Kapitel 1 - Das erste Lied - Part 3

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Bild: Cal

 „Was redest du da? Du weißt ganz genau, was ich meine! Hör auf mit dem Mist!" zischte Cal irritiert.

Ängstlich wandte Leya ihren Blick auf die Tischplatte. Ihr Körper wurde von unkontrolliertem Zittern übermannt und Tränen rannen über ihr Gesicht. Wieso half ihr denn niemand? Wieso bemerkte sie denn niemand?

Die Frage konnte sie sich eigentlich selbst beantworten. Die Pärchen waren auf sich selbst konzentriert und es war zu dunkel, als dass die anderen ihre Tränen und das Zittern bemerken würden.

„Jetzt sag schon!" zischte der Junge. Seine langen, eleganten Finger gruben sich in ihren Arm und er schüttelte sie ein wenig. Als Leya die große Hand anblickte, schien es ihr als ob seine Fingernägel plötzlich wachsen würden und sich damit immer schmerzhafter in ihr Fleisch gruben.

„Ich weiß nichts! Bitte, lass mich gehen!" flüsterte sie ängstlich. Sie fürchtete, dass sie zu seinem Missfallen zu laut sprechen könnte und damit seinen Zorn auf sich ziehen würde.

Der Dunkelhaarige lockerte seinen Griff um ihren Arm ein wenig und schwieg bis er schließlich meinte: „Schau mich an."

„Was?" fragte sie erschrocken. Sie wollte nicht, dass der Schmerz wiederkam.

„Schau mir in die Augen." befahl er zwar bestimmt, aber freundlicher. Insgesamt behandelte er sie nicht mehr so furchtbar wie vor einigen Augenblicken. Leya fühlte sich nicht mehr so gefangen und eingeengt. Er hatte seine Umfassung gelockert.

„Lässt du mich gehen, wenn ich das tue?"wisperte sie und hoffte, dass Cal sie trotz der Liebeslieder verstehen konnte.

„Besser. Ich verschwinde, wenn du das machst." erklärte er.

Auch wenn Leya große Angst vor den Schmerzen hatte, die mit den Blicken einhergehen würden, so war die Panik, die sich in ihr aufgebaut hatte, inzwischen so groß, dass sie alles tun würde, damit Cal verschwand.

„Okay." nickte sie leise und wandte sich ihrem Fänger zu.

Zögerlich wanderte ihr Blick von seinem muskulösen Körper nach oben zu seinem Gesicht. Dort erblickte sie zuerst eine schmale, aber elegant geschwungene Lippe, die über einem markanten Kinn lag. Dann kam eine gerade Nase und schließlich wanderten ihre Augen zu den seinen.

Schwarze Wimpern umrandeten seinen dunkelblau-grauen Blick.

Ihr Körper versteifte sich, ihr Armreif begann wieder zu brennen und Stück für Stück fing ihr Körper unter höllischen Schmerzen Feuer. Es schien ihr als würde ihr Körper stückchenweise zerrissen und zu Asche verbrannt werden. Sie wollte schreien, konnte aber nicht, denn das Feuer erreichte ihren Blick und tauchte alles in tiefste Schwärze.

Kurz darauf setzte der Chor ein und schrie: „Fliehe! Fliehe! Fliehe!"

Die Stimmen klangen einerseits aggressiv, andererseits panisch. Das Gebrüll hallte in ihrem Inneren nach. Sie wollte sich am Boden vor Schmerzen winden, aber in der Dunkelheit gab es keinen Boden. Nur Qual.

Sehnsüchtig wartete sie auf das silberne Licht, aber es dauerte allem Anschein nach jedes Mal länger. So als wären die Schreie eine Strafe, weil sie sich weiter der Gefahr aussetzte.

Doch letztendlich erschien der helle Punkt doch und wandelte sich nach und nach zurück in den Saal voller tanzender Pärchen.

Das Erste, was ihr auffiel, war, dass sie nicht mehr gefangen war. Ihr Körper wurde nicht mehr an jeder Bewegung gehindert. Und die Panik war auch deutlich abgeklungen.

Überrascht blickte Leya sich um. Wo war Cal? Er hatte gesagt, dass er gehen würde, aber bis zu diesem Moment hatte sie ihm nicht geglaubt.

Er war weg! Sie war frei!

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