90. Adaras Reaktion schafft das Unmögliche

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Viel Spaß mit dem Kapitel <3

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Am nächsten Morgen drangen seltsame Geräusche aus den Gemächern der Königin, was die Palastwache zum Anlass nahm, jenen auf den Grund zu gehen. Als die Männer in ihren goldenen Rüstungen allerdings den Raum betraten, zeigte sich ihnen ein höchst ungewöhnliches Bild. Von der Decke hing geknebelt und fest in den Bettlaken verschnürt ein Meermann, dessen Identität erst geklärt werden konnte, als man ihn aus seinen ungewöhnlichen Ketten befreit hatte. Auf die Frage hin, was er denn hier mache und vor allem, wo Königin Adara stecke, schwieg der junge Senator aber beharrlich. Es mochte wohl in diesem Moment gewesen sein, vielleicht aus in den darauf folgenden Sekunden, in welchen der Hauptmann der Palastwache, der schon zuvor verständigt und vor Ort geholt worden war, langsam aber sicher in Panik geriet. Er ließ den Senatoren trotz dessen Ranges festnehmen. Die Männer wurden losgeschickte, die Königin zu finden. Und natürlich wurde Marlene informiert. Diese schwamm gerade gutgelaunt die Korridore entlang und malte sich die Zukunft am Hof mit einer fröhlichen, strahlenden Adara aus. „Marlene, da sind Sie ja! Kommen Sie mit, schnell, es ist etwas passiert!" Erst schnellten ihre Mundwinkel in die Höhe, als sie die Neuigkeit hörte, die ihr die Palastwache da überbrachte, aber als sie den besorgten Blick des Mannes bemerkte, stutzte sie und folgte ihm mit einem dumpfen Gefühl in der Magengegend. Als schließlich auch sie am Zimmer ihrer Schwester angekommen war und sie den ganzen Tumult sah, der hier veranstaltet wurde und vor allem, dass der Senator, mit dem sie Adara hatte verkuppeln wollen, gerade in Handschellen abgeführt wurde, musste sie leer schlucken. „Wo ist meine Schwester?", fragte sie krächzend und schaute sich in dem dunklen Zimmer um. Es war – bis auf die Möbel und die etwa zehn Palastwachen – leer. Marlene schluckte erneut. Aber vorerst passierte nichts. Erst später wurde sie dann in den Thronsaal beordert.

Adara saß gewohnt steif auf dem zu großen Sessel am pompösen Kopfende des schon gut gefüllten Saales. Marlene wusste nicht, wie ihr geschah, als plötzlich Wachtmänner zu beiden Seiten auftauchten und sie bis nach vorne begleiteten. Die Szene erinnerte an den Krönungstag, als Adara ihre Strafe vom Orakel empfangen hatte. In diesem Moment wusste Marlene, dass hier etwas gehörig schief lief. Die Spannung im Raum war unmissverständlich. Nur schien kaum jemand zu verstehen, was hier überhaupt vor sich ging. Nur Adara starrte eisern und kalt in die Menge, sodass jeder, der ihren Blick kreuzte, ehrfürchtig die Augen senkte. Irgendwann wurden die deckenhohen Pforten erneut geöffnet und der Jungsenator begleitet von seinen eigenen zwei Wachtmännern wurde hereingeführt. Und jetzt bestätigten sich Marlenes Befürchtungen tatsächlich. Adara hob lediglich die Hand und auf der Stelle verstummte der gesamte Saal. Marlene wandte den Blick wieder ihrer Schwester zu – halb grauste es sie schon fast vor ihr, wie sie mit scheinbar eiserner Faust regierte. Sie sah mittlerweile schon richtig schlimm aus und die Augenringe, die ihr die letzte Nacht beschert hatten, trugen sich nicht gut in dem einst so schönen und feinen Gesicht der jetzigen Monarchin. „Ich beschwöre das Orakel herauf", sagte in diesem Moment Königin Adara auf ihrem Thron mit fester Stimme. Einige Augenblicke vergingen, ohne dass etwas geschah. Es hatte den Anschein einer Nervenprobe, die Adara schon nach kurzer Zeit verlor, als sie – viel lauter diesmal – rief: „Orakel, ich befehle dir, dich zu zeigen!" Diesmal erschien das Orakel in der Tat. Augenblicklich breitete sich eine Welle aus gleißendem Licht aus, sodass nicht nur Marlene sich erschrocken die Augen bedeckte und eine Stimme, so laut wie eine Gerölllavine, ertönte. „Ich bin das Orakel der Weltmeere. Wer glaubst du, bist du? Du kannst mir nichts befehlen!" Es war sauer – eindeutig. Während sich alle anderen wie unter Zwang geduckt hatten, saß Adara noch immer unverändert auf ihrem Thorn und hielt dem Orakel trotzig ihr Kinn entgegen. Auf den Kommentar des Orakels erwiderte sie nichts, sondern fuhr fort, als hätte die leuchtende Kugel nie etwas gesagt. „Letzte Nacht haben sich Dinge zugetragen, die es wert sind, heute verurteilt zu werden", sprach sie mit so schneidender Stimme, dass jedes Wort mühelos hätte tiefe Fleischwunden verursachen können. Marlene wurde blass. Adara war die Königin und hatte durchaus die Macht, Gericht zu halten und Urteile zu sprechen. Nur, warum sie das Orakel zugezogen hatte, war und blieb schleierhaft. „Dieser Mann", fuhr Adara fort und zeigte mit ausgestreckter Hand auf den jungen Senator „hat sich letzte Nacht in mein Zimmer geschlichen und hat versucht, sich an mir zu vergehen." Ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge. Adara allerdings war ruhiger denn je. Sie starrte den jungen Mann, der ja auf Marlenes Geheiß hin gehandelt hatte, gnadenlos nieder. Dieses Situation, dieses Bild, in dem Adara mit ausgestreckter Hand dasaß und sich auch sonst keiner rührte, schien wie festgefroren. Als hätte man ein Gemälde davon malen lassen. „Stimmt das?", schaltete sich das Orakel ein - mit wieder gewohnt musischer und ruhiger Stimme - , als auch nach einiger Zeit keine Bewegung in die Sache gekommen war und durchschnitt damit die beklemmende Stille. „Ja", gab der gutaussehende Meermann zu. Seine Stimme versagte auf halbem Weg und obwohl er Adara noch nicht einmal direkt anschaute, schlotterten seine Gliedmaßen vor Angst. „Verbannung", kam es aber da schon wie aus der Pistole geschossen und Marlene zuckte bei dem Wort zusammen. „Adara, das kannst du nicht tun! Es ist doch nichts passiert!", kreischte sie und wurde sich dann erst ihrer Worte bewusst. Was sie jedoch noch viel mehr in Panik geraten ließ, war der Blick, den ihr ihre eigene Schwester zuwarf. Es war der Blick einer Fremden, eiskalt, starr und hasserfüllt. „Halltet sie fest", zischte Adara und sogleich legten sich große Hände um Marlenes Arme, die sie daran hinderten, sich allzu sehr zu bewegen. Adara fuhr fort. „Ich entziehe dir hiermit den Senatorenstatus. Du wirst ab morgen früh in den Algenwäldern nördlich der Provinz im indischen Ozean arbeiten. Unter der Führung deines eigenen Onkels." Das Urteil erfüllte seinen Zweck. Der junge Ex-Senator schien mehr als tief getroffen zu sein. Adara jedoch fixierte Marlene mit ihren Blicken, nicht den eben Verurteilten. Wie um sich über ihre Schwester lustig zu machen, fragte sie ganz beiläufig: „Orakel, findest du dieses Urteil gerecht?" Marlenes Blick wanderte wie in Zeitlupe zu dem in viel zu helles Licht getauchte Orakel hinüber, welches eine ganze Zeit lang schwieg. Doch dann, aus heiterem Himmel, antwortete es doch noch. „Ja", war seine einfache Antwort und Marlene begann innerlich zu kochen zu vor Wut. Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken, dass das Orakel ihnen nun so sehr in den Rücken fiel, wo es doch zuvor um Rat gefragt worden war. „Ich will dich nie wieder sehen müssen, hast du das verstanden?", zischte Adara und diesmal schaute sie den Verurteilten direkt an, sodass ihre Blicke ihn schier zu durchdringen schienen. „Bringt ihn endlich weg. Er hat einen langen Weg vor sich." Er rebellierte kaum, ließ aber demütig den Kopf hängen. Hinter ihm glitten die großen Pforten zu und die Anwesenden gerieten in beinahe hysterisches Tuscheln und Flüstern, einige verließen ihre Plätze und schwammen schon auf den Ausgang zu, im Glauben, der Anlass wäre nun schon beendet, aber Marlene wusste es besser. „Und du!", herrschte gerade in diesem Moment Adara, deren Nasenflügel bedrohlich bebten. „Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht, Marlene?" Sie schrie fast und die Anwesenden verstummten vor Furcht. Marlene konnte die