Kapitel 5 - Orpheus und Sirnen - Part 4

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Bild: Elissa

Einige Meter hinter ihm, schwebte das schönste Mädchen den Gang entlang, das Leya jemals gesehen hatte. Sie war groß, schlank und besaß ein Gesicht, das man schlichtweg als Hope-Diamant unter den Gesichtern bezeichnen konnte. Ihre Züge waren perfekt, mit hohen Wangenknochen, vollen Lippen, großen Augen und einer Nase, die sich unauffällig in die Züge einpasste. Dieses Wunderwerk der Natur wurde eingerahmt von dunklen Haaren, die in einer Art Marilyn-Monroe-Frisur geschnitten waren und alle Vorzüge des Gesichts hervorhoben. Das komplette Bild wurde von der blauschwarzen Hautfarbe abgerundet, die das Mädchen beinahe zum leuchten brachte unter dem kalten Flurlicht.

Die eleganten, federleichten Bewegungen dieser – ja, zu diesem Anblick passte die Bezeichnung wie die Faust aufs Auge – Halbgöttin, führten sie geradewegs auf Cal zu, aber anstatt ihn zu umarmen zur Begrüßung, fiel die Schönheit in seine Arme und fing liebevoll an ihn zu küssen.

Leya sah zu, wie Cal dastand mit großen Augen und die Küsse genoss. Es sah schön aus, wie die zwei sich küssten, das musste Leya zugeben. Der Kontrast der schwarzen und weißen Haut des Mädchens und Cals unterstrichen die Schönheit der zwei umso mehr.

Dennoch fühlte Leya, wie bei dem Anblick etwas in ihr zerbrach.

Natürlich hatte Cal eine Freundin!

Wieso war sie so naiv gewesen und hatte sich Hoffnungen gemacht ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwanden, dass Cal längst eine Beziehung haben könnte? Das war doch glasklar, dass er ein Mädchen wie dieses seine Freundin nannte. Bei seinem Aussehen hätte Leya doch klar sein müssen, dass dabei etwas faul war, wenn er allein war.

Es war so dumm von ihr gewesen zu glauben, dass er Interesse an ihr haben könnte, die über Freundschaft hinausging. Sie kam nicht einmal im Ansatz an dieses unglaubliche Wesen heran, das sich im Moment in Cals Umarmung schmiegte. Wie hatte sie nur so dumm sein können?

Taubheit schlängelte sich mit jedem Schlag ihres gebrochenen Herzens durch Leyas Adern. Ihr war, als würde ihr Blut nach und nach gefrieren bis jede noch so kleine Ader mit Eis angefüllt war und sie nichts mehr spürte außer dumpfen, kalten Schmerz in jeder Faser ihres Körpers.

Sie wich zurück, weg von dieser Szene, die ihr das Herz aus dem Leib riss mit jedem Wimpernschlag aufs Neue.

Sie hörte nur noch das eigene Schlagen ihres Herzens, richtete sich nach dem Rhythmus des Pumpens.

Poch. Schritt zurück.

Poch. Noch einen.

Poch. Umdrehen, weg davon.

Poch. Küchentür oder Badezimmer?

Poch. Schritt hin zum Bad.

Poch. Bad.

Poch. Abschließen, Tür und Fenster.

Poch. Weg, nur weg mit den Gefühlen.

Leya stütze sich auf das weiße, teuer aussehende Waschbecken und drehte den silbrig glänzenden Wasserhahn auf. Sie spritzte sich die kalte Flüssigkeit ins Gesicht um die aufsteigenden Tränen zu verdrängen. Nein. Sie würde nicht nochmal weinen.

Nach kurzer Zeit beruhigte sich ihr Körper, die Tränen gingen zurück und rückten den dumpfen, eisigen Schmerz von vorhin wieder in ihren Wahrnehmungsbereich.

Sie war dumm gewesen... So verdammt dumm.

Das hatte man nun von Gefühlen für einen Unbekannten.

Das scharfkantige Eis floss zäh durch ihren Körper, während Leya tief Atem holte, die nach irgendwelchen weißen Blumen – dem Bild auf dem Plastikbehälter nach zumindest – duftende Flüssigseife in ihre Hände rieb und sich damit die von ihrem vorherigen Weinen verlaufene Wimperntusche aus dem Gesicht wusch. Ganz langsam zog sie mit ihrer Hand ihre Gesichtszüge nach, damit nichts von der Seife in ihre Augen kam. Als sie fertig war, hielt sie ihren Kopf unter das Wasser, stets darauf bedacht, dass ihre Haare nicht nass wurden und säuberte ihr Gesicht von dem weißen Schaum. Der Geruch des Waschmittels stach in Leyas Nase, aber es machte ihr nichts aus. Genauso wenig wie das eiskalte Wasser, das aus dem Hahn lief. Alles war dumpf. Ihr Körper hatte sich innerhalb von Sekunden durch den immerwährenden Schmerz in Leyas Inneren abgestumpft.

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