Wärme und Kälte

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Pov Ruhn

Ich stand regungslos im dichten Nebel des verlassenen Freizeitparks, das Zepter fest in der Hand. Die Dunkelheit hatte sich um mich wie ein Mantel gelegt, und der Ort schien wie ein Spiegel meiner eigenen inneren Leere. Und dennoch war dieser Ort perfekt, um nicht entdeckt zu werden.
Ich wartete. Durch den wabernden Nebel, tauchte eine Gestalt auf.

Liv.

Sie trat vorsichtig aus der Dichte hervor, ihre Augen auf mich gerichtet, als würde sie einen Moment zögern, sich fragen, ob ich es wirklich war. Ich blieb still. In meinem Inneren regte sich nichts. Keine Erleichterung, keine Freude - nur das stille Beobachten, das Warten. Doch dann veränderte sich etwas in ihrem Blick, und plötzlich setzte sie sich in Bewegung.

Liv rannte los.

Bevor ich es begreifen konnte, spürte ich ihre Arme um mich, wie sie sich an mich klammerte. Sie fiel mir wortwörtlich um den Hals, und ich hörte ihren schnellen Atem an meinem Ohr, spürte die Wärme ihres Körpers, der sich an meinen presste. Überwältigt von der plötzlichen Nähe ließ ich das Zepter los, das lautlos zu Boden sank und dort wie verankert aufrecht stehen blieb. Für einen Moment stand ich einfach nur da, unfähig, zu reagieren.

Meine Arme hingen steif an den Seiten, bis ich langsam, fast zögerlich, begann, sie um Liv zu legen. Es war eine Bewegung, die mir fremd war. Als meine Hände ihren Rücken berührten, war es, als spüre ich zum ersten Mal wirklich etwas. Etwas anderes als Schmerz oder Dunkelheit. Die Umarmung war mir so ungewohnt, so seltsam, und doch... da war etwas. Ein Gefühl, das ich nicht benennen konnte.

Livs Körper fühlte sich klein und zierlich an in meinen Armen, zerbrechlich fast. So viel kleiner, als ich es mir jemals vorgestellt hatte. Die Art, wie sie sich an mich klammerte, ließ mich erkennen, wie verletzlich sie wirklich war - etwas, das ich zuvor nie wahrgenommen hatte. Ich war es gewohnt, die Dinge distanziert zu betrachten, sie aus einer kalten Logik heraus zu analysieren. Doch hier und jetzt, in diesem Moment, spürte ich es. Ihre Angst. Ihre Erleichterung. Ihren vertrauten Geruch, der sich mit der kalten Luft des Parks vermischte.

Ich spürte eine Welle, die sich in mir regte, aber ich konnte sie nicht greifen, nicht benennen. Es war seltsam... und beunruhigend. Diese plötzliche Nähe, diese Wärme, die durch meinen kalten Panzer drang, ließ etwas in mir aufbrechen, von dem ich nicht einmal wusste, dass es existierte.

Was war das? Was tat sie mit mir? Und warum war es mir unmöglich, mich davon zu lösen?

Ich blieb noch einen Moment still, bevor ich endlich leise flüsterte >Liv...<
Meine Stimme klang rau, beinahe fremd, als würde auch sie sich an die Wärme dieser Umarmung gewöhnen müssen.

>Ich hatte solche Angst. Plötzlich war Zeke weg und dann kamen auf einmal die Maskenmänner. Sie haben mich mit sich nehmen wollen...< ich spürte ihren Atem an meinem Hals, während sie sprach.

Mit verengten Augen musterte ich den Mann, der neben Lumi aus Nebel heraus trat. Sofort spannte sich alles wieder in mir an und es gelang mir, mich von dieser Blamage meines Lebens zu befreien.

>Wer ist das?< fragte ich kühl, zu kühl. So kühl wie es nur diese eine Seite von mir konnte. Liv trat einen Schritt von mir.

>Das... das ist Joon. Er hat mich vor den Maskenmännern gerettet< erklärte Liv wie aus der Pistole geschossen, als hätte sie Angst ich würde dem Kerl sofort alle Knochen brechen.

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt