Alexandr

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Mickey

Ich stieß die Vordertür auf und sah Mandy mit Becca auf dem Arm und Lip auf dem Sofa sitzen. Auf dem Tisch stand eine Babyschale mit einem Baby darin. Auf der anderen Seite des Sofas saß eine Frau mit braunen schulterlangen Haaren und einer Brille. Sie sah mich an.

„Sind sie Mikhailo, der leibliche Sohn von Rebecca Melnyk?" mir gefror das Blut in den Adern, als ich den Mädchennamen meiner Mutter hörte. Ich nickte und sah zu Mandy. Sie hatte Tränen in den Augen.

Ich setzte mich neben Mandy auf die Sofalehne und Ian stellte sich hinter mich. Die Frau sah von ihren Papieren zu uns auf. „Mein Name ist Mrs. Jackson-Reed. Ich bin vom Jugendamt und ebenfalls mit dem Fall ihrer Nichte Amy betraut." Sie sah in den Kinderwagen, in dem Amy lag und schlief. „Vor einigen Tagen hat eine Frau dieses Baby im Krankenhaus abgegeben. Sein Name ist Alexandr Melnyk. Er ist etwa 4 Monate alt. In seiner Babyschale lagen 2 Briefe. Einer davon ist an sie beide adressiert." Sie wühlte in ihren Unterlagen und zog einen Brief heraus. „Der andere Brief war an das Jugendamt gerichtet." Sie nahm einen zweiten Brief heraus und begann zu lesen. „Bitte bringen sie meinen Sohn zu Amanda und Mikhailo Milkovich. Sie werden für ihn sorgen. Ich kann es nicht. Es tut mir leid. Rebecca Melnyk" Sie sah uns beide an. Mandy und ich schwiegen. Ich berührte ihren Arm. Mein Magen drehte sich. „Aus alten Unterlagen wissen wir, dass Mrs. Melnyk ihre leibliche Mutter ist. Ich würde sagen, das hier ist ihr halb Bruder." Sie deutete auf das Baby auf dem Tisch. Ian legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte leicht. Keiner von uns sprach. Jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt. Bis das Baby aufwachte und uns mit seinen strahlend blauen Augen ansah. Ian ging um das Sofa herum und nahm das Baby heraus. Er drückte es an seine Brust. „4 Monate sagen Sie? Er ist ziemlich leicht." Sagte Ian und legte ihn in einen Arm, damit er ihn ansehen konnte. „Ja, das... Dieses Baby hatte kein schönes Leben bis jetzt. Er... wurde stark vernachlässigt. Ist stark Unterernährt und... und die Ärzte im Krankenhaus haben mehrere verheilte Knochenbrüche festgestellt. Mehrere Rippenfrakturen, gebrochene Finger und Beine." Wir alle starrten das Baby an. Ian sah mich an und nickte. Seit wir hier waren hatte ich keinen Ton gesagt. Jetzt fand ich meine Stimme wieder „Wir nehmen ihn" sagte ich knapp. Mandy sah mich an „Mickey, findest du nicht, wir sollten darüber reden?" „Nein Mandy. Hier gibt es nichts zu reden. Dieses Baby braucht uns. Er gehört zur Familie, genauso wie Amy und Becca. Was ist die Alternative? Eine andere Pflegefamilie? Ihr wisst alle, wo man landen kann." „Er kommt mit uns" Sagte Ian bestimmend zu der Jugendamt Lady. „Gut, dann werde ich alles schriftliche in die Wege leiten. Ich habe hier eine Tasche mit Windeln und Milchpulver. In diesen Unterlagen steht die Adresse des Kinderarztes, der sich mit diesem Fall auskennt. Ich werde in 4 bis 6 Wochen nochmal bei Ihnen vorbei schauen und sehen, wie es Ihnen geht." Sie stand auf und ging zur Tür. „Ich bin froh, dass wir den kleinen Mann gut unter gebracht haben" Sagte sie. „Ach, wir sind aus diesem Haus ausgezogen. Ich schreibe Ihnen die Neue Adresse auf, warten Sie kurz" Sagte ich schnell und gab ihr den Zettel. „Vielen Dank" Sagte sie und verschwand.

„Herrgott Mickey. Hast du sie noch alle?" Sagte Mandy leise, um die drei Babys nicht zu wecken. „Du nimmst einfach so ein unterernährtes und misshandeltes Baby auf?" Ich funkelte sie an. „Ich wäre froh gewesen, wenn mich damals jemand aufgenommen hätte und mich vor meinem Vater gerettet hätte. Wer weiß, wer ihm das angetan hat. Ich denke nicht, dass es Mom war." Sagte ich und drehte mich zu Ian. Er hatte Alex auf dem Arm und lächelte ihn an. Ich ging auf beide zu und strich dem kleinen über die Haare. Er war wirklich dürr. „Willst du ihn halten?" Ich nickte und Ian reichte ihn mir. Ich hatte Angst ihn zu zerbrechen, so leicht und dünn war er. Er sah mich an und Tränen bildeten sich in seinen Augen. Er begann zu weinen, aber nicht so wie andere Babys, die das ganze Haus aufwecken. Er weinte leise. Leises schluchzen und leises wimmern war alles, was man zu hören bekam. Und Tränen liefen ihm über die Wangen. „Ian" sagte ich und er sah es. „Er weint" stellte er fest. Mandy stand auf und sah den kleinen auf meinem Arm. „Hey Buddy. Das ist Tante Mandy. Sie hat auch schwarze Haare, so wie du. Was ist Buddy? Hast du Hunger?" Mandy sah mir in die Augen während ich den kleinen schaukelte. Ian griff in die Tasche und machte ein Fläschchen. „Du willst ihn wirklich behalten?" Fragte Mandy. „Du fragst, als wäre es ein Hund. Als hätten wir eine Wahl Mandy. Er hat keine Wahl. Er hat nur uns als seine Familie." Sprach ich leise. Ian reichte mir die Flasche und ich setzte mich. Gierig begann der kleine zu trinken. „Du hast die Wahl, ob du an seinem Leben teilhaben willst." Sagte ich leise zu Mandy. Sie nickte nur. „Tut mir leid Mick. Was ich gesagt hab... es war nur... der Schock..." Ich nickte.

Ich sah Ian an, der mir gegenüber saß und an seiner Unterlippe Kaute. „Du weißt, dass ich dich kenne. Spucks aus Gallagher."

„Ich hab sie gesehen." Sagte er leise. Ich starrte ihn an. „Auf Iggys Beerdigung. Hab ich sie gesehen. Sie... sie hat mich gefragt ob wir Iggys Kind aufnehmen." Totenstille im Raum. „Wir haben nicht lange gesprochen, aber sie... sie hat euer Leben verfolgt. Sie kannte Lip und mich und sie wusste, dass Mandy schwanger war und dass ich dein Freund war. Sie... wusste über alles bescheid. Sie... sie hat euch geliebt." Mandy setzte sich neben mich. Wir starrten Ian an. Mein Kopf drehte sich und es kamen so viele Gefühle hoch, dass ich sie nicht sortieren konnte. Wir hatten uns versprochen, keine Gewalt. Aber gerade im Moment will ich ihm eine reinhauen. Aber ich tat es nicht. Ich sah Alex an und rechnete. „Da war sie schon schwanger" flüsterte ich. Mehr zu mir als zu den anderen. Ich sah nicht auf. Ich sah Alex beim Trinken zu und versuchte nicht auszurasten. Ian ging langsam auf mich zu. „Stop" Sagte ich warnend. „Mickey, es war so viel los. Die Trauer über Iggy, Mandy war im Krankenhaus und... und irgendwann... da hab ich gedacht... warum alte Gefühle hoch bringen?" „Hör auf" Sagte ich. Mandy sprach leise „Ich hab sie auch gesehen" ich sah sie an. „Auf Dads Beerdigung". Ich atmete tief ein. Ich versuchte klar zu denken. Alex war mit seiner Flasche fertig. Ich stand auf und drückte Ian das Kind in die Hand, dann ging ich hinaus und setzte mich auf die Verandatreppe. Ich atmete ein paar mal tief durch bevor Lip sich neben mich setzte. Er hatte die ganze Zeit nichts gesagt. Er reichte mir eine Kippe und ein Feuerzeug.

„Willst du meine Meinung dazu hören?"

„Kann ich dich aufhalten Gallagher?"

„Ich denke, sie hat es versucht. Ich denke, sie wollte das beste für ihre Kinder. Weißt du, wenn sie die ganze Zeit über euer Leben bescheid wusste, dann hat sie es versucht."

„Hätte sie es versucht, dann hätte sie uns nicht bei unserem Arschloch Vater gelassen sondern hätte uns mit genommen."

„Du kanntest deinen Vater oder? Denkst du, er hätte euch gehen lassen? Einfach so?"

„Sie hätte kämpfen können"

„Gegen Terry? Du weißt nicht, wie lang sie schon gekämpft hat Mickey. Wie viele Jahre sie schon gekämpft hat."

Ich schwieg und rauchte meine Kippe fertig.

„Aber wieso hat sie dann nochmal ein Kind bekommen? Wieso Lip?"

„Ich denke nicht dass es Absicht war. Mickey, vielleicht wollte sie es jetzt richtig machen. Zumindest teilweise. Du weißt nicht, in welchen Verhältnissen sie lebt, wer der Vater ist. Sie hat uns auf Iggys Beerdigung gesehen. Hat sich gedacht, dass ihr Kind es hier besser haben wird und hat es dann abgegeben."

Ich atmete tief. Es dämmerte, als Lip aufstand und mir noch eine Kippe reichte. „Sei nicht zu hart zu Ian. Er... er wollte nur das beste für dich." Er ging hinein und kurze Zeit später kam Ian raus. Er sagte nichts, sondern legte nur eine Hand auf meine Schulter.

„Sorry" Sagte er leise. „Schon ok. Komm her" Sagte ich und hob einen Arm. Er legte sich an meine Brust. Und wir teilten uns die Kippe. „Willst du den Brief lesen?" Fragte Ian und sah mich an. Ich konnte nur nicken. Er zog einen Zettel aus der hinteren Hosentasche und gab ihn mir. „Mandy hat ihn schon gelesen. Ich weiß nicht was drin steht." Flüsterte er. „Willst du alleine sein?"

Ich schüttelte den Kopf und lächelte leicht. „Bleibst du?" Fragte ich und er rutschte näher an mich. Diesmal nahm er mich in seinen Arm und ich öffnete den Brief.

Mikhailo, Amanda.

Ich habe viel falsch gemacht. Ich habe kein Recht dazu es bei euch wieder gut zu machen aber für meinen Alexandr wünsche ich mir besseres. Er hat besseres verdient als mich. Er hat euch verdient. Ian sagte, ihr würdet schon ein Baby aufnehmen. Ich hoffe sehr ihr werdet gute Eltern für meinen Alexandr. Ich bitte euch nur um eins. Bitte glaubt mir, dass ich euch alle liebe.

Eure мати Rebecca

Mir lief eine Träne über die Wange und Ian küsste meinen Kopf. Er war hier. Bei mir. Auch wenn meine Mutter es nicht war.

Love is a Battlefield... [Gallavich]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt