Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Morgens weckten Adara. Tom lag noch immer neben ihr, ihr Kopf ruhte an seiner Brust und sein Arm umfing sie fürsorglich. Dennoch saß der Kloss in ihrem Hals tief und schien sich über Nacht noch vergrößert zu haben. Und dann stellte sie erstaunt fest, dass ihre Seiten beim Atmen nicht mehr schmerzten. Vorsichtig tastete sie die Stellen an ihrem Bauch ab. Es tat zwar noch weh, aber es handelte sich dabei längst nicht mehr um die nicht auszuhaltenden Schmerzen, die sie noch am Vortag bei jeder Bewegung verspürt hatte. „Wie ist das nur möglich?" In diesem Moment rührte sich Tom neben ihr mit einem verschlafenen Grunzlaut, bevor er die Augen aufschlug und sie betrachtete. In seinem Blick lagen wie immer Wärme und Ehrlichkeit, die es wie so oft schafften, Adara diese unerklärbare Sicherheit zu geben, die sie in seiner Anwesenheit immer verspürte. „Wie geht es dir?", fragte er tonlos und ließ erst jetzt ihre Schulter los. „Besser, danke." Ein Mundwinkel glitt in die Höhe. „Siehst du? Ich hab's dir doch gesagt." Langsam richtete er sich auf. Sein Körper war noch steif von der Nacht, was deutlich an seinen Bewegungen abzulesen war. Er tat ihr leid. „Lust auf Frühstück?", fragte er so selbstverständlich, als hätte ihr Gespräch in der Nacht gar nicht existiert. „Ich denke, ich kann aufstehen", erwiderte sie nur und fing seinen erst etwas schockierten Blick auf. „Ich hole dir was zum Anziehen." Und schon war er aus der Tür. Wie seltsam, dachte Adara bei sich. Es war fast so, als wiederholte sich alles. Fast mit denselben Worten hatte Tom sich auch bei ihrem allerersten Aufeinandertreffen um sie gekümmert. Keine drei Minuten später war er wieder zurück und legte einen Stapel Kleider auf den Stuhl, der noch immer wachend neben dem Bett stand wie ein treuer Hund, der auf sein Leckerli wartete. Tom schenkte ihr ein Lächeln, sagte aber nichts weiter bis auf „Ich warte in der Küche" und war kurz darauf erneut verschwunden. Nun lag es an Adara. Ganz langsam rollte sie sich erst auf die Seite, was ihr ordentliche Schmerzen bereitete, die sie aber gerade noch so aushalten konnte. Als sie ihre Beine über die Bettkannte schob und sich aufsetzte, kam dann auch noch die Übelkeit hinzu und auf einmal schien sich alles in einer übernatürlichen Geschwindigkeit zu drehen, doch Adara legte sich nicht wieder hin. Stattdessen griff sie nach dem Wasserglas, das Tom ihr auf das Nachttischchen gestellt hatte und trank mit gierigen Schlucken, bis das Schwindelgefühl endlich ein wenig nachließ. Sie zog sich an und war Tom unendlich dankbar, dass er sich für ein knopf- und reißverschlussloses Kleid entschieden hatte, in dass sie ohne große Mühe hineinkam. Mit den Strumpfhosen hatte sie allerdings deutlich mehr zu kämpfen. Es war kälter geworden, hier an Land. Die Zeit für leichte Sommerkleider war vorüber, die Ärmel wurden länger, die Stoffe dicker, selbst die Strümpfe schienen ihr Winterfell bekommen zu haben. Es war Ende September. Sich an den Wänden abstützend ging sie durch den dunklen Flur hinüber in die Küche, wo Tom schon geschäftig am Werk war und Toast in der Bratpfanne golden anbriet. Der Tisch war gedeckt, verschiedene Marmeladengläser, Schinken, Käse, gekochte Eier und Brötchen bedeckten jeden verfügbaren Quadratzentimeter der massiven Tischplatte. Ohne sich anmerken zu lassen, dass es ihr in Wirklichkeit gar nicht so gut ging, wie sie vorgab, schritt Adara zum Tisch und nahm Platz. Tom schenkte ihr eines seiner schönsten Lächeln und warf sich gekonnt ein Tuch über die Schultern. Er schaltete den Herd aus und kam zu ihr herüber, legte die gestapelten Toastscheiben zu den Brötchen und setzte sich ihr gegenüber. Die Sonne strahlte mild und golden durch die bodentiefen Fenster und als Adara sich umsah, bemerkte sie erst, wie viel sich hier getan hatte. Vor allem aber fielen ihr die Fotos auf, die nun auf dem Flügel standen. „Das... Woher hast du diese Bilder?", fragte sie verblüfft, was Tom zum Schmunzeln brachte. „Ich denke, ich habe meinen Frieden mit den Papparazzi geschlossen", erwiderte er, während sie noch immer um Worte ringend die eingerahmten Bilder von ihnen beiden betrachtete. Besonders eines hatte es ihr angetan. Es zeigte sie beide, wie sie tanzend und lachend unter dem Lichterbaum standen und in ihren Augen lag ein Leuchten, das Adara selbst jetzt noch die Tränen in die Augen trieb. Er hatte diese Bilder hier aufgestellt. Auf einmal fielen ihr so viele schöne Momente ein, die sie mit Tom verbracht, aber beinahe schon wieder vergessen hatte. Sie schluckte den Kloss in ihrem Hals hinunter. Konnte es denn tatsächlich Liebe sein? Und wenn ja, verdiente er dann nicht wenigstens die Wahrheit? Die ganze Wahrheit? Dieser Glanz, den sie schon so lange in seinen Augen schimmern sah und für Freundlichkeit gehalten hatte, den sie jetzt aber in ihrem eigenen Blick wiedererkannte... Konnte es sein? Sie wagte es kaum, sich zu ihm umzudrehen. „Ist alles in Ordnung, Fé?" Sie hörte, wie er sein Messer etwas zu schnell in seinen Teller zurücklegte und beeilte sich, zu nicken. Aber er glaubte er nicht. „Ist etwas?", fragte er angespannt und offensichtlich besorgt um sie, doch wieder deutete sie nur mit einem Kopfschütteln eine Antwort an. „Fé, wenn etwas ist...", setzte er hinzu, schien alarmiert zu sein, doch Adara fiel ihm ins Wort. „Wir müssen reden, Tom."
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Mermaid Summer
FantasiTom's Unglück begann vor etwa einem Jahr, als er zusehen musste, wie seine Familie in einem schrecklichen Brand ums Leben kam. Als einziger Überlebender schlägt er sich mit heftigen Depressionen und Albträumen herum und kann einfach nicht glauben, d...