüme.

Leya erblickte auf beiden Seiten Personen, die leuchtende Heiligenscheine auf dem Kopf trugen oder Teufelsschwänze hatten, die immer wieder ganz plötzlich grellrot aufblinkten. Es gab auch Krawatten oder Fliegen in allen möglichen Farben, die fluoreszierten und sogar Kleider, in die Leuchtpigmente eingelassen worden waren. Die Masken auf dem Gesicht von einem jedem hatten eigene Muster, die in der Finsternis erstrahlten. Von den Mensch selbst war jedoch nicht besonders viel zu sehen außer einigen Dekolletees, vollen Lippen oder langen Wimpern, die perfekt in Szene gesetzt wurden durch die Lichter.

Passend zu dem Drumherum schallte nun dröhnende Musik die langen Gänge entlang über die Menschenmassen hinweg. Von der einen Seite kam Heavy Metal und Hardrock, der schon fast Geschrei glich und von der anderen, der himmlischen Seite, spielten Pop, Rock und Balladen. An dem Ort, wo Leya stand, vermischte sich das nun zu einer Sinfonie, die nicht zusammenpassen sollte, es aber dennoch tat.

Sie konnte nichts anderes tun als einfach alles und jeden anzustarren. Wo war sie hier bitte gelandet? In welcher verdammten Parallelwelt kam sie, Leya Mailänder, an einen solchen Ort?

„Kommst du, Leya?"

Sie verstand Leander nur schwerlich zwischen all dem Lärm, aber als der Inhalt seiner Worte endlich zu ihr Drang, riss der sie aus ihrem Bann. Mit den Augen suchte sie ihre Umgebung ab und tatsächlich entdeckte sie Leander oder besser gesagt seine Teufelshörner und sein Hemd, denn das alles strahlte blutrot. Durch die Lichter wurden seine hohen Wangenknochen stark betont und seine Augen lagen in tiefer Dunkelheit. Vage erkannte Leya, dass er den Arm nach ihr ausgestreckt hatte und somit griff sie ohne zögern nach der Stelle an der sie seine Hand vermutete. Seine Finger schlossen sich fest um ihre und er zog sie mit sich geradeaus. Diese Richtung hatte Leya nicht wirklich erwartet, da sie nicht gedacht hatte, dass es dort etwas gab, allerdings wurde sie augenblicklich eines besseren belehrt. Hier war nämlich die Bar.

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