Auch Adara fiel das Sprechen auf einmal schwer. In ihrem Hals hatte sich ein Klos gebildet, der sie am Formulieren der Worte hinderte. Sie und Tom standen einfach so da, Adara auf der ersten Stufe des Treppenabsatzes und er unten auf dem Flur, und doch waren sie sich ebenbürtig, konnten sich geradeaus in die Augen schauen. Adara wandte den Blick als erste wieder ab. „Das ist schon gut", sagte sie erneut. Leise. Sie stieg die einzelne Stufe wieder hoch zum Esstisch und setzte sich zurück auf ihren Stuhl. Sie schaute zu Tom hinüber, der immer noch wie angewurzelt mitten im Raum stand und den Aquamarin in seiner Hand anstarrte, als ob er gleich wieder verschwinden könnte. Sie musste schmunzeln. „Nur weil ich ihn aus dem Nichts heraufbeschworen habe, heisst das nicht, dass er auch wieder dorthin verschwindet", meinte sie mit einem leicht bitteren Beigeschmack. Tom ruckte aus seiner Starre hoch. „Was...?", fragte er verwirrt. „Nein, es ist nur, ich habe noch nie einen so dunklen Aquamarin gesehen. Er ist so wunderschön...", meinte er kaum hörbar. „Ja, das stimmt. Es gibt leider kaum noch solche in der Natur. Meistens sind sie blassblau und durchsichtig", entgegnete Adara ebenso leise. „Der muss einen unermesslichen Wert haben", erwiderte Tom, noch immer ganz perplex. „Egal." „Nein, nicht egal!", gab er zurück. „Ich kann... das nicht annehmen!", ergänzte er leicht stotternd. Er hatte so lange nicht mehr stottern müssen, dass es ihm banal vorkam. „Und ob du das kannst. Ich kann...", doch sie beendete den Satz nicht, sondern suchte nur unsicher Toms Blick. „Du... du kannst noch mehr von denen herstellen", beendete er schliesslich verblüfft ihren Satz und griff sich mit der freien Hand in die Fingerlangen, kastanienbraunen Haare. Adara nickte vorsichtig. Dieses Wissen, das Tom nun über sie hatte und das er nach und nach immer erweiterte, stellte eine Gefahr für sie dar. Wenn er sich nicht an ihre Abmachung hielt, wenn er es sich anders überlegte und sie nicht wieder gehen liess, dann war ihr Leben so gut wie gelaufen. Nicht dass es anders gewesen wäre, wenn auch nur ein Meermensch herausgefunden hätte, wo sie sich zurzeit aufhielt, aber diesen Gedanken verdrängte sie schmerzlich. Immerhin war Tom nicht gerade bettelarm und diese Tatsache erfüllte ihre Brust mit Hoffnung, nicht als Geldmaschine zu enden. „Dann gehst du also zum Sommernachtsball?", fragte sie plötzlich. Hoffnungsvoll. Tom schaute sie von der Seite an, wartete ab und seufzte dann. „Ja", sagte er schliesslich gedehnt. Aber noch bevor sie irgendetwas darauf hätte antworten können, fügte er hinzu: „Aber ich gehe nicht alleine." Adara stockte der Atem und ihr Blick verfing sich ins Toms. Was sollte sie darauf nur erwidern? Hatte er tatsächlich noch ein Schlupfloch gefunden, um sich doch drücken zu können? Ihr fiel vor Verblüffung keine angemessene Antwort ein. War das sein Ernst? Konnte das denn sein Ernst sein? „Aber wenn du nicht dorthin willst...", fuhr er dann leichthin fort und Adara wusste, auf was er hinauswollte. Oh nein, so einfach liess sie ihn nicht davonkommen! „Ich komme mit." Die Worte waren ohne Mühe über ihre Lippen gekommen und waren fest und bestimmt. Nun war es Tom, dem der Mund aufklappte. Er hätte nie damit gerechnet, dass Fé tatsächlich akzeptieren würde. Dass sie weniger Mühe damit hatte, sich in seine Welt hinauszutrauen als er selber. „Ist das dein Ernst?", brachte er nur hervor. „Natürlich! Ich für meinen Teil bin nämlich dafür, all diesen Menschen ohne Hab und Gut zu helfen, anstatt mich hier zu verstecken", antwortete sie spitz. Es brauchte weder einen Wegweiser noch einen Zaunpfahl, um verstehen zu können, dass sie damit nicht etwa die Leute des Organisationskomitees meinte, sondern die wahrlich Hilfsbedürftigen, für die der ganze Aufwand überhaupt betrieben wurde. „Aber dann sehen dich die Leute", warf Tom besorgt ein. Das hatte er mit Sicherheit nicht erreichen wollen. „Ja und? Solange du nicht herumtrompetest, dass ich nicht mit zwei Beinen zur Welt gekommen bin und mir niemand einen Kessel Wasser über den Kopf schüttet ist doch alles gut, oder etwa nicht? Ausserdem war es doch deine Idee." Auf dieses Argument hatte Tom keine Antwort parat. Er suchte in ihren Augen nach dem leisesten Hauch eines Zweifels, doch er fand nur Entschlossenheit und... Er musste grinsen. ...Sturheit. Dann war es also beschlossene Sache?
DU LIEST GERADE
Mermaid Summer
FantasyTom's Unglück begann vor etwa einem Jahr, als er zusehen musste, wie seine Familie in einem schrecklichen Brand ums Leben kam. Als einziger Überlebender schlägt er sich mit heftigen Depressionen und Albträumen herum und kann einfach nicht glauben, d...