Blicke, die auf ihr lagen förmlich spüren, allen voran Adaras, der auch sie förmlich durchbohrte. „Adara, bitte! Ich...", begann sie, kam aber nicht weit. „Halt den Mund. Ich will es nicht hören! Marlene, du hast den Auftrag gegeben, mich... Ist dir eigentlich bewusst, was du getan hast?" Adaras Stimme versagte, obwohl sie schon fast brüllte. Ihre Unterlippe zitterte, als würde sie jeden Moment anfangen zu heulen, aber das tat sie nicht. Sie starrte ihre ältere Schwester nur weiterhin in den Boden. Und dann, nach einer schieren Ewigkeit der absoluten Stille im Saal, folgte auch Marlenes Urteil. Adara sprach langsam, betonte jedes Wort übermäßig und sprach dennoch kaum lauter als Zimmerlautstärke. Und obwohl es ihr deutlich schwer fiel, ausgerechnet Marlene zu bestrafen, leuchtete etwas Wildes in ihren Augen, als sie es tat. „Ich verbiete dir, den königlichen Palast je wieder zu betreten, so lange ich diese Krone trage." Marlenes Herz wurde bei diesen Worten schwer und sank tief hinunter, dass man hätte meinen können, es schlage nun auf halber Höhe in ihrer Schwanzflosse. „Den Palast verlassen?", keuchte sie und schaute ihre Schwester flehend an. Doch Adara wandte sich nur wieder dem Orakel zu. „Orakel, findest du es eine gerechte Strafe für Hochverrat?" Es war wiederum eine rhetorische Frage, zu deren Beantwortung man die leuchtende Kugel gar nicht gebrauch hätte – das wusste sogar Marlene. Es schockierte sie nur, dass Adara, ihre kleine Schwester, dazu fähig war, sie des Palastes zu verweisen. Aber auch jetzt bejahte das Orakel, was Marlene innerlich kochen ließ vor Wut. Dann aber bemerkte sie etwas: Adara knirschte mit den Zähnen. Das tat sie immer, wenn sie am liebsten etwas gesagt hätte, sich aber selbst zügeln musste. Wie eine Puppe drehte sie ihren Kopf wieder in Marlenes Richtung. Heute Abend wenn die Lichter ausgehen bist du verschwunden. Es ist mir egal, wohin du gehst, du nimmst deine Kinder und alles, was du selbst zu tragen fähig bist und wagst es nicht, mir noch einmal unter die Augen zu treten." Das hatte gesessen. Marlene vergaß für einen Moment zu atmen. Sie war somit obdachlos. Der Griff an ihren Armen wurde fester. Wo sollte sie nur hin? Alles um sie herum, begann sich zu drehen und Adaras Worte hallten laut und deutlich und äußerst schmerzhaft in ihren Ohren wider. Erst als ihre Schwester fortfuhr, wurde Marlene aus diesem Strudel aus Verzweiflung und Mutlosigkeit herausgerissen. „Und nun zu dir", sprach Adara nunmehr wieder mit fester Stimme, wie die Herrscherin in Person. Von der schleichenden Milde, die Marlende zuteil geworden war, konnte nun nichts mehr erspürt werden. „Da ich weiß, dass meine Schwester kaum eine Entscheidung trifft, ohne vorher das ach so große und weise Orakel zu befragen, klage ich dich, du glitzernde Glaskugel, ebenfalls des Verrates an." Nun war der Saal kaum mehr zu halten. Das einstig zu einem gleichmäßigen Summen verschwimmende Tuschen und Murmeln stieg an zu einer Woge aus lautstarkem Protest und Einspruch-Rufen. Auch Marlene keuchte erschrocken. Das hatte bisher noch keiner gewagt. Aber Adara ließ sich davon nicht beirren. „Ich frage dich nun genau ein einziges Mal, Orakel. Hast du von Marlendes Plan gewusst?" Es war beängstigend, wie streng und hart Adara nun war. Marlene musste unweigerlich an ihren Großvater Octavius denken. Er hatte ebenfalls mit eiserner Hand regiert, hatte sich aber im Gegensatz zu Adara viel mehr für das Königreich eingesetzt. Das Orakel bejahte und die Königin fuhr fort. „Hast du ihr davon abgeraten?", hakte sie weiter und Marlene ging auf, dass Adara die Antwort eigentlich schon wusste. Deshalb hatte sie das Orakel beschworen. „Nein", beantwortete das Orakel und Marlene klappte der Mund auf. „Dann bist du ebenso schuldig wie die anderen zwei", spie Adara regelrecht und ihre Fingerkuppen bohrten sich dabei in den glatten Stein des Thronstuhles, auf welchem sie saß. „Für dich habe ich eine ganz besondere Strafe", meinte