(K)eine Diskussion

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Pov Liv

In der düsteren Stille des Raums war die Anspannung fast greifbar. Ruhn stand mit verschränkten Armen vor dem Tisch, auf dem Fips saß, der mit einem Bein nervös hin und her schwang. Ich stand aufgebracht neben ihm, meine Augen funkelten vor Zorn, während Santa sich hinter Ruhn postierte, wie eine stillschweigende Mauer der Unterstützung.

>Das ist Wahnsinn, Ruhn!< meine Stimme bebte vor Frustration. >Du kannst das nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.<

>Es ist die einzige Option, die uns bleibt< erwiderte Ruhn ruhig, seine Stimme tief und kontrolliert. >Wir haben keine andere Wahl. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte wo er sein könnte<

>Das ist nicht wahr! Es gibt sicher noch andere Wege!< ich machte einen Schritt auf ihn zu, meine Hände zu Fäusten geballt. >Wir können nicht einfach...<

>Wir haben keine Zeit mehr, Liv.< Santa unterbrach mich, seine Stimme schwer, aber fest. >Zeke ist da draußen, und wir wissen nicht, in welchem Zustand er ist. Wir müssen schnell handeln.<

Fips stieß ein leises Lachen aus, als er mit dem Finger leicht auf die Tischkante tippte. >Ja, klar, Liv. Immerhin hat Ruhn immer einen Plan… meistens.< Sein Grinsen verblasste nicht, auch wenn er spürte, dass mein Blick ihn fast durchbohrte.

>Das ist nicht witzig, Fips!< fauchte ich, die Wut in meiner Stimme unüberhörbar. >Ihr spielt mit eurem Leben. Ruhn spielt mit seinem Leben!<

Fips zuckte mit den Schultern, als ob es ihn wenig kümmerte, und warf einen schelmischen Blick in die Runde. >Ach komm, wir sind ja schließlich nicht zum ersten Mal in einer lebensgefährlichen Lage, oder? Irgendwie schaukeln wir uns immer wieder raus. Und wenn nicht... na ja, wenigstens gibt’s ne gute Story zum Schluss.<

>Das ist doch nicht dein Ernst< flüsterte ich, meine Stimme plötzlich leiser, fast flehend. >Ruhn… du kannst nicht einfach...<

>Ich kann und ich werde.< Ruhn sah mich mit seinen ruhigen, aber undurchdringlichen Augen an. >Du verstehst es nicht. Dies ist der einzige Weg.<

Ich schüttelte heftig den Kopf. >Nein. Du gehst zu weit, Ruhn. Es gibt immer andere Möglichkeiten.<

>Andere Möglichkeiten?< Ruhn hob eine Augenbraue und sah mich herausfordernd an. >Wie viele sollen noch gefangen genommen werden von denen, bis wir einen unserer Brüder endgültig verlieren? Zeke ist einer von uns.<

Santa nickte stumm hinter ihm, und auch wenn er nichts sagte, sprach seine Haltung Bände. Er war auf Ruhns Seite, das war klar. Doch ich ließ nicht locker. Meine Augen füllten sich mit Verzweiflung, als ich zu Fips sah. >Fips, sag was! Du weißt, dass das falsch ist!<

Fips hielt inne, ließ seinen Blick zwischen Ruhn und mir hin und herschweifen und seufzte dann. >Also gut, vielleicht ist es... sagen wir mal... nicht gerade der glanzvollste Plan. Aber Ruhn ist ein großer Junge, er weiß, was er tut ... Meistens.<
Er zwinkerte dabei, doch die Spannung in seiner Stimme war nicht zu überhören.

>Fips!< sagte ich entsetzt, als ich mich abwandte, mein Blick suchte verzweifelt nach einem letzten Funken Vernunft. Doch Ruhn war unbeweglich, fast schon kalt. Er hatte sich längst entschieden.

>Ich werde tun, was getan werden muss< sagte er, als wäre das Gespräch für ihn beendet.

Ich trat einen Schritt zurück. >Und was, wenn es schiefgeht? Was dann?<

Pov Fips

Ruhn hatte diesen entschlossenen Ausdruck im Gesicht, den ich sofort erkannte. Das bedeutete Ärger. Liv und Ruhn standen sich gegenüber, ihre Augen voller Widerstand. Liv wollte kämpfen, das konnte man in ihrer ganzen Haltung sehen, aber Ruhn war... stur wie immer. Und das bedeutete, dass sie keine Chance hatte.

>Ich hab keine Zeit für solch eine Diskussion< sagte Ruhn plötzlich und schnitt damit jede weitere Debatte ab. >Die Sache ist beschlossen.<

Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Das klang endgültig. Zu endgültig.

Bevor Liv weiter protestieren konnte, griff Ruhn blitzschnell in seine Manteltasche. Ich blinzelte, als Ruhn eine Handvoll Sand aus der Tasche zog und ihn Liv ins Gesicht pustete. Es war der gleiche Trick, den Zeke immer nutzte, wenn er jemanden außer Gefecht setzen wollte.

Livs Augen weiteten sich in Überraschung, dann begannen ihre Lider schwer zu werden. Sie wankte, und ich reagierte instinktiv. Ich sprang vom Tisch und fing sie auf, bevor sie zu Boden sinken konnte.

>Woher hast du den Sand?< meine Stimme war scharf, ein Hauch von Besorgnis mischte sich in meine üblich lässige Art.

Ruhn sah mich nur flüchtig an, seine Hände wieder tief in die Taschen vergraben. >Zeke hat mir wieder Geld geklaut< sagte er trocken. >Aber er hat mir etwas Sand dagelassen. Wohl als Entschädigung.<

Ich verzog das Gesicht, ein ungläubiges Lächeln zuckte über meine Lippen. >Ach, na klar. Der alte Dieb zeigt seine Großzügigkeit.< ich ließ Liv vorsichtig zu Boden gleiten und seufzte leise.

Ich sah hinab auf Liv, die jetzt tief schlief, und mein Blick wurde weicher. >Sie wollte dich nur retten, weißt du?< meine Worte waren leise, mehr ein Gedanke als eine Anklage.

Ruhn war schon auf dem Weg zur Tür, als ich die Stimme wieder hob. >Und jetzt? Lässt du sie einfach hier liegen?<

Ruhn hielt kurz inne, sah zurück, und ich konnte den Hauch von Zweifel in seinen Augen erkennen. Doch es war nur ein Moment, dann kehrte die Entschlossenheit zurück. >Es ist besser so. Pass auf sie auf<

Mit diesen Worten verließ Ruhn den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich blieb stehen, sah zu Santa, der nur stumm nickte, dann zurück zu Liv.

>Besser so, hm?< murmelte ich und strich mir durch das zerzauste Haar. >Manchmal frag ich mich echt, wie wir’s so weit gebracht haben.<

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt