SOS

43 3 1
                                    

Ian
Amy lebte nun etwa seit 6 Monaten bei uns. Die anfänglichen Schwierigkeiten waren fast verflogen und es spielte sich alles ein. Wer nachts aufsteht, wer welche Schichten hat, wer einkaufen geht, wer auf Amy aufpasst. Wir hatten eine große Familie, die zusammenhält und in der jeder mal auf alle Kinder aufpasste. So kam es, dass Mandy die meisten Amy Schichten übernahm, da sie mit Becca sowieso zu Hause war. Wir waren bei Amy offiziell als Pflegeeltern eingetragen und das Adoptionsverfahren lief.

Ich kam zur Tür herein und kickte meine Schuhe von den Füßen. „Jemand zu Hause?“ rief ich durchs Wohnzimmer. „Oben“ hörte ich Mickey rufen. Es war später Nachmittag und ich stieg die Treppe nach oben. „Bad“ Sagte Mickey, der meine Schritte gehört haben musste. Ich öffnete die Tür einen Spalt und steckte den Kopf hinein. Ich sah einen verzweifelten Mickey, der vergeblich versuchte ein krabbelndes, nasses und glitschiges Baby abzutrocknen und anzuziehen. „Soll ich dir helfen?“ „Mh. Nein. Mmh. Papa schafft das alleine.“ Sagte er mit Schweißperlen auf der Stirn, während er ein Hosenbein über Amys Fuß stülpte und vergeblich versuchte das Kind wieder einzufangen. Ich trat ins Badezimmer und kniete mich zu Mickey. Ich setzte Amy auf meinen Schoß und wir zogen sie gemeinsam an.
„Hab gute Neuigkeiten.“ Verkündete ich am Esstisch. „Hab eine Gehaltserhöhung bekommen.“
Mickey grinste mich an. Er stellte die Teller zusammen und stand auf. Er grinste über beide Ohren. „Hab auch gute Neuigkeiten.“ Sagte er und holte von der Anrichte einen Brief. Er wedelte damit, als sollte ich wissen, was dort drin steht. „Es ist offiziell.“ Sagte er und reichte mir den Brief. Ich musste nicht lesen. Ich verstand. Ich hüpfte vom Stuhl und viel ihm um den Hals. Dann küsste ich Amy auf den Kopf. „Unsere Tochter“ flüsterte ich und legte die Adoptionsbescheinigung bei Seite.
„Hab mir noch was überlegt“ Sagte er und zog mich auf seinen Schoß, während Amy ihre pürierten Karotten aß. (Das Baden hätte sich Mickey sparen können). „Hm?“ machte ich und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Hab mir überlegt ob ich nicht… vielleicht… mehr zu hause sein kann… Ich meine… bei Amy… Ich finde, wir schieben sie viel zu sehr rum. Zu meiner Schwester und zu deiner… Ich bin ihr Papa und du ihr Daddy. Wir sollten mehr Zeit mit ihr verbringen.“ Ich war überrascht. Immer wenn ich dachte, Mickey zu kennen, überraschte er mich erneut. Ich kannte ihn jetzt knapp 9 Jahre. Und nie. Nie in meinem Leben hätte ich ihn früher als Hausmann gesehen, der kocht und putzt und die Kinder hütet. „Du willst zu Hause bleiben, bei Amy? Und kochen und waschen und putzen. Wie ein Hausmann?“ „Jap“ bekam ich als knappe, leichte und ernste Antwort. „Hör zu, ich liebe unsere kleine Familie und will hier sein. Ich will alles mitbekommen. Amys erste Schritte, ihre ersten Worte. Ihr erstes ‚Papa‘“ Er lächelte. „Und wenn das heißt, dass ich kochen waschen und putzen muss dann mach ich auch das, weil ich unsere Familie liebe und gerne hinter euch beiden her Räume.“ „Ich bin baff. Mick, immer wenn ich glaube dich zu kennen, überrascht du mich.“ Sagte ich. „Tja, ein Gallagher ist immer für eine Überraschung gut.“ Amy stimmte in unser Gespräch mit ein und machte belustigt laute. Wir drehten uns in ihre Richtung und sie verteilte Karottenpüree in ihren Haaren. „Notiz an Papa. Erst essen, dann baden. Na los Amy. Ab nach oben. Ian kannst du…“ „Sicher. Ich mach hier sauber und helf dir dann beim anziehen.“
Ich sah im zu wie er die kleine Maus aus ihrem Hochstuhl holte und Richtung Treppe trug. Verdammt wie liebte ich diesen Kerl. Er war in diese Vaterrolle so gut rein gewachsen. Obwohl er der jüngste in seiner Familie war und mit Yevgeni nie viel zu tun hatte, konnte er alles. Es gab kaum Dinge, die man ihm erklären musste oder die er nicht schon konnte. Vielleicht lag es auch an den Eltern-Büchern die ich neben dem Gleitgel in seinem Nachttisch gefunden hatte. Mickey hatte heimlich gelesen. Tja. Mickey war immer für eine Überraschung gut.

Etwa einen Monat später waren wir drei zusammen im Park spatzieren, als Amy ihr erstes Wort sagte. Sie saß im Kinderwagen und sah uns beide an, während wir auf einer Bank saßen. Sie machte zuerst unverständliche laute und dann ‚padi‘ immer und immer wieder ‚padi‘ dabei deutete sie auf Mickey. Ich grinste „Ihr hat Papa wohl nicht gefallen“ Mickey war so stolz, er wirbelte die kleine herum und küsste ihre Wange, dabei lachte Amy und ich konnte nur schmunzeln. Die beiden waren unzertrennlich, seit Mickey seinen Job gekündigt hatte und ganz mit Amy zu Hause war. Aber ich war nicht eifersüchtig. Ich freute mich. Ich liebte die beiden.
Als wir auf dem weg nach Hause waren, bekam Mickey eine Nachricht. ‚SOS – KOMM SCHNELL. M.‘ Mandy hatte sie geschrieben. War etwas mit Becca oder mit Lip? Wir setzten Amy in den Kinderwagen und liefen zum Milkovich Haus.

Love is a Battlefield... [Gallavich]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt