11. Der Morgen macht den Tag

1.9K 148 56
                                    

Hallo meine Lieben! :) Ich hoffe, es geht Euch allen gut, ich möchte euch an dieser Stelle mal für die 360 Reads danken! Ich weiss, im Vergleich zu den ganz grossen bin ich nur ein kleiner Fisch, aber hey! 360 Reads nach knapp zwei Wochen ist doch auch schon was! :D Ich hoffe natürlich auf weitere ;) Sagt mir doch, wenn euch etwas nicht passt, ich bin wirklich offen für Kritik, ebenso für Lob (versteht sich XD) Hab Euch alle ganz doll lieb :*


„Aha", meinte Adara gedehnt und Tom wurde das Gefühl nicht los, dass sie - je mehr er versuchte, ihr alles zu erklären - verwirrter wurde. „Also! Da haben wir Müsli, Eier, Milch, Toast, sag einfach, was du willst!", schlug er ihr vor. „Überrasch mich", gab sie lächelnd zurück. Seltsam war es schon irgendwie. Fé war nicht wie die anderen jungen Frauen, die immerzu wie hilflose Hundewelpen mit den Wimpern klimperten, wenn sie etwas wollten. Sie schien einfach gerade heraus zu sagen, was sie dachte und dabei schaffte sie es auch noch, weder vorlaut noch hochnäsig zu klingen. Irgendwie mochte er das. Er schätzte es an ihr. „Challenge accepted", lachte er und wandte sich den vielen Verpackungen auf dem Esstisch zu. Nachdem er alles mit extrem pingeliger Sorgfalt in die Küchenschränke geräumt hatte, holte er sich eine Bratpfanne, eine grosse Schüssel, einen Schwingbesen, einen Pfannenwender und eine grosse Schöpfkelle, was ihm wiederum fragende Blicke von Fé einbrachte, die er mit einem wissenden Lächeln quittierte. Sie sollte sich ruhig wundern, was er da zusammenbraute. Er mochte es auf eine ihm zuvor unbekannte Art und Weise, wenn sie ihm mit ihrem neugierigen, unwissenden, schon beinahe unschuldigen Blick zusah, ihn musterte, als wäre er ein geheimer, wertvoller Schatz oder ein bislang noch unentdecktes Wunder. In der grossen Schüssel rührte Tom gekonnt Mehl unter die Milch und fügte schliesslich Eier und Salz hinzu. Nur eine Frau hatte ihn bisher so angeschaut. Und diese war seit ziemlich genau einem Jahr tot. Es war seine Mutter Rosalia gewesen. Zuletzt sah Fé entzückt dabei zu, wie ein Stück Butter in der Bratpfanne schmolz, bevor er den angerührten Teig mit der Kelle in der Pfanne verteile. Darauf rieb er ein wenig Käse und würzte das Ganze dann mit verschiedensten Kräutern. Während das Omelett vor sich hin brutzelte, deckte er den Tisch. Als Adara schliesslich ihre grosse, runde, goldene Portion auf dem Teller hatte und sie entzückt anstarrte, kippte Tom eine weitere Kelle des Teiges in die noch heisse Pfanne und setzte sich dann zu Fé an den Tisch. „Das ist ein Omelett", sagte er und in seiner Stimme schwang eine kleine Spur des Stolzes mit. „Man isst es vor allem in Frankreich so, es gibt aber viele Variationen überall auf der Welt. Ich mache meine zum Beispiel immer mit etwas Konfitüre anstatt mit Käse." „Wie isst man das?", fragte Fé und er lachte beherzt auf. „Am besten mit dem Mund", meinte er immer noch lachend und auch Adara lächelte kopfschüttelnd. Auf ihrer Nase bildeten sich kleine Lachfältchen. Er schüttelte langsam den Kopf. „Nein, schau", meinte Tom nach einem Moment und beugte sich zu ihr herüber. „Am besten geht es wenn man sie rollt", erklärte er und machte sich an der dampfenden Teigscheibe zu schaffen. „So kann man sie dann auch viel besser schneiden", fuhr Tom unbeirrt fort und schnitt das Ende mühelos ab. Er lud es auf die Gabel und hielt sie in die Höhe, direkt vor Adaras Mund. Sie zögerte, schaute die kleine Roulade auf der Gabel vor sich an. Dann wanderte ihr Blick an der Gabel hoch zu Tom, der sie wiederum erwartungsvoll musterte. Und nach einem weiteren Moment lehnte sie sich dann mit geöffnetem Mund nach vorn, um die Gabel zu erreichen doch im letzten Moment zog Tom den Happen vor ihrer Nase fort und genehmigte ihn sich selbst. „Zu langsam", witzelte er kauend und ging wieder um die Anrichte herum, um nach seinem eigenen Omelett zu sehen. Adara sass wie ein begossener Pudel auf ihrem Stuhl und schloss erst nach einem langen Augenblick, in dem sie verwirrt zu Tom herübergeschaut hatte, den Mund wieder. Sie hätte es eigentlich wissen müssen, schoss es ihr durch den Kopf und liess ihre Mundwinkel zögerlich in die Höhe zucken. Bald sass Tom wieder vor ihr und vertilgte sein eigenes Omelett wie ein zehnarmiger Oktopus, der sechs Wochen auf Diät gesetzt worden war. „Wie lange warst du eigentlich wach, bevor ich aufgestanden bin?", fragte er schliesslich mit halbvollem Mund. „Ich? Nur ein paar Minuten", antwortete Adara. „Die Sonne hat mich geweckt." „Es ist ein herrlicher Tag, nicht wahr?" „Wie im Paradies", erwiderte sie verträumt. „An Tagen wie diesen gehe ich meistens an den Strand runter", erwiderte Tom, leider noch mit vollem Mund, was er aber erst viel zu spät bemerkte. „Ich habe noch nie Tage wie diesen erlebt. Bei uns sieht jeder Tag in etwa gleich aus. Es sei denn, es herrscht Sturm, dann ist es auch unter Wasser eher düster." Tom hielt inne und sah von seinem Teller auf. „Du hast also noch nie zuvor einen Sonnenaufgang gesehen?", fragte er verwundert. „Nein", lachte sie „also, ich meine... Doch, aber nur unerlaubter Weise", fügte sie leiser hinzu und errötete kaum merklich. „Und noch nie in seiner vollen Pracht." „Du nimmst es also nicht so genau mit den Gesetzen, wie?" Tom schmunzelte und wischte sich mit einer Serviette einen Konfitüre-Klecks aus dem Mundwinkel. Man merkte schon irgendwie, dass er eine gute Erziehung genossen hatte, ging es Adara durch den Kopf. Nur leider überwog der Einzelgänger in ihm noch ein kleines bisschen. „Doch! Ich nehme die Gesetze sehr ernst", widersprach sie halb schockiert und straffte automatisch ihren Rücken. „Es war nur ein einziges Mal, dass ich meinem Vater nicht gehorcht habe", meinte sie dann etwas leiser. „Als er noch gelebt hat. Das hier zählt nicht." Ihr Vater. Er hätte ihr den Kopf abgerissen, wenn er gewusst hätte, was sie da tat. Bei einem Menschen im Esszimmer sitzen und ein Kaffeekränzchen halten... Ja, definitiv, ihr Vater wäre spätestens zu diesem Zeitpunkt tot umgefallen. Vor Wut und wegen Bluthochdruckes. „Und was ist dann mit ‚schwimme niemals an die Oberfläche' oder ‚esse nichts, das von den Menschen kommt' und ‚nähere dich einem Menschen niemals auf mehr als eine halbe Meile'?" Er zog beide Augenbrauen erwartungsvoll in die Höhe. Adara seufzte resignierend. „Du hast ja recht", gab sie zu. „Ich hab's in letzter Zeit wirklich nicht so mit den Gesetzen..." und etwas leiser fügte sie hinzu: „Normalerweise hatte uns das Gesetz auch geschützt. Doch nun kommt die Gefahr ja aus unserer Mitte." „Fé" Es war keine Frage, noch nicht einmal der Anfang eines sinnvollen Satzes, den Tom zu formulieren versuchte. Er hatte seinen Kopf schief gelegt, eine Hand nach ihrer Schulter ausgestreckt und versuchte ihr ins Gesicht zu schauen. „Fé, ich...", begann er, brach aber wieder ab, denn er wusste nicht, was er hätte sagen sollen, was er sagen durfte, wie er ihr seine Hilfe anbieten konnte. In seinem Kopf wirbelten so viele Fragen herum. Was meinte sie mit ‚Die Gefahr kommt aus unserer Mitte'? „Tom, es... es ist alles verdammt kompliziert", sagte sie aber nur. Kopfschüttelnd. „Ich bin für dich da, okay Fé?" Wie seltsam das aus seinem eigenen Mund klang, dachte er. Gerade er, der Aussenseiter, der allen Menschen so jäh vor den Kopf stiess, um nicht mit ihnen in Kontakt treten zu müssen bot einer Meerjungfrau ein offenes Ohr an. Doch Fé schien von Geheimnissen nur so umgeben zu sein. Regelrecht eingebunden in ein Netz aus verzwickten Geheimnissen. Sie war viel zu faszinierend, als dass er sie hätte wegschicken können. Auch wenn er eigentlich keine Nähe wollte, so liess sie es ihn vergessen. Ja, er suchte ihre Nähe geradezu. Wie war das bloss möglich? „Okay" Als sie das sagte, lächelte sie. Aber es war ein trauriges Lächeln, ein falsches Lächeln. Die Maske einer Puppe. Er stand auf und zog sie in eine Umarmung. „Ich weiss zwar nicht, was du schon alles durchleben musstest und was dort, von wo du kommst, alles passiert ist, Fé. Aber wenn du jemanden zum Reden brauchst, oder zum Zuhören, ganz egal, was es sein mag, dann bin ich für dich da. Ich meine das ernst, Fé, klar?", raunte er sanft in ihr Haar. Weshalb er das tat, konnte er sich selbst nicht erklären, er hatte einfach das Gefühl, diese Geste nun machen zu müssen. Für sie da sein. „Ich verspreche auch, keine dummen Fragen zu stellen", fügte er hinzu, was wieder ein sanfteres Lächeln auf Adaras Lippen zauberte. Es war diesmal ein ehrliches, richtiges, wenn auch kein wirklich fröhliches Lächeln, doch es war echt. Immerhin. „Okay", wiederholte sie tonlos und hob den Kopf wieder von Tom's Schulter. Augenblicklich löste er seine Umarmung und liess sie wieder frei. „Wir sollten... ähm... Die Liste", hüstelte er, um das peinliche Schweigen, das sich zwischen ihnen breitgemacht hatte, zu brechen. „Ja, die Liste", meinte nun auch Adara, wenn auch etwas verträumt und folgte ihm durch den Gang ins eigentliche Gästezimmer. Tom setzte sich auf den Schreibtischstuhl und nahm die Liste zur Hand, während Adara auf dem Bett platznahm. „Du heisst Felicitas Duncan, kommst aus Amerika, aus Missouri, um genau zu sein und du hast in deiner Kindheit oft mit deiner Familie hier Ferien gemacht, weshalb du den irischen Akzent beherrschst. Wenn dich jemand nach deiner Heimatstadt fragt, dann sagst du?", rekapitulierte Tom kurz und sah Fé erwartungsvoll an. „Springfield. Meine Mutter, Sarah Duncan, kam aus Illinois, ist aber bei einem Autounfall verstorben und mein Vater, Jerry Duncan, verkauft gerade das Haus um mit seiner neuen Freundin nach Kansas zu ziehen. Ich bin ein Einzelkind und habe an der University of Missouri in Journalismus promoviert." Rezitierte sie problemlos. „Kaum zu glauben, dass du das erst einmal durchgelesen haben sollst", meinte Tom und pfiff anerkennend durch die Zähne. „Wie machst du das?", fragte ihn Fé sofort und auf ihrem Gesicht zeichnete sich begieriges Interesse ab. „Was?" „Dieses Geräusch!" Ihre Stimme quietschte beinahe vor Begeisterung. „Das?", hakte Tom nach und pfiff eine kleine Melodie, was Adaras Mund fasziniert aufklappen liess. „Ja! Genau