Wieso hörte eigentlich niemand auf sie? Wieso? Gab es dafür einen Grund?
Sie konnte genau hören, wie sowohl Cal, als auch Leander sich irgendwo in der Nähe ihres Zimmers herumtrieben und lauschten, was sie tat. Leander war in seinem eigenen Raum, der dummer Weise neben ihrem lag und Cal saß auf dem Gang oder lief davor herum und lauschte.
Wieso verstanden die zwei denn nicht, dass es besser für alle wäre, wenn sie Leya in Ruhe lassen würden?
Sie musste die verdammten Verflechtungen aufhalten oder zumindest verlangsamen, sonst würde sich das Bild in kurzer Zeit vervollständigen und Leya würde nichts dagegen tun können. Da war sie sich sicher und sie oder sie war sich ebenfalls sicher, dass es Cal treffen würde. Es tat ihr weh das auch nur zu denken, aber sie liebte ihn mehr als ihre Familie. Er war, kurz gesagt, der wichtigste Mensch auf dieser Erde für sie und wenn sie ihn verlieren würde, dann würde sie daran zerbrechen. Aber es war besser, wenn sie ihn verlor indem er sich von ihr entfernte und sie langsam aber sicher ihre Gefühle für ihn aufgeben konnte, als dass sie ihn durch die Hand des Gevatter Tod gehen sehen musste. Das würde nämlich mehr folgen nach sich ziehen, als nur ihr eigenes, ganz persönliches Verderben.
Schweigend wischte sie sich die Tränen vom Gesicht, die schon die ganze Nacht hindurch daran herab liefen. Sie hatte es geschafft halbwegs leise zu sein, trotz des Weinens. Dadurch bemerkte keiner der Zwillinge ihre Schwäche.
Neben Cal gab es natürlich auch noch Leander. Es war keine Frage, dass da etwas war zwischen ihnen. Irgendetwas, das ihn wohl genauso wie sie faszinierte, aber Leya liebte ihn nicht, wenn Liebe sich so anfühlte wie das, was sie für Cal empfand.
Es tat so weh, Cal immer wieder wegzustoßen, aber es war besser für alle. Nur wollte er nicht hören. Er schien gar nicht wahrzunehmen, wie sie ihm immer wieder sagte, dass er sie verlassen sollte. Wieso folgte er ihren Worten denn nicht? Sie hatte ihm so oft weh getan, da musste er doch verstehen, dass sie ihn zerstörte... Immerhin hatten sie sich doch am Abend ihres Geburtstages schon praktisch getrennt. Warum war er nur zurückgekommen?
Mit einem Seufzen stand sie auf und öffnete ihr Fenster. Sie brauchte frische Luft. Bei jedem ihrer Schritte wusste sie genau, dass Cal und Leander lauschten. Wahrscheinlich waren beide bereit aufzuspringen und ihr hinterher zu rennen, falls sie vorhatte ihr Zimmer zu verlassen.
Dieses Gefühl der Dauerkontrolle machte Leya richtiggehend verrückt. Zwar hielt es erst seit gestern Abend, seit sie von der Muse geküsst worden war – die Wirkung war nach ihrem Schrei sehr schnell wieder verflogen und sie war genauso unmusikalisch wie zuvor – an, aber schon allein diese paar Stunden machten sie fertig.
Mit einer großen Bewegung öffnete sie das Fenster und genoss den kalten Luftschwall, der ihr entgegen schlug. Tief sog sie ihn ein. Soweit sie wusste war es erst kurz nach Mittag, aber die Dunkelheit, die sich vor ihr erstreckte, sobald sie nach draußen sah, erinnerte eher an kurz nach Mitternacht. Riesige, tiefschwarze Wolkentürme hatten sich aufgebaut und verschluckten die mageren Sonnenstrahlen komplett.
Der Schnee, der die Hügel bedeckte, schien grau zu leuchten. Die ganze Szenerie sah beängstigend aus, so als wollte sich die Erde verstecken vor dem, was kommen würde.
Im Moment blies kein Wind. Das Meer lag – soweit man das bei den schlechten Lichtverhältnissen erkennen konnte – wie ein Spiegel ruhig da und wurde höchstens von winzigen Wellen durchbrochen, die sich ihren Weg von weit draußen zur Küste bahnten.
Überhaupt war alles ruhig. Vor einigen Stunden hatte Leya gehört, wie ein Auto davongefahren war. Da Cals Eltern schon seit einigen Tagen mehr oder weniger verschwunden waren, vermutete Leya, dass Elissa weggefahren war. Sie hatte das Haus auch in den letzten Tagen immer wieder verlassen, wenn auch meistens abends. Aber wer sagte denn, dass sie ihren Zeitplan nicht ändern konnte? Jetzt waren nur noch Cal, Leander und Leya im Haus. Sie war sich ziemlich sicher, dass es noch zu größeren Spannungen kommen würde, wenn dieser Zustand lange anhielt.
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Götterstimme
ParanormalEr packte sie an den Armgelenken, bevor sie ihn ein weiteres Mal schubsen konnte. „Wieso lässt du mich nicht dein Held sein?!" schrie Cal Leya wutentbrannt in ihr regennasses Gesicht. „Weil es in meiner Geschichte keine Helden gibt. Ich werde unwei...