96. Dein schlimmster Albtraum

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Halllooooo :D Kapitel N°96 wie geil wäre es, wenn MS genau 100 Kapitel hätte? #fame

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An diesem Abend wartete Adara ungeduldig darauf, dass Tom auf der anderen Seite auftauchte. Was sie heute herausgefunden hatte, ließ ihr einfach keine Ruhe. Nervös spielte sie mit der silbernen Kette. Stundenlang saß sie in einem der zahlreichen Gästezimmer und wartete und wartete und wartete. Aber Das einzige, das ihr das Medaillon zeigte, war das immer gleiche, starre Bild von Toms Gesicht, das sich regungslos und langsam um sich selbst drehte. Ausgerechnet an diesem einen Abend, an dem sie ihm etwas so Wichtiges hätte sagen müssen – wenn auch mit Händen und Füssen, sie hätte es ihm sicher irgendwie beibringen können – war er nicht erreichbar. Aber nicht nur das bereitete Adara Magenschmerzen. Auch Marlene meldete sich nicht mehr, obwohl Adara schon vor etwas mehr als zwei Tagen den Entschluss gefasst hatte, ihre Schwester zu verzeihen und sie an den Königshof zurückzuholen. Marlene musste wirklich weit geschwommen sein, wenn sie so lange brauchte. Und vor allem taten Adara ihre Nichte und ihr Neffe leid. Kinder sollten so lange Strecken nicht schwimmen müssen. Aber eigentlich war es klar, dass Marlene länger brauchte, wenn Caylin Réalta und Léas Solas bei ihr waren und all halbe Stunde eine Pause brauchten. Sie würden sicher bald eintreffen. Adara brauchte jetzt unbedingt jemanden zum Reden, denn außer Marlene und Tom hatte sie ja schlichtweg niemanden mehr, dem sie sich anvertrauen konnte. Quirin war schon längst wieder abgereist. Er hatte gesagt, dass er diesen Ort lieber früher als später wieder verlassen wollte. Eines war klar: er sah den Muschelpalast längst nicht mehr als sein Zuhause an. Im Gegenteil, ihr Onkel schien so viele schlechte Erinnerungen an diese Mauern zu hegen, dass er sich nun völlig fremd und unwohl fühlte. Aber irgendwo war es auch normal, schließlich wurde er von hier in die Verbannung geschickt und quasi aus dem öffentlichen Gedächtnis gestrichen. Es war schon weit nach Mitternacht und Adaras Augen brannten schon, weil sie so lange starr ins Licht des verzauberten Amuletts geschaut hatte, aber an dem Bild, das sie noch immer leise beschwor, sich endlich zu bewegen, hatte sich noch immer nichts geändert. Ihre Augenlider wurden langsam aber sicher schwer, doch Adara weigerte sich strickt dagegen, einzuschlafen. Schließlich war sie zu aufgeregt, zu verwirrt und unruhig, um Schlaf zu finden. Doch selbst die Herrscherin über alle Gewässer konnte nichts gegen die Erschöpfung tun.

Sie lief wieder durch endlose Dunkelheit. Die Luft war stickig, sie konnte nur schwer atmen und die Panik saß tief in ihrer Brust. Obwohl sie genau wusste, dass es keinen Ausweg gab – denn das gab es nie – rannte sie immer weiter und die grässlichen, beängstigend großen, grünen Augen hingen drohend über ihr. Sie hörte, wie ihr Herzschlag in ihren Ohren pochte. Es war ein überwältigend lautes Geräusch. Zu laut, fand sie. Ihr Herz schlug zu laut und plötzlich fürchtete sie, dass der Besitzer der Augen es hören konnte, es sogar hören musste. Der Boden erzitterte unter ihren Füssen und bebte im Rhythmus ihres Herzens, dessen Pochen vielfach von überall auf sie einhämmerte. Und plötzlich züngelten Flammen vor ihr auf. Sie hielt an, völlig außer Atem, wollte umkehren, doch auch hinter ihr schossen heiße Feuerzungen hoch in den Himmel. Sie stand wieder in dem brennenden Kreis, drohte in dem dichten, üppigen Rauch zu ersticken, hörte noch immer das viel zu laute Pochen ihres Herzens und sah die in boshaftem Vergnügen verzerrten Augen hoch über ihr. Sie begann zu husten, ihre Augen brannten und fast flehend wartete sie auf das erlösende Rauschen des Wassers, das immer genau an dieser Stelle die Flammen löschte. Aber es kam nicht. Stattdessen brannten die Feuer im Kreis immer heißer und immer höher, ihr Herzschlag geriet langsam aus den Fugen, schien plötzlich doppelt versetzt zu schlagen. Adara wurde unendlich schlecht, durch die Flammen erhaschte sie einen Blick, auf das, was auf der anderen Seite in der Dunkelheit lag. „Marlene!", hustete sie, krächzte sie, ihre Stimme war kaum zu hören über dem ohrenbetäubenden, rhythmuslosen Schlagen ihres Herzens. Sie war sich nicht sicher, hatte kurz geglaubt, das Gesicht ihrer Schwester erblickt zu haben, im Licht der Flammen, wie sie ihr flehend die Hände entgegengestreckt hatte. Und als sie sich umdrehte, war da Toms Gesicht, ebenso flüchtig wie Marlenes und nicht minder qualvoll verzogen. Aber das Feuer versperrten ihr den Weg und bald auch wieder die Sicht. „Tom! Marlene!", schrie Adara mit aller Kraft durch den tosenden Feuersturm. „Geht vom Feuer weg! Geht vom Feuer weg! Geht..." Wieder musste sie husten. Der Rauch brannte und biss sich tief in ihre Lungen ein, rötete ihre Augen und ließ Tränen fließen. Ihre Haut schien schier zu verbrennen, aber sie konnte der Hitze nicht entfliehen. Sie war gefangen. Eingesperrt von Wänden, die eigentlich keine waren. Und dann kam endlich die erlösende Flut und erstickte die Flammen. Als das Feuer aber fast vollständig erloschen und sein Licht beinahe schon verschwunden war, erkannte Adara zum ersten Mal, woher das Wasser gekommen war. Oder besser das Blut, denn diesmal gab es kein Wasser. Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu. Wie angewurzelt stand sie in der Dunkelheit, die langsam aber gewaltsam auf sie einbrach. Tom und Marlene, beide waren sie da, beide noch immer mit flehend nach ihr ausgestreckten Armen. Und beide schmolzen sie dahin wie Wachsfiguren in der Hitze und bildeten mit noch mindestens zwei dutzend weiterer, schon viel kleineren Wachssäulen die blutige Flutwelle, die das Feuer löschte und sie bald ersticken würde.

Mermaid SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt