„Na endlich! Du hast dich ganz schön verspätet! Pünktlichkeit ist wohl nicht ganz deine Sache!" zischte Elissa kalt, packte Leya am Arm und zog sie mit einem Ruck nach oben, sodass sich Elissas lange Fingernägel in die weiche Unterarmhaut bohrten.
„Cal, Schatz, es tut mir leid das zu sagen, aber bitte bleib heute mal im Haus und komm nicht auf den Dachboden. Du würdest mich einfach zu stark ablenken."
Elissa behandelte Cal wie einen Welpen oder ein Baby. Sie war übermäßig freundlich und liebevoll. Fehlte nur noch, dass sie Babygeräusche machte. Leya fing an zu bezweifeln, dass aus ihnen in näherer Zukunft Freunde werden würden.
Cal schien etwas geantwortet zu haben, das Leya nicht verstanden hatte, denn Elissa schüttelte den Kopf und zwitscherte: „Wir haben keine Zeit zum essen, mein Lieber. Aber Mittags sehen wir uns!" Sie stieß ein entzückendes Kichern aus, dann ließ sie die Falltür auf die Öffnung knallen und verschloss somit Leyas verbliebenen Zugang zu einer Welt, die besser war als diese hier. Dessen wurde sie sich von Augenblick zu Augenblick sicherer.
Elissa drehte sich zu ihr um und befahl mit eisiger Stimme: „Hör auf mich anzustarren und sieh dich mal in diesem Raum um."
Leya tat sofort wie geheißen. Elissa schüchterte sie ein. Zwar war sie selbst zum Teil göttlich, aber so übermenschlich wie dieses Mädchen war sie nicht und würde sie auch niemals sein.
Die Einrichtung des Dachbodens war mindestens auf der selben Stufe wie Elissa. Überall waren Instrumente aufgebaut. In einer Ecke stand eine riesige, goldene Harfe, in einer anderen ein ebenholzschwarzer Flügel. Auch ein fein ausgearbeitetes Cello war vertreten, einige Violinen und verschiedene Arten von Trommeln. Noch dazu waren auf einem Regal eine ganze Reihe Flöten aufgereiht, von der silberglänzenden Querflöte bis zur hellholzigen Panflöte, versteckt hinter einer Holzkiste mit einem Loch an der Seite, die Leya als Cajon erkannte, standen ein Saxophon und eine Gitarre. Wo man auch hinsah blickte einem Musik entgegen.
Elissa riss sie aus den Gedanken, als sie – wohl wegen Leyas aufgeklappten Mund und ihren großen Augen – spitz bemerkte: „Da du dich ja endlich umgesehen hast, können wir uns auf den eigentlichen Grund für deine Anwesenheit konzentrieren.
Ach, und bevor wir dazu kommen, muss ich dir noch etwas sagen: Das hier ist mein Reich. Hier gelten meine Regeln. Also mach genau das, was ich von dir will! Ich dulde keinen Widerspruch oder ähnliches.
Du musst lernen deine Kraft zu kontrollieren, die – zu meinem großen Bedauern, da ich dich deshalb unterrichten muss – im singen besteht. Du musst lernen deine Stimme zu beherrschen und deine Gefühle zu fokussieren, damit du deine Geschichte aufhalten kannst und niemanden in den Tod stürzt. Das ist deine einzige Chance, also häng dich rein." Ihr Blick lag schwer und verachtend auf Leya, während sie das aussprach. „Zurück zu meiner Aufgabe: Ich soll dir also beibringen zu singen und am besten auch ein Instrument zu spielen. Dann fangen wir mal an. Und zwar mit Aufwärmübungen für deine Stimme."
Das kleine Lächeln, das sich mit einem Mal auf Elissas schöne Züge legte war – ja, es gab kein besseres Wort dafür – verstörend. Es war so dermaßen bösartig, dass es die ganze Schönheit ihres Gesichts förmlich zerriss. Sie war damit abartig hässlich. Zumindest für einen winzigen Moment, dann war es verschwunden und sie sah wieder aus wie eine Göttin.
„Stell dich gerade und aufrecht hin. Beide Beine fest auf dem Boden, sodass nichts, auch ich nicht, dich umwerfen kann." Inzwischen hatte sich eine Art sadistischer Militärunterton in Elissas wundervolle Stimme geschlichen. Sofort kam Leya den Anweisungen nach.
Sie hätte Cals Ex gerne gesagt, dass es nicht in Ordnung war, wie sie sie behandelte, aber das würde sowieso nichts bringen. Höchstens würde Elissa bösartiger werden. Das hier war ihr Reich. Hier galten ihre Regeln. Die Halbgöttin hatte das recht klar gemacht. Noch dazu waren alle hier so fest von ihrer Rolle in der ganzen Geschichte überzeugt, dass Leya sich lieber nicht gegen ihre Lehrerin widersetzen sollte. Wenn die Ennas recht hatten – dessen war Leya sich nicht mehr sonderlich sicher, da es an sich keine Hinweise dafür gab – dann wäre der Gesang ihre einzige Möglichkeit um ihre ganz persönliche Tragödie aufzuhalten.
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Götterstimme
ParanormalEr packte sie an den Armgelenken, bevor sie ihn ein weiteres Mal schubsen konnte. „Wieso lässt du mich nicht dein Held sein?!" schrie Cal Leya wutentbrannt in ihr regennasses Gesicht. „Weil es in meiner Geschichte keine Helden gibt. Ich werde unwei...