das! Wie macht man das?", wollte sie von ihm wissen. Tom lächelte schon wieder. Er hatte genau dieselbe Frage gestellt, als er zehn Jahre alt gewesen war. Und sein Grossvater war es gewesen, der ihm das Pfeifen schliesslich beigebracht hatte. Er erhob sich, kam zu Adara herüber und setzte sich neben sie aufs Bett. „Also, du musst deine Zunge in deinen unteren Zahnbogen legen, dann spitzt du deine Lippen und pustest einfach. Es darf aber keine Luft unter die Zunge gelangen, sonst klappt's nicht." Er erklärte es mit den Worten seines Grossvaters und gestikulierte dabei mit seinen Händen. Fés Mundwinkel zuckten belustigt, aber schliesslich versuchte sie es. Ihre Backen blähten sich auf und ihre Augen starrten konzentriert auf ihre Nasenspitze, doch kein Ton kam über ihre Lippen und Toms Schmunzeln wurde zu einem breiten Grinsen, bis er sich schlussendlich vor lachen kaum noch halten konnte. Adara schaute ihn fragend an. „Was ist? Warum lachst du?" „Du", presste er schwer atmend hervor „siehst so unglaublich putzig aus, wenn du pfeifst", beendete er seinen Satz glucksend und kichernd und erntete Blicke des Unverständnisses. „Was bedeutet ‚putzig'?", fragte Adara nun noch verwirrter und Tom erlangte nach und nach seine Fassung wieder. Eine Träne aus dem Augenwinkel wischend antwortete er: „Putzig ist ein anderes Wort für süss, niedlich." Auf einmal gingen ihm noch viele treffendere Wörter durch den Kopf, um Fé zu beschreiben. Wörter wie liebenswert, stolz, geheimnisvoll, wunderschön... Ruckartig schüttelte er den Kopf. Er schweifte schon wieder ab. Zu seinem Glück konnte Fé keine Gedanken lesen. Warte. Oder etwa doch? Schliesslich konnte sie Strudel in Wassergläsern erzeugen, was an sich schon wieder absurd war. „Du findest mich also süss?", meinte Fé in diesem Moment etwas irritiert und nun war es wiederum an Tom, verwirrt aus der Wäsche zu schauen. „Ehm, ja, besonders wenn du pfeifst, dann siehst du aus wie ein süsses, kleines Eichhörnchen", meinte er und stupste ihre Nase mit seinem Finger an. Adara zuckte erschrocken zurück, fing sich aber gleich wieder. Sie hatte etwas Mühe damit, sich vorzustellen, was denn nun bitte ein Eichhörnchen sein sollte, doch ihr war das ewige Fragenstellen irgendwie peinlich. In ihrer Position als Prinzessin hatte sie nie Fragen stellen müssen. Entweder man hatte es ihr freiwillig erklärt, oder man hatte sie ganz aus der Sache rausgehalten. Ihre einzige Pflicht war es gewesen, schön auszuschauen und anwesend zu sein. Unter Wasser war ihr schliesslich auch vieles bekannt gewesen, da hatte sie nicht immer fragen müssen. Doch hier war alles neu für sie und unbekannt. Woher sollte sie denn bitte wissen, was ein Eichhörnchen war? Solche Dinger gab es bei ihr mit Sicherheit nicht. Aber anscheinend waren sie süss, also konnte man sie essen. Andererseits, hatte Tom sie eben nicht auch gerade als süss bezeichnet? Sollte sie sich jetzt Sorgen machen? Sie hatte nicht bemerkt, wie sie ihren Blick Tom zugewandt hatte und ihn nun aus vor Schrecken geweiteten Augen anstarrte. Dieser schaute etwas beunruhigt zurück. „Ehm, Fé? Ist alles in Ordnung?", fragte er besorgt und drehte seinen Kopf etwas seitlich, während er seine Hände hob. Augenblicklich fing sie sich wieder. Sie zuckte mit dem Kopf, reckte ihren Hals und spannte ihre Muskeln an, bis sie stocksteif und mit übergeradem Rücken auf der Bettkante sass. „Ja, alles okay", erwiderte sie eine Spur zu schnell und mit etwas zu hoher Stimme, was Tom jedoch gekonnt überhörte. „Gut, ich will dir nämlich etwas zeigen!" Grinsend nahm er ihr Handgelenk und führte sie aus dem Zimmer heraus durch den Gang in den Eingangsbereich. „Tom, was soll das?", fragte Adara hilflos und auch etwas erschrocken über so viel Eigeninitiative, doch Toms schelmisches Zwinkern beruhigte sie auf eine seltsame Weise ein wenig. Er würde sie also nicht zum Nachtisch verspeisen. Und wenn doch, hatte er sie zuvor wenigstens nett angelächelt. In Gedanken schalt sie sich für diese Absurden Ideen, die sich immerzu in ihrem Kopf zusammenspannen. So konnte das doch nicht weitergehen. „Wirst du schon sehen, hier, zieh dir Schuhe und eine Jacke an", meinte er schlechthin und drückte ihre eine dünne Lederjacke in die Hand. Zögerlich nahm das Kleidungsstück entgegen und besah sich die seltsam klobigen Dinger, die zu ihren Füssen standen. Toms Füsse steckten ebenfalls in solch unförmigen Beinkleidern, doch Adara grauste es davor, es ihm gleich zu tun. Wie angewurzelt stand sie da, unsicher, beklemmt und voller Zweifel. In diesem Moment ging Tom vor ihr in die Hocke und hielt ihr auffordernd den einen Schuh hin, dessen Zunge er mit der einen Hand vorsichtig nach hinten drückte. Adara war nicht an die Menschenwelt gewöhnt. Sie kannte weder deren Sitten und Bräuche noch begriff sie die Verhaltensweise dieser Rasse. Sie legte ihre Stirn in Falten und schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Ich, Tom, ich möchte das nicht. Ich", stiess sie leise, fast keuchend hervor. Panik stieg in ihr hoch und der Druck, der in diesem Moment auf ihren Schultern lastete, hätte nicht grösser sein können. Sie suchte nach den richtigen Worten, die sie zu Sätzen formen wollte, doch sie fand sie nicht. Sie fand nur weitere Fragen. Abertausende Fragen, die in ihrem Kopf herumwirbelten und ihr Kopfschmerzen bereiteten, sie verunsicherten, zerstreuten, verängstigten. Was hatte Tom bloss vor? Weshalb sollte sie all diese Dinge tragen? Weshalb schaffte sie es nicht, ihm das ihm als Mensch gebührende Misstrauen entgegenzubringen und warum kümmerte er sich nur so rührend um sie? Weshalb drängte er sie nun bloss dazu, hinaus zu gehen, obwohl er ihr doch versprochen hatte, sie - abgesehen vom Ball - keiner Menschenseele zu präsentieren? Was ist, wenn... Diese drei Worte geisterten seit Tagen in ihrem Kopf herum. Diese drei Worte nahmen ihr alle Ruhe und den Frieden, der sich bis vor kurzem in ihr befunden hatte und liessen sie bei jedem fremdartigen Geräusch, jeder unerwarteten Bewegung aufschrecken. Diese drei Worte sollten ihr eigentlich die nötige Vorsicht bringen, doch Adara hatte das beklemmende Gefühl, dass diese Worte mehr Schaden als Hilfe brachten. Und auch nun drängten sich diese drei kleinen, an sich unbedeutenden Worte zwischen sie und Tom, in Adaras Gedanken schrien sie laut und blockierten ihre Sinne. ‚Was wäre wenn...', hallte es in ihrem Kopf, pochte es hinter ihrer Stirn und stach es in ihren Schläfen. Was wäre wenn Tom... Um diesen Satz, diese ungeliebte Frage zu vervollständigen, gab es unendlich viele Möglichkeiten und eine war schlimmer als die andere. Was wäre, wenn Tom sie die ganze Zeit über angelogen hatte? Wenn er sie verriet, oder sie schon lange verraten hatte? Wenn er sie von hier fortbrachte, weg vom Meer und ihrer Heimat und sie im Unbekannten einschloss? Was wäre wenn... Doch in diesem Moment regte sich etwas in ihrem Sichtfeld und riss sie zurück in die Wirklichkeit. Sie bemerkte viel zu spät, dass sich der Mensch, der vor ihr gekniet hatte, wieder erhoben hatte und sie aus seinen wachen Augen heraus anschaute. Viel zu spät bemerkte sie, dass sie noch immer stocksteif dastand, die hellbraune Jacke in der Hand hielt und starren Blickes auf den am Boden verbliebenen Schuh schaute. Erst als Tom das Wort ergriff, ruckte Adaras Kopf nach oben und ihre Blicke trafen sich. Während Adaras Augen vor Panik nur so sprühten und ihr die Situation sichtlich unangenehm war, waren Toms Augen voller Interesse und Freude. Sein Blick strahlte eine seltene, intensive Ruhe aus und noch bevor Adara verstanden hatte, was Tom ihr gesagt hatte, fiel ein Teil der Anspannung von ihr ab. Zurück blieb ein Loch, das mit Verwunderung und Verständnislosigkeit gefüllt wurde. Die Augen der Menschen zeigten so viele ihrer Emotionen, so viel Gutes wie auch Schlechtes, Freude, Trauer, Einsamkeit und Stolz. Sie waren so viel anders als alles andere. In den Augen anderer Lebewesen konnte man erkennen, wie sie sich verhielten, was sie dachten, wie sie handeln würden. Doch in den Augen eines Menschen konnte man lesen wie in einem offenen Buch. Mit nur einem einzigen Blick wurde sie überschüttet von tausenden Gefühlen und Eindrücken. Sie ging unter in einer Flut berauschender, verwirrender Emotionen, die sie umhüllten und wieder verlor sie sich in der Unendlichkeit des Momentes. Sie liess sich einfach treiben. Adara hatte, wie alle Individuen ihrer Art die Gabe, durch die Augen der Lebewesen einen Blick in deren Seelen zu erhaschen. Jedes Lebewesen war anders und jede Seele hatte andere Narben, doch wie konnte es bloss sein, dass gerade ein Mensch - die namentliche Verkörperung des Bösen und der Zerstörung - trotz der unzähligen Narben seiner Seele so rein sein konnte, dass es Adara jedes Mal aufs Neue die Sprache verschlug? Diese Person hatte so unendlich viel Böses erlebt, so vieles durchgestanden und dennoch strahlten diese Augen voller Hoffnung und... War das Liebe? Irgendwann bemerkte sie, dass sich das Gesicht um diese unglaublichen Augen bewegte und sie riss sich wieder von ihnen los. Adara blinzelte einige Male und ihr Kopf zuckte kaum merklich, als sie sich endlich wieder fing. Als erstes nahm sie Toms breites Grinsen wahr, das von Grübchen umspielt in seinem Gesicht thronte. „Ich habe das Gefühl, dass du mir nicht wirklich zuhörst, kleine Fé, kann das sein?", fragte er lachend und Adara senkte verlegen den Blick zu Boden. Konnte sie ihm wohl irgendwann ohne Aussparungen erzählen, wie es um sie stand? Wie es in ihr aussah, was sie alles zu tun vermochte? „Weißt du, dass ich bisher noch keine Frau getroffen habe, die Angst vor Schuhen hatte?", hörte sie Tom fragen. „Normalerweise ist es eher so, dass das weibliche Geschlecht sich magisch von diesen Dingern angezogen fühlt", fügte er mit einem schlecht verborgenen Lachen hinzu. Ungläubig hob Adara den Blick und schaute Tom fragend an. Dieser nickte bestätigend und noch immer grinsend mit dem Kopf.


Es würde mich extrem freuen, wenn ihr mir ein paar Kommis hinterlassen würdet ;) Es ist alles erlaubt, Lob, Kritik, (Liebeserklärungen? XD) Nur keinen Shitstorm bitte :) Dankeschön <3

Mermaid SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt