Dunkle Spielchen

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Pov Ruhn

Meine Kopfschmerzen ließen allmählich nach, aber Eos hatte mich ordentlich erwischt. Dieser elende Bastard. Ich verfluchte Zeke immer noch für seinen dummen Plan, mich absichtlich von Eos treffen zu lassen. Der Gedanke, dass ich mich von ihm hätte bezwingen lassen sollen, machte mich wütend. Ich bin nicht schwach. Ich war mächtiger als Eos. Mächtiger als alle von ihnen.

Aber das alles – diese sinnlosen Kämpfe und Intrigen – war nur eine Ablenkung von dem eigentlichen Problem. Und das lag vorhin in der Küche, als Liv plötzlich hereingestürmt kam und behauptete, wir wären Julien.

Julien. Ein Mensch. Wir? Es war absurd. Sie hatte wirr gesprochen, das war offensichtlich. Vielleicht lag es daran, dass wir ihre Energie zu sehr entzogen hatten. Klar, dass es Spuren hinterließ. Ich hatte von Anfang an gesagt, dass wir vorsichtig sein sollten. Zumindest ein Teil von mir wusste, dass wir damit Grenzen überschritten hatten. Aber Zeke hatte es wieder abgetan, als wäre es nichts. Ein Fiebertraum, hatte er gesagt. Natürlich tat Zeke so, als wäre er ein Experte für diese menschlichen Dinge.

Ob ich schlechte Laune hatte? Das war wohl kaum zu übersehen. Am liebsten würde ich in den Keller gehen und Eos in Stücke reißen. Er hatte mit Oskar zusammengearbeitet, und ich wusste, dass er ihn so manipuliert hatte, dass ich hier, in diesem verdammten Hotel, eingesperrt wurde. All die Qualen, die ich hier erleiden musste – es war alles Eos' Schuld.

Aber ich durfte die Beherrschung nicht verlieren. Dark wartete nur darauf, dass ich die Kontrolle über mich verlor. Er hatte genug angerichtet, und ich durfte ihm keinen Raum lassen. Der Gedanke an das, was er tun könnte, wenn ich mich einmal gehen ließ, machte mir mehr Angst als alles andere.

Ich brauchte eine Ablenkung. Meine Schritte führten mich automatisch zu Livs Zimmer. Dort hatte ich schon oft Zuflucht gefunden, auch wenn sie das nie wusste. Es gab mir Ruhe, sie beim Schlafen zu beobachten, ihre gleichmäßigen Atemzüge zu hören. Es hatte eine Art beruhigende Wirkung auf mich , als ob ihre Nähe die Dunkelheit in mir für einen Moment zurückdrängen könnte.

Doch als ich das Zimmer erreichte, war es leer.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Wo war sie? Sie war doch noch geschwächt, ich hatte das deutlich gesehen, als sie vorhin  gestürzt war. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Warum also war sie nicht hier?

Mein Blick schweifte durch den Raum. Die Bettdecke war zerwühlt, aber nicht so, als wäre sie gerade erst aufgestanden. Sie war schon länger weg. Ein Teil von mir sagte, dass ich nach Lumi gehen sollte, sie würde sicher wissen, wo Liv war. Doch etwas hielt mich zurück. Ich wollte sie selbst finden.

Langsam durchquerte ich die Flure des Hotels. Meine Schritte hallten dumpf auf den alten Dielen. Die Dunkelheit schien dichter zu werden, je weiter ich ging. Dieses Hotel. Es war ein Labyrinth, und ich wusste, dass es voller Geister und Erinnerungen war, die mich am liebsten verschlingen würden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder auf etwas stieß, das mich in den Wahnsinn treiben würde. Aber das war jetzt egal. Ich musste sie finden.

Schließlich erreichte ich den Dachboden. Der staubige Geruch drang mir in die Nase, und es war, als würde das Haus selbst leise atmen. War sie hier oben? Vorsichtig ging ich weiter, spähte durch die Schatten der verstaubten Möbel. Und dann sah ich es: Das kleine Dachfenster stand offen. Ein leichter Wind wehte herein, und der Mond schien schwach durch das Glas.

Ich kletterte hinaus. Der kühle Wind traf mich hart, aber ich ignorierte es. Oben auf dem Dach, auf der Spitze des Hotels, saß sie. Der Mondschein fiel auf ihr Gesicht, und sie sah in die Ferne.

>Liv< sagte ich, meine Stimme rauer, als ich es beabsichtigt hatte.

Sie drehte den Kopf leicht und sah mich an. Ihr Blick war ruhig, fast zu ruhig. >Was machst du hier oben?< fragte ich. >Du solltest dich ausruhen.<

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt