Der nervige dunkle Bruder

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Ich ließ den Sand durch meine Finger rieseln, bereitete mich darauf vor, ins Traumland zu reisen.
Santa hatte sich daran gemacht mehr über die Mondkristalle herauszufinden.
Die Konzentration, die ich sonst immer mühelos aufbrachte, fiel mir heute schwerer. Dark stand abseits, doch seine Anwesenheit war allgegenwärtig, wie ein Schatten, der sich nicht abschütteln ließ. Und dieser Schatten machte es sich zur Aufgabe, mich jede Sekunde daran zu erinnern, was geschehen war. Oder besser was geschehen könnte.

>Du bist zu unsicher, Zeke< begann Dark wieder, seine Stimme schmeichelnd, aber mit einem scharfen Unterton. >Das wird sie doch merken, oder? Liv weiß es wahrscheinlich längst.<

Ich ignorierte ihn. Versuchte, meine Aufmerksamkeit wieder auf den Sand und die bevorstehende Reise zu richten, doch Dark ließ nicht locker. >Oder vielleicht vertraut sie dir einfach nicht. Ist dir das mal durch den Kopf gegangen?< Die Worte schienen in meinem Kopf zu widerhallen, als ob Dark sie absichtlich tief in meinen Verstand pflanzte.

Ich hielt inne, der Sand rieselte aus meiner Hand. Ich wollte nichts sagen, doch mein ganzer Körper spannte sich an. Wie konnte Dark es wagen, so etwas zu behaupten? Aber was, wenn Dark recht hatte? Was, wenn Liv mir wirklich nicht vertraute? Der Gedanke bohrte sich in mich wie ein kalter Dolch.

Dark trat näher, genoss offensichtlich die Reaktion, die er bei mir hervorrief. >Warum sonst sollte sie sich von Ruhn küssen lassen?< Darks Stimme war fast ein Flüstern, aber es klang wie Hohn. >Sie hat dich auf Abstand gehalten, oder? Hat sich ihm hingegeben, als ob du gar nicht existierst.<

Ich atmete tief durch, versuchte, den Ärger zu unterdrücken, der in mir brodelte. >Halt den Mund, Dark< brachte ich schließlich heraus, doch die Wut war in meiner Stimme spürbar.

Dark lachte leise, ein dunkles, kaltes Lachen, das mich bis ins Mark traf. >Komm schon, Zeke. Es war mehr als nur ein Kuss. Ihre Lippen... sie waren warm, weich.< Dark trat noch näher, sein Grinsen breiter als zuvor.
>Ich wusste gar nicht das du auf so etwas Wert legst< stieß ich genervt aus.

Dark grinste breiter, triumphierend. >Du kannst ruhig zu geben das es dich ärgert. Wir erhalten ihre Energie, ihre Nähe und vor dir fürchtet sie sich nur. Egal wie viele Schauermärchen du ihr über Ruhn erzählst<

Meine Wut brach wie eine Flut über mich herein. >Halt den verdammten Mund, Dark!< rief ich, meine Stimme bebte vor Zorn. Die Sandkörner in meiner Hand begannen zu schimmern, bereit, Dark anzugreifen. Doch Dark wich keinen Schritt zurück. Er blieb stehen, sah mir direkt in die Augen, als ob ihn nichts auf der Welt erschüttern könnte.

>Ruhn und ich sind zwei Seiten derselben Medaille, Zeke< sagte Dark leise, fast sanft, während er den Sand beobachtete, der sich um meine Finger kräuselte. >Du kannst mich nicht loswerden. Und selbst wenn du es versuchst, was wird es ändern? Denkst du, das macht Liv etwas aus? Glaubst du wirklich, sie wird zu dir kommen, nur weil du mich besiegst?<

Meine Hände zitterten. Die Kontrolle über den Sand entglitt mir beinahe. Ich wollte Dark zum Schweigen bringen, ihn zum Verschwinden zwingen. Doch tief in mir wusste er, dass Dark Recht hatte. Ruhn und Dark waren untrennbar miteinander verbunden. Und solange Ruhn existierte, würde auch Dark da sein, mit all seinen düsteren Gedanken und provokanten Sticheleien.

>Wenn du nicht ein Teil von Ruhn wärst< knurrte ich und lächelte gefährlich >hättest ich dich wahrscheinlich längst umgebracht<

Ich atmete schwer, meine Brust hob und senkte sich, während ich Dark anstarrte. Er sagte nichts, denn er wusste, dass ich es ernst meinte.

>Aber das Beste, Zeke... das Beste habe ich dir noch gar nicht erzählt. Der Kuss... schmeckte genau nach Erdbeeren und Erdbeeren schmecken genau wie sie es beschrieben hat. Oder was meinst du?<

Ich erstarrte. Ein Schock durchfuhr mich, so stark, dass ich das schimmernde Sandgebilde in meiner Hand zerfallen ließ. Meine Gedanken wirbelten in alle Richtungen.

Dark lachte wieder, diesmal leiser, fast spöttisch. Er legte den Zeigefinger vor seine Lippen und flüsterte >Aber keine Sorge, Zeke. Das bleibt unser kleines Geheimnis. Sag Liv doch schöne Grüße von mir, wenn du bei ihr bist.< Er zwinkerte mir zu, drehte sich um und ging, als wäre alles ein Spiel gewesen, das er mühelos gewonnen hatte.

Ich blieb zurück, allein mit meinen Gedanken. Der Sand rieselte noch immer durch meine Finger, doch meine Konzentration war zersplittert. Der Gedanke an den Kuss, an das, was Dark gesagt hatte, lastete schwer auf mir. Erdbeeren... hatte Ruhn durch den Kuss wirklich etwas schmecken können? Liv hatte sich einen Tee gemacht, abwegig war es nicht, dass der Geschmack noch an ihren Lippen geklebt hatte.

Mein Atem ging schneller, und ich musste mich zwingen, die Wut zu zügeln, die mich fast überwältigte. Doch tief in mir nagte der Zweifel, der dunkle, quälende Zweifel. Ich wusste, dass ich ins Traumland gehen musste, um Liv zu retten, aber wie sollte ich das tun, wenn ich mir nicht einmal sicher war, ob sie mir vertraute?

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich durfte mich von Dark nicht aus der Fassung bringen lassen. Egal, was geschehen war, ich musste einen Weg finden, sie zu retten. Doch der Gedanke an den Kuss, an das, was Dark gesagt hatte, würde mich nicht so leicht loslassen.
Unser kleines Geheimnis
Dark wusste Dinge, Dinge die Ruhn nicht wusste.

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt