Sternenmeer

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Ein kleines Intermezzo aus Leanders Sicht, meine Lieben!^^ _______________________________


„Bitte nicht, Gi. Bitte tu das nicht." flüsterte er und starrte das Mädchen vor sich an.

Die grünen Haare flogen um ihren Kopf, als sie zu ihm herumfuhr und ein Stück zurückwich.

Das einzige Licht in der kleinen Glaskuppel drang zwischen den teils riesigen Blättern der Pflanzen vom Haus und Mond hierher. Hinter ihr erstreckte sich der große See, der durch die Glaswand wunderbar zu erkennen war. Das Kuppelgewächshaus war auf einem Überhang über dem Wasser erbaut worden, weil hier sehr gute Voraussetzungen für die exotischen Pflanzen bestanden.

Gi hielt eine kleine, golden leuchtende Pflanze in ihren langen, bleichen Fingern. Sie trug - ganz ihrer Herkunft entsprechend - zu Halloween ein Meerjungfrauenkostüm. Irgendwie hatte sie es geschafft unglaublich echt aussehende Schuppen auf ihre helle Haut zu zeichnen, die farblich im Einklang standen mit ihren Haaren. Vielleicht waren es auch einfach ihre echten Schuppen. Wer wusste das schon?

Ein bläuliches Seidentuch wand sich um ihren Körper und sie blickte Leander erschrocken an. Nein, nicht ängstlich. Ängstlich war sie nie.

Sie war nicht einmal ängstlich gewesen, als Leander sie beim Schwimmen in dem alten Fischernetz zwischen zwei großen Felsen klemmend vorgefunden hatte. Damals hatte sie ihn mit ihren großen, roten Augen angeschaut und anstatt um Hilfe zu betteln, gefaucht. Sie hatte mit ihren Armen und ihrem Fischschwanz um sich geschlagen und furchterregend ausgesehen mit den vielen spitzen Zähnen. Trotzdem hatte er ihr geholfen, hatte sie mit einem Ruck aus ihrem tödlichen Gefängnis befreit, das sie in einem Stadium zwischen Mensch und Fisch zurückgelassen hätte und sie dadurch überaus schnell zum vertrocknen verdammt hätte.

Er hatte sie mit dem Netz an den Strand geschleppt, weil er sie einerseits nur so von dem Seilgewirr befreien konnte und sie andererseits wesentlich weniger gefährlich zu Land war als zu Wasser - zumindest seinen Büchern zufolge.

Er hatte sie gerettet und mitgenommen um sie zu beobachten. Dafür hatte sie ihn zuerst gehasst - was er inzwischen nachvollziehen konnte - und dann hatte sie begonnen ihn zu lieben, fast so sehr wie er sie liebte.

Und nun hielt seine einzig wahre Liebe einen der größten Besitze seiner Familie, ja seines gesamten Hauses in den Händen und war drauf und dran damit zu verschwinden.

„Stell das Silphium wieder hin! Sie gehört dir nicht. Du weißt ganz genau, dass das die Letzte ist, die es gibt, zumindest bis ich es endlich hinbekomme Neue zu erschaffen." meinte Leander mit fester Stimme. Er trat einige Schritte auf das Mädchen zu, doch sie wich zurück bis sie an der Kuppel anstieß.

„Natürlich ist sie die letzte ihrer Art, weil dein Volk nicht versteht, dass sie nicht für euch gedacht ist. Und das Kraut gehört mir, oder besser gesagt uns, den Meerjungfrauen. Es wurde uns geschenkt von unseren Göttern. Nicht euch. Ihr habt es uns geraubt und nun muss diese Pflanze hier oben sterben, nur weil ihr Nutzen aus ihr ziehen wollt um euch gegen eure Götter, gegen eure Krankheiten verteidigen zu können. Was ist mit uns? Ihr seid Parasiten auf dieser Erde! Zerstört alles, an das ihr rankommt. Und ich meine damit nicht nur die verdammten Halbgötter, nein! Auch die Sirenen und Menschen und Nymphen! Alles, was die Götter der Oberwelt geschaffen haben, verpestet das Land der Ursprünglichen. Wir haben die Erde lange vor euch regiert, haben gut für unsere Natur gesorgt und ihr habt das alles zerstört! Vernichtet! Und habt uns bestohlen um eure Macht zu sichern. Ihr habt uns als Monster bezeichnet, aber habt ihr schon einmal über euch nachgedacht? Nicht ich bin die Bestie, sondern du! Sondern ihr alle!"

Gis Stimme war in ein beängstigendes Zischen übergegangen. Ihre Finger hatten sich um den Blumentopf verkrampft und das Rot ihrer Augen war von der Iris auch auf das umliegende Weiß übergegangen. Sie verfiel wieder in ihren ursprünglichen Meerjungfrauen Zustand.

Götterstimme Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt