Gesund und Gut

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Ian
Endlich waren wir zu Hause. Ich zog die Schuhe aus und legte mich direkt wieder ins Bett. Es war nicht mehr alles dunkel. Es mischte sich etwas Licht hinzu. Ich erkannte in all der schwarzen Suppe in meinem Gehirn, dass etwas Farbe zurückkehrte. Mickey war ein dunkelblauer Farbkleks in dem schwarz meines Herzens. Er kam direkt herein und hielt mir eine Tablette und ein Glas Wasser hin. Ich drehte mich weg. Ich wollte alleine sein. Ich wollte nicht schon wieder diese Tabletten schlucken. „Ian, bitte" sagte die vertraute Stimme in meinem Rücken. „Ich... weiß nicht was..." er verstummte. Ich hörte ein schluchzen. Weinte er? Wegen mir? Weil ich nicht...? Scheiße. Ich konnte nicht über ihn nachdenken. Ich hatte zu viel mit mir zu tun. Ich drehte mich zu ihm und nahm die Tablette. Ich schluckte sie mit viel Wasser und drehte mich wieder um. Er küsste mich auf die Schulter und zog die Vorhänge zu. „Schlaf etwas, ich komm später" sagte er und stand auf. Ich war mir sicher, ich können nicht schlafen. Ich war mir sicher, wenn ich der Müdigkeit nachgeben würde, würde sie mich verschlucken. Die Dunkelheit würde mich verschlucken und nicht mehr ausspucken. Ich hatte das Gefühl, wenn ich einschlief, würde ich nicht wieder aufwachen. Vielleicht war das ja auch gut. Vielleicht würde ich dann den Menschen die mich liebten weniger Sorgen bereiten. Das Pflaster lieber schnell abziehen als Monate oder Jahre mit Tabletten rumexperimentieren und warten bis Ian wieder ausflippt. Lieber gleich Schluss machen. Ich würde Mickey viel Sorgen ersparen. Und vielleicht könnte er in wenigen Monaten oder Jahren jemanden finden, der gesund war und gut war für ihn und mit dem er glücklich werden konnte.
Ich trieb mit meinen Gedanken in ein ‚was wäre wenn' und schlief schließlich ein.

Ich sah meine Mutter. Monica. Es war Thanksgiving. Ich erkannte das Bild. Es war verschwommen. Ich sah, wie sie in die Küche ging. Als wäre ich bei ihr gewesen. als würde ich hinter ihr stehen. Sie drehte sich um und hatte das Messer in der Hand. Sie sah mich an und lächelte. "Ian" sagte sie leise. "Ian, es ist besser. Besser für Mickey. Du musst das Pflaster schnell abziehen" dann sah ich, wie sie das Messer an ihre Pulsadern ansetzte und lächelte. Sie sah friedlich aus, wie sie dort am Boden lag. Ich wusste, dass sie es machte, um ihren liebsten viel ärger zu ersparen. Ich kannte ihre Gründe. Und ich wusste, dass es für mich ebenfalls nur einen Ausweg gab. 

Plötzlich hörte ich jemanden schreien. Jemand schrie meinen Namen. Und dann spürte ich Hände. Kalte Hände um meine warmen Handgelenke. Ich roch ihn. Mickey. Mickey schrie meinen Namen. Ich konnte ihn hören, aber ich sah immer noch meine Mutter in einer Blutlache am Boden liegen. Sie hatte ein lächeln auf den Lippen. Auch ich lächelte jetzt. "IAN!" schrie Mickey wieder und dann öffnete ich meine Augen und sah in seine blauen, angsterfüllten Augen.

Love is a Battlefield... [Gallavich]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt