Bild: Frau Berlui
Zurück in ihrem Raum sank Leya an ihrer Tür entlang auf den Boden. Sie setzte sich im Schneidersitz hin und wartete gespannt darauf, was das kleine Päckchen enthielt, das sie gerade auspackte. Im Inneren der Schachtel lag ein iPhone, das neueste, das auf dem Markt war und glitzerte in schwarzem Metall.
Mit offenem Mund nahm Leya es aus der Box und schaltete es an. Der Touchscreen leuchtete auf und gab den Blick auf einen Zettel frei, der als Hintergrundbild herhielt. Darauf war in Cals geschwungener Schrift zu lesen: Es ist die gleiche Nummer, die du davor hattest. Und schau bitte in deine Kontakte.
Leya berührte das Symbol unter dem ihre Kontaktliste war und entdeckte darin genau einen Namen: Cal Enna
Leya konnte sich denken, woher Cal ihre Nummer hatte, nämlich von ihrem Handy, das sie ohne Sicherungscode am Freitag vergessen hatte bei ihrer überstürzten Flucht und das Cal ihr wiedergebracht hatte.
Wenigstens hatte sie jetzt auch seine Nummer. Die Machtverhältnisse waren also wieder ausgeglichen. Wenn sie wollte, könnte sie seine Nummer jetzt blockieren. Aber das wollte sie gar nicht – wie sie ein wenig überrascht feststellte. Da sie nun wirklich nicht darüber nachdenken wollte, was das und ihre inzwischen ziemlich verpuffte Wut zu bedeuten hatten, stellte sie stattdessen einen Sicherheitscode ein und stand auf.
Sie hatte jetzt schon seit geraumer Zeit nur ein Handtuch an. Das musste sich ändern. Vor allem, weil sie bald los musste. Es war schon zwanzig vor acht und ihre erste Stunde hatte sie um kurz nach acht. Wenigstens war der Weg zur Schule nicht weit...
Im Eiltempo schnappte sie sich eine Jeans und ein gemütliches T-Shirt, zog dazu Chucks an und rannte dann die Treppe runter. Unten angekommen warf sie ihre Schulsachen in ihre Tasche, zusammen mit dem neuen Handy und ihrer Brotzeit und hastete dann aus dem Haus, wobei sie ihren Eltern jeweils einen Kuss auf die Wange gab.
Das alles hatte zehn Minuten gedauert und so hatte sie noch eine viertel Stunde um ihr Rad aufzusperren, zur Schule zu fahren, es wieder abzusperren und in ihr Klassenzimmer zu kommen.
Um Punkt acht Uhr stand Leya keuchend vor der Schultür, die sie aufriss und blindlings hindurchrannte.
Sie hätte es sich denken können, dass sie mit jemandem zusammenstoßen würde, wenn sie sich so beeilte. Sie prallte also zwei Schritte nach der Tür mit einem Jungen zusammen, den sie erst erkannte, als er ihr die Hand hinstreckte um ihr aufzuhelfen – denn natürlich hatte er es geschafft sein Gleichgewicht zu halten. Manchmal verfluchte Leya ihre Tollpatschigkeit, die gerade, wenn sie in Eile war, überaus gehäuft auftrat. Leya hob den Kopf und starrte in ein belustigt grinsendes Gesicht, das ihr leider allzu bekannt war.
„Das ist doch ein blöder Scherz, oder?" fragte sie, schmunzelte dabei aber, was den Satz deutlich entschärfte. Über ihr stand Cal.
Sie ließ sich von ihm hochziehen und murmelte ein leises „Danke."
Dann wollte sie weiterhasten. Doch Cal ließ ihre Hand nicht los, beugte sich mit hochgezogener Augenbraue nach unten und hob ihr neues Handy hoch.
„So gehst du also mit Geschenken um?" fragte er grinsend und drückte ihr das Telefon in die freie Hand.
Leyas Gesicht rötete sich ein bisschen bis sie sich kurz darauf wieder zu fassen bekam.
„Und als Gegenleistung könntest du mir jetzt noch zeigen, wo das Klassenzimmer 113 ist. Da ist nämlich meine erste Stunde an der neuen Schule."
Sie konnte nicht anders, sie musste ihn entgeistert anstarren. Meinte er das ernst? Sie hatte jetzt Unterricht in 113. Hatten sie etwa zusammen Englisch?
Leya nickte langsam und murmelte: „Komm mit..."
Sie brachte Cal bis zu der Treppe und führte ihn nach oben. Auf ungefähr der Hälfte des Wegs läutete es zur ersten Stunde. Jetzt kamen sie wohl zu spät... Dumm gelaufen.
Sie brachte ihn bis vor die schwarze Holztür und öffnete sie.
Ihre alte und Cals neue Englischlehrerin Frau Berlui fuhr in einem Sekundenbruchteil herum, fixierte sie und keifte mit ihrer hohen Stimme, die in den Ohre weh tat: „Wenn sie schon zu spät kommen, Frau Mailänder, dann kommen sie wenigstens ohne ihren Freund und führen mir bitte nicht so deutlich vor Augen, was sie getrieben haben, bevor sie das Klassenzimmer betreten haben!"
Leya sah ihre Lehrerin verständnislos an. Woher wusste die Berlui von ihrem gestrigen Beinahe-Kuss? Und wieso bezeichnete sie Cal als ihren Freund?
Leya folgte dem Blick von Frau Berlui und erkannte, dass Cal noch immer ihre Hand hielt. Er hatte sie nicht losgelassen und Leya hatte es nicht bemerkt...
Etwas zu spät begriff sie, was für einen Eindruck es machen musste, dass sie Cal nicht losließ. Mit einem peinlich berührtem Lächeln schlich sie sich unter dem stechenden Blick von Frau Berlui und den verwunderten Gesichtern ihrer Klasse auf den Sitzplatz neben Angel, deren Augen allein schon sehr, sehr viele Fragen vermuten ließen, die spätestens in der Pause beantwortet werden mussten. Ob Leya nun wollte oder nicht.
Frau Berlui drehte sich zurück zu Cal und fauchte: „Jetzt verschwinde schon! Das Mädchen hat keine Zeit für irgendwelche verruchten Phantasien, die du ausleben willst! Sie muss jetzt Englisch lernen. Also geh! Kusch!" Frau Berlui machte eine scheuchende Handbewegung, die Cal einen Tick zurückweichen ließ. So hatte er sich seinen ersten Schultag hier wohl nicht vorgestellt...
Kleinlaut, aber mit seinem charmantesten Lächeln, das er plötzlich auf seinem Gesicht erschienen ließ und einige Mädchen in der ersten Reihe dazu brachte sich umzudrehen und Leya giftige Blicke zuzuwerfen, sagte Cal: „Wenn ich gehe, würde ich aber meine erste Englischstunde bei Ihnen verpassen! Und das will ich nicht riskieren. Ich bin der neue Schüler, Callixtus Enna. Aber es wäre schön, wenn sie mich Cal nennen könnten."
Und dann geschah es, das, was niemals geschehen war, seit Leya Frau Berlui kannte. Sie lächelte und zwar nicht ihr übliches, bösartig – sadistisches Grinsen, sondern ein geschmeicheltes, freundliches Lächeln.
Zum zweiten Mal an diesem Tag blieb Leya der Mund offen stehen.
Doch sofort kam der nächste Schock. Frau Berlui fing an zu reden, aber sie keifte nicht, sondern sie zwitscherte förmlich wie ein verliebtes Schulmädchen: „Ach so! Natürlich. Das hatte ich ja ganz vergessen, dass ein neuer Schüler angemeldet war! Such dir einen Platz, Cal und frag ruhig, wenn du nicht mitkommst."
Frau Berlui, die Sadistin, die Furie strahlte Cal an und deutete mit einer Armbewegung auf das ganze Klassenzimmer um ihm zu zeigen, dass ihm alle Möglichkeiten bei der Platzwahl offen standen.
Cal lief mit seinen katzenhaften Bewegungen zu der Reihe vor Leya und Angel und ließ sich auf dem Platz zwischen Sandra und Kleo, die momentan zerstritten waren und darum einen freien Platz zwischen einander ließen, nieder. Er saß haargenau vor Leya.
Als er seine Bücher und seinen Ordner auspackte, drehte er sich um und grinste sie an. Sie hatte bereits beobachten können, wie Kleo und Sandra näher gerückt waren, sobald Cal sich gesetzt hatte. So schnell war der Streit also vergessen.
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Danke fürs followen,
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Hier ist die Widmung!
Song:
Ellie Golding - Your Song
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Götterstimme
ParanormalEr packte sie an den Armgelenken, bevor sie ihn ein weiteres Mal schubsen konnte. „Wieso lässt du mich nicht dein Held sein?!" schrie Cal Leya wutentbrannt in ihr regennasses Gesicht. „Weil es in meiner Geschichte keine Helden gibt. Ich werde unwei...