Reise Reise

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Pov Liv

Ich hatte kaum Zeit zu verstehen was passierte. Gerade noch glitten meine Hände durch die von Ruhn, während er alles versuchte um mich festzuhalten. Sein erschrockener Gesichtsausdruck schien sich in meinen Kopf zu brennen, während ich in die Dunkelheit gezogen wurde.
Ich wusste nicht was mich gepackt hatte, es war so plötzlich gekommen und hatte seine kalten Klauen um mich geschlungen.

Ich blinzelte benommen, als ich plötzlich den harten, kalten Asphalt unter mir spürte. Der dumpfe Schmerz in meinem Kopf pulsierte, während ich mich mühsam aufsetzte. Um mich herum war alles verschwommen, doch langsam nahm ich meine Umgebung deutlicher wahr.

Hupende Autos fuhren nur wenige Meter an mir vorbei, die lauten Geräusche der Motoren und quietschenden Reifen hallten in meinen Ohren wider. Der Geruch von Abgasen hing schwer in der Luft, durchsetzt mit einem Hauch von heißem Gummi und der fernen Note von etwas Gebratenem. Ich zog scharf die Luft ein, verwirrt und desorientiert.

Langsam drehte ich den Kopf, meine Hand stützte sich zitternd auf dem rauen Asphalt ab. Die Farben um mich herum waren grell. Grelle Lichter von vorbeifahrenden Fahrzeugen, die sich in den Schaufenstern spiegelten, und der kalte, graue Himmel, der drohend über der Szenerie hing.

Als mein Blick schließlich nach oben glitt, fiel mir das Straßenschild ins Auge. Ein schlichtes Schild, weiß mit schwarzen Buchstaben, ragte über mir auf, und ein einziges Wort prangte darauf Hauptstraße. Daneben klebte ein Sticker Aachen lebt.

Verwirrt runzelte ich die Stirn. Aachen? Wie war ich hierhergekommen? Meine Gedanken wirbelten, doch ich konnte keine klare Erinnerung daran fassen, was zuvor passiert war.

Plötzlich streckte mir jemand seine Hand hin.
>Alles in Ordnung? Bist du gestürzt?<
Die Stimme klang freundlich. Mein Blick wanderte an dem Arm des Fremden entlang nach oben. Ich stockte. Das war der Mann den Zeke mir gezeigt hatte.
Ich nahm seine Hand und ließ mich von ihm hochziehen.
>Geht schon, danke< hauchte ich, noch immer seine Hand festhaltend.

>Ey, komm J...< hörte ich eine andere Stimme hinter ihm, die gleichzeitig immer ferner klang.
Die Hand des Fremden verschwand in meiner und auch alles um mich herum verblasste.

Es fühlte sich an, als hätte ich ewig nicht geatmet. Meine Lungen zogen den Sauerstoff ein, als ich meine Augen öffnete und in das Gesicht von Zeke sah.

>Wir müssen nach Aachen< schoss es aus mir heraus, als hätte ich angst gleich wieder alles zu vergessen.
>Aachen?< Zeke stand die Verwirrung förmlich ins Gesicht geschrieben. Verständlich, ich wusste ja selber nicht mal was mit mir passiert war.
Dennoch nickte ich.

>Geeeeht eees diiiiir guuut?< fragte Fips lang gezogen, als würde ich ihn sonst nicht verstehen.
>Lass den Quatsch< wies Ruhn ihn sofort zu Recht.

Zeke half mir auf, jede kleinste meiner Bewegungen genaustens beobachtend.
>Du fühlst dich gut?< fragte er dennoch.
Ich nickte wieder.
>Auch wenn ich nicht weiß was passiert ist, aber ich glaube ich habe ihn gef...< Zekes Hand auf meinem Mund erstickte meine Worte.
>Das muss die verlorene Erinnerung sein... danach ist man manchmal etwas wirr im Kopf< sprach er zu seinen Brüdern >Ich schlage vor, wir reisen zurück nach Santa Village. Von dort wird Fips versuchen diesen Oskar zu finden und Ruhn, Santa und ich finden heraus was oder wer dieser O'Kelly ist. Das ganze stinkt hier doch zum Himmel, als hätte jemand vor uns kalt zu machen<

Entschieden zog Zeke seine Kapuze tief ins Gesicht, griff in seinen Beutel und warf den Sand zu Boden. Sofort entstand die mittlerweile bekannte Sandwolke um uns herum. Sie wirbelte so sehr, dass ich Fips und Ruhn nicht mehr sehen konnte.

Als sich der Sand lichtete waren Fips und Ruhn vor uns verschwunden. Aber wir befanden uns auch nicht mehr länger in dem Tempel.
Ich blinzelte verwirrt, als ich plötzlich inmitten eines Geheges stand. Der Boden unter meinen Füßen war fest und staubig, mit vereinzelten Grasbüscheln, die wie vergessene Farbtupfer in der trockenen Landschaft wirkten. Ich nahm einen tiefen Atemzug, der süßliche, leicht erdige Geruch von Heu und Tier streifte meine Sinne.

Als ich mich umsah, entdeckte ich mehrere Zebras, die gemächlich umhergingen, ihre schwarz-weißen Streifen schienen vor dem staubigen Hintergrund fast unwirklich. Einige grasten in der Nähe, während andere ruhig miteinander standen, ihre Ohren zuckten hin und her, als sie Zeke und mich wahrnahmen.

Der hohe, aus Holzstämmen gefertigte Zaun wirkte alt und umgab das Gehege vollständig. Die Hitze schien die Luft flimmern zu lassen, und ich konnte kaum glauben, wie schnell wir aus dem Traumland hierhergekommen waren  oder wo „hier“ überhaupt war. Zeke stand stumm neben mir, schien jedoch völlig unbeeindruckt von der Situation.

>Zebras?< flüsterte ich, als ob ich die Tiere nicht erschrecken wollte, obwohl diese uns kaum zu beachten schienen. Der Geruch nach Heu und Tieren verstärkte das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein, eine seltsame Mischung aus Ruhe und Absurdität.

>Ja, Zebras,< murmelte Zeke etwas irritiert mit einem schiefen Grinsen. >Willkommen scheinbar im Aachener Zoo<
>Ich verstehe nicht ganz< hatte er nicht etwas von Santa Village gesagt?
>Ich weiß nicht, was in Ruhn vor sich geht. Aber ich halte es für besser, wenn er hier von nichts weiß. Fips und er sind in Santa Village und wir gehen deiner Spur nach, woher auch immer sie kommt< erklärte Zeke knapp.

>HEY WAS MACHT IHR DA?< schrie plötzlich ein Tierpfleger und kam auf uns zu gerannte.
Zeke griff nach meinem Arm und rannte mit mir mitten durch die Zebra Herde, zum Ende des Geheges hin. Er schwang sich elegant über den Zaun zu den Zoobesuchern die uns belustigt ansahen. Die ersten hatten bereits die Handys gezückt. Ich kletterte weniger elegant über den Zaun und folgte Zeke. Wir rannten, um einige Ecken und versteckten uns schließlich in einem Gebäude, wo die Tür offen stand.

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt