Sie wand sich unter Schmerzen auf dem Boden in derdunklen Zelle, als endlich die Wachleute durch die schwere Tür kamen undbegannen, die Tagesrationen auszuteilen. Natürlich waren zuerst die vorderstenZellen dran und somit dauerte es ziemlich lange, bis sie sich endlich bis ansandere Ende des dunklen Kerkerganges durchgekämpft. Marlenes hysterischeHilferufe ignorierten sie dabei mutwillig und auch als sie das Essen unterihrer Zellentür durchschoben, machten die beiden Männer keine Anstalten, irgendetwaszu unternehmen um Adara, die sich verhielt wie ein Wurm am Angelhaken, zuhelfen oder zumindest ihre Schmerzen zu lindern. „Tut doch etwas!", kreischteMarlene und rüttelte an den Gitterstäben, doch das brachte wenig. Die Männerschienen unbeeindruckt. Über ihren Köpfen schwebten kleine Lichter –Laternenfische, wie ihr auf den zweiten Blick auffiel. „Gib Ruhe, Mädel!",schnauzte sie der eine an und für einen kurzen Moment geriet Marlenetatsächlich aus dem Konzept, doch nicht für lange Zeit. „Bitte! Bitte, siekönnen sie doch nicht einfach sterben lassen! Helft ihr doch! Bitte!" WieWachen warfen sich einen kurzen Blick zu und wollten schon Kehrt machen, alsMarlene noch einen drauflegte. Herzzerreißend wie noch nie in ihrem Leben zuvorbegann sie zu kreischen und zu heulen und an den Gittern zu rütteln, dass diesegefährlich ins Wackeln gerieten. Gleich einem wütenden Tornado schien sie dieKraft zu haben, alles einfach dem Erdboden gleich machen zu können und nun schienendie Wachen doch schon alarmierter. „Woher hat die nur so viel Energie?",murmelte der eine dem andern zu, bemerkte aber nicht, dass Adara ihn sehr wohlebenfalls hörte. Sie hatte aufgehört sich auf dem Boden zu winden und spieltenun die Bewusstlose. Wenn die Wachen die Zelle aufsperrten und sich beide aufMarlene stürzten, würde sie die Gelegenheit beim Schopf greifen und fliehen. Siewürde die anderen befreien, sobald sie Nemico... wieder schluckte sie schwer,als sie daran dachte, welch schwere Aufgabe ihr zustand. „Wir müssen das glaubeich melden, das könnte potentiell gefährlich werden", raunte der andere undwieder wandten sich die beiden zum Gehen. „Nein!", brüllte in diesem MomentMarlene wie eine Wilde und griff blitzschnell durch die Gitterstäbe hindurch,bekam entgegen aller Erwartung das Handgelenk des einen Wachmanns zu packen undzerrte ihn mit einem einzigen, kräftigen Ruck zurück, sodass er hart gegen dieGitter schlug. Sein Arm ragte nun bis zum Ellenbogen in ihre Zelle hinein undda sie nicht anders zu handeln wusste, biss Marlene einfach kräftig zu. DieWache schrie schmerzerfüllt auf, war aber zu benebelt, um sich selbst ausdieser Situation zu befreien, weswegen Marlene noch ein zweites Mal zubiss,diesmal direkt in sein Handgelenk. Knochen knackten und der Geruch von Blutverteilte sich im Wasser. Der Meermann konnte kaum mehr an sich halten.Schließlich befreite ihn der zweite Typ aus seiner misslichen Lage und währendder erste der Ohnmacht nahe schwankend dem Boden immer näher kam, funkelte derZweite Marlene wütend an. „Das wird ein Nachspiel haben, das schwöre ich",knurrte er mit etwas Bedrohlichem in seiner Stimme. Er machte jedoch nicht denselbenFehler wie sein Kamerad und hielt sich bedacht auf Abstand. Schließlich drehteer sich um und schwamm mit kräftigen Flossenschlägen davon, den verletztenWachmann am Kragen mitschleifend. Hinter ihnen sank Marlene am Ende ihrerKräfte in sich zusammen. Sofort war Adara bei ihr. „Marlene", keuchte sie undBesorgnis machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sofort ließ sie ihre Lichtkugelerscheinen. Marlene hatte sich an die Stirn gefasst. „Marlene, was ist? Geht esdir gut?", wollte sie wissen, erhielt aber nicht sofort eine Antwort. „Jetzthaben wir es beschleunigt", meinte ihre große Schwester schlicht und schütteltelangsam den Kopf. „Etwas so Lächerliches habe ich schon lange nicht mehrgemacht", sagte sie halb lachend. Ihr Körper war eiskalt und so konzentriertesich Adara noch mehr auf ihre Lichtkugel, die daraufhin etwas anwuchs.Augenblicklich wurde es wieder wärmer in ihrer Zelle. „Iss etwas, du wirst esnoch brauchen. Wenn die Wachen gleich wiederkommen sollten, um dich zu holen,solltest du zumindest etwas im Magen haben", riet Adara ihr und reichte ihrgleich beide Portionen Algenbrei. Marlene schaute sie nur verwirrt an. „Halt,warte. Das kannst du nicht tun, Adara", protestierte sie. „Selbst wenn siejetzt sofort zu diesem Nemico schwimmen und ihm brühwarm berichten, wasvorgefallen ist, wird er ihnen wohl kaum direkte Anweisungen geben so schnellkann es gar nicht gehen. Und selbst wenn – dann werden sie nur mich holen undihr drei werdet hier unten bleiben müssen. Da solltet ihr wenigstens etwas zuessen haben", ergänzte sie. Ihr linkes Augenlid zuckte. „Wir haben uns das ganzund gar nicht gut ausgedacht, Adara", meinte sie und schüttelte wiederverzweifelt den Kopf. Adara legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.„Doch, ich würde sagen, dass wir zufrieden sein können mit unserer Leistung",erwiderte sie gelassen und erntete dafür einen ungläubig-schockierten Blick vonihrer Schwester. Adara musste schmunzeln, bevor sie sich erklärte: „Also ichfand besonders deine Kleine Showeinlage mit dem Beißen toll", lobte sieMarlene, die immer weniger zu verstehen schien. „Willst du mir jetztweismachen, dass ich gerade mein eigenes Todesurteil unterzeichnet hab?",fragte sie schwankend. Marlene war leichenblass geworden. „Willst du michverarschen?" Adara schüttelte bloß den Kopf. „Nicht dein Todesurteil, sondernunseren Freifahrtschein", berichtigte Adara, die noch immer in unlösbarenRätseln zu sprechen schien, Marlenes Blick nach zu urteilen. Das Grinsen aufihrem Gesicht wurde immer breiter, während Marlene langsam aber sicher schwarzvor Augen werden musste. „Es spielt überhaupt keine Rolle, ob sie sofort wiederzurückkommen, oder noch zwei Monate auf sich warten lassen, Marlene!", erklärtesie in freudiger Erwartung, was Marlene einfach noch immer nicht begriff. „Waszur Hölle redest du da?", keuchte sie mit schwacher Stimme, da hob Adara ihreHand. „Siehst du das hier?", fragte sie mit einem überlegenen Grinsen imGesicht und wedelte mit dem rasselnden Schlüsselbund vor Marlenes Gesichtumher. Dieser fielen beinahe die Augen aus dem Kopf bei diesem Anblick. „Wiezum Teufel hast du denn das jetzt wieder geschafft?", wisperte sie in Unglaubenund schaute von den Schlüsseln zu Adara und wieder zurück. „Ich sagte doch, mirhat deine kleine Beißattacke ganz gut gefallen", erwiderte sie nur mit einemverschwörerischen Grinsen auf den Lippen. Marlene fiel ihr um den Hals unddrückte sie einfach nur eng an sich. „Was machen wir jetzt?", fragte sie dannund hielt sich Adara auf Armeslänge von sich. Im Schein der Lichtkugel, dieAdara in ihrer linken Hand hielt, zeichneten sich Marlenes hervorstehendeSchulterknochen gespenstisch unter ihrer papierdünnen Haut ab. Adara schaudertees. Sie hätten keinen Tag länger mehr warten dürfen, soviel war klar. Marlenedrehte sich besorgt zu ihren Sprösslingen um, die ängstlich in einer Eckekauerten und sich kaum trauten, die beiden Frauen anzuschauen. Der abscheulicheBlutgeruch lag noch immer im Raum. Wären Haie in der Nähe gewesen, hätte es einriesiges Massaker gegeben. „Wir können die Kleinen schließlich nichthierlassen", gab sie zu bedenken und wandte sich wieder zu ihrer jüngerenSchwester um. Diese ruckte sogleich aus ihren Gedanken und wandte sich um. „Wirsollten uns beeilen. Vielleicht bleibt uns weniger Zeit, als wir denken",wisperte sie und schob ihren Arm durch die Gitterstäbe. Mit dem Schlüsselsuchte sie das dazu passende Schloss, hatte aber sichtliche Mühe damit, dasSchlüsselloch zu treffen. Sie nahm schlussendlich noch ihre andere Hand zuHilfe, wobei allerdings die Lichtkugel erlosch. Aber eigentlich war das auchegal, denn sehen wohin sie mit dem Schlüssel zielte, konnte Adara sowiesonicht. Irgendwann steckte dann der Schlüssel, ließ sich aber nicht drehen.„Verdammt, das ist der falsche!", fluchte sie halblaut und zog amSchlüsselbund. Kurz darauf versuchte sie den nächsten, doch auch der schiennicht funktionieren zu wollen. Hinter ihr schwamm Marlene ungeduldig in kleinenKreisen durch die Zelle. „Meinst du, der passende Schlüssel ist überhauptdabei?", fragte sie irgendwann zögerlich und hielt in ihrer Bewegung inne. „Ermuss es einfach sein", presste Adara zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorund ließ einen weiteren zurück zu den andere fallen. Ihr gingen so langsam abersicher die Schlüssel aus, stellte sie entgeistert fest, war dann aber mehr alserleichtert, als endlich das lang ersehnte Klicken des Schlosses zu hören war.Adara atmete tief ein und dankte allen Göttern. Gerade als sie aber denSchlüssel wieder herausziehen wollte, ging am anderen Ende des langen undstockdunklen engen Kerkerganges ein Licht an, als die schwere Tür entgegenaller Erwartungen wieder geöffnet wurde. So schnell sie konnte, sperrte Adaradie Zellentür wieder zu, zog den Schlüssel ab und begrub ihn unter sich, alssie wieder sie Bewusstlose ahmte. Auch Marlene hatte das Auftauchen der Wachenbemerkt. Einen Moment war sie wie perplex und trieb auf der Stelle mitten inder Zelle, bevor sie zu lachen anfing wie eine Verrückte. Sie spielte ihreRolle so gut es nur ging, doch selbst Adara merkte, dass es ihr nicht geradeleicht fiel – besonders da Marlene am Ende ihrer Kräfte war und schon seiteinigen Tagen auf dem Zahnfleisch ging. Diesmal kamen die Männer direkt zuihrer Zelle geschwommen ohne die anderen Gefangenen, die von Zeit zu Zeitflehend ihre Hände aus den Zellen hielten, auch nur zu beachten. „Da seid ihralso wieder!", raunte Marlene mit einem unheilvollen Unterton in der Stimme,doch die Männer gingen nicht darauf ein. Es waren nicht dieselben, dieüblicherweise das Essen brachten. „Mitkommen!", herrschte der eine sie an,woraufhin Marlene nur ein markerschütterndes, verrücktes Lachen von sich gab.Sofort war sie aber wieder todernst. „Wenn ihr mich auch nur berührt, seid ihrtot", wisperte sie und funkelte die beiden Wachtleute böse an. Adara war indiesem Moment ungeheuer stolz – wenn auch selbst ein bisschen eingeschüchtert –von ihrer großen Schwester. So viel Mut hätte sie ihr nicht zugetraut. DieWachen waren allerdings mindestens genauso entschlossen, hart durchzugreifenund ließen sich davon nicht beeindrucken. „Das wollen wir doch sehen", murmelteder erste und kam schon auf ihre Zelle zugeschwommen, als Marlene wieder ineinem Anfall wilder Rage die Zähne fletschte wie ein wildgewordener TasmanischerTeufel und an den Gitterstäben rüttelte, dass der Schrank von Fischmanntatsächlich kurz zurückzuckte. „Wenn du das tust, sind die Tage deiner Kindergezählt", erwiderte er tonlos und spuckte Marlene die Worte nur so entgegen,dass diese hörbar schnappte – wenn auch nicht unbedingt nach Luft, die hier inden Tiefen des Ozeans eher knapp war – und von ihrem Tun abließ. Und soöffneten die Wachen die Zelle und legten Marlene Handschellen aus den beinaheunzerstörbaren Algenfasern an, während der andere sich derweil um ihre Kinderkümmerte, die noch immer ängstlich und zitternd in einer Ecke kauerten. Adarahatte die Situation genauestens analysiert, eine Flucht erschien ihr zu diesemZeitpunkt und in dieser prekären Lage allerdings als unvernünftig. Erstenswaren die Wachen zu nah, sie hätte nicht die Zeit gehabt, um die Zellentürhinter sich wieder abzuschließen, zweitens besaßen die Männer je einenSchlüssel und wären durch die Gitterstäbe wohl eh nicht lange aufgehaltenworden und außerdem wollte sie ihre Tarnung nicht auffliegen lassen. Unbeachtetwurde sie in der nun leeren, dunklen Zelle zurückgelassen. Caylin Réalta und LéasSolas hielten sich ängstlich an der Hand, während sie Seite an Seite mit ihrerMutter aus den Kerkergefilden geführt wurden. Adara blieb zurück und warteteab, bis alles wieder ruhig war. Ganz vorsichtig setzte sie sich auf und führteden Schlüssel so lautlos wie nur irgend möglich wieder ins Schlüsselloch. EinenMoment später glitt die Tür auf und sie war frei. Sie wagte es nicht, ihr Lichtwieder leuchten zu lassen aus Angst, der dadurch entstehende Tumult hätte dieWachen anlocken können.
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Ich will mal nicht so sein und euch nicht unnötig auf die Folter spannen. Ausserdem brauch ich ganz ganz dringend jemanden zum Sprechen, ein Psychiater oder so... Wenn ihr nämlich die nächsten Kapitel lest, werdet ihr auch verstehen, warum! Ich bin glaube ich traumatisiert... (._0.0_.)
An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich keine Haftung für eure seelische Gesundheit übernehmen kann... Nein ehrlich, ich bin mindestens ein genauso großes Wrack wie ihr nach all dem hier. Hab euch aber trotzdem alle unglaublich lieb meine supertollen Lieblingsleser! <3
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Mermaid Summer
FantasyTom's Unglück begann vor etwa einem Jahr, als er zusehen musste, wie seine Familie in einem schrecklichen Brand ums Leben kam. Als einziger Überlebender schlägt er sich mit heftigen Depressionen und Albträumen herum und kann einfach nicht glauben, d...