sie und wollte fortfahren, doch da geschah etwas sehr Seltenes: Das Orakel verlor die Fassung. Eine erneute Welle aus Licht, diesmal gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall, riss alle Anwesenden zu Boden. Keiner konnte sich mehr rühren, Panik brach aus, Kinder weinten und über all dem wetterte das Orakel so laut, dass die Wände bebten. „Du kannst mir keine Strafe auferlegen! Ich bin das Orakel, das seit Jahrtausenden die Weltmeere beschützt und König um König auserkoren hat! Ich bin allwissend und allmächtig und lasse mich nicht von einem kleinen, respektlosen Fisch wie dir zum Narren halten!" Die Worte waren nur schwer verständlich und die meisten Anwesenden machten sich mehr Gedanken über die steinerne Decke, die drohte, auf sie alle niederzustürzen. Marlene hingegen verfolgte das Wortgefecht atemlos. Ihre Schwester war die einzige im ganzen Saal, die nicht von der explosionsartigen Lichtwelle zu Boden geworfen worden war, die einzige, die scheinbar überhaupt nicht davon betroffen war, obwohl sie doch so nah am Orakel war. Und dabei ist doch der Zorn des Orakels gerade auf sie gerichtet gewesen. In Marlenes Kopf ratterte es. Nicht einmal ihr Vater war immun gewesen gegen das Orakel. Vielleicht hielt das Orakel deswegen gerade inne. Weil es verwundert war. Und da geschah es: Während Marlene und die anderen sich noch immer nicht rühren konnten und wie tote Fliegen am Boden lagen, erhob sich Adara gar von ihrem Thron und schwamm auf das Orakel zu. „Du bist nicht allwissend. Und schon gar nicht allmächtig! Oder weißt du etwa doch, wer meinen Vater getötet hat? Oder wer dieser Nemico war und woher er gekommen ist? Und wenn ja, warum hast du es nicht verhindert? Warum sitzt du nicht auf diesem Thron, wenn du so allmächtig bist? Du bist nichts weiter als eine leuchtende Kugel mit zu viel Selbstwertgefühl. Du bist ein Königsmacher, nicht mehr. Und weißt du was? Du hast mich auf diesen Stuhl gesetzt. Du hast mir diese Krone gegeben. Und du hast mich hier eingesperrt. Und dabei hast du vergessen, dass das Meer nun mir gehorchen muss. Ich bin Königin, nicht du. Du bist mir zu Diensten, nicht umgekehrt. Und ich befehle dir, mein Gefängnis mit mir zu teilen, du zu gering ausgefallener, kreideweißer Kürbis. Wenn du die Palastmauern verlässt, wird dich das Meer zerquetschen. Hast du das verstanden?"

Es war mucksmäuschenstill im Saal. Keiner konnte oder wollte glauben, was sich hier gerade abgespielt hatte und wovon sie alle unweigerlich Zeugen geworden waren. Noch nie hatte sich ein König gegen das Orakel aufgelehnt - und schon gar nicht mit Erfolg. Und das noch viel Unglaublichere war, dass genau in diesem Moment das Orakel seinen eigenen Zauberbann brach und sich alle Leute im Saal wieder rühren konnten. „Ja, Eure Majestät", antwortete es und die Verbitterung in seiner Stimme war nicht nur nicht zu überhören, sondern auch so triefend und markant, dass Adaras Sieg über das Orakel noch mehr an Bedeutung zu gewinnen schien. Erst als das Orakel allerdings verschwand, trauten sich die ersten Anwesenden tatsächlich, sich wieder zu erheben, während Adara ihren Platz auf dem Thron wieder einnahm. Ihr Blick lag erneut auf ihrer Schwester Marlene, hatte nun aber etwas Glasiges, Leeres. Marlene konnte sich nicht rühren, nicht etwa wegen eines magischen Bannes, aber aus ungläubiger Bewunderung für ihre jüngere Schwester, die gerade das absolut Unmögliche geschafft hatte. Und nun wurde auch Marlene hinausgeführt. Vor dem Scherbenhaufen, der ihre Existenz nun schon zum zweiten Mal darstellte, hatte sie jetzt noch die Aufgabe vor sich, ihren Kindern beizubringen, dass sie den Palast erneut verlassen mussten – und diesmal war es tatsächlich für immer. Sie musste ihre Sachen packen. Gegen Adara würde sie auf keinen Fall vorgehen, wenn sogar das Orakel keine Chance gehabt hatte. 

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Mermaid SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt