Warnung

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Pov Ruhn

Die Werkstatt war ein einziges Chaos. Überall flogen schwarze Briefe durch die Luft, als hätten sie ein Eigenleben entwickelt. Werkzeuge tanzten von den Tischen, Holzspäne wirbelten durch die Gänge, und selbst die sorgfältig gestapelten Geschenke schienen sich plötzlich verselbstständigt zu haben und polterten wie ein wildgewordenes Meer aus bunten Paketen über den Boden. Santa, Fips und ich standen inmitten dieses Wirbelsturms, jeder auf seine eigene Art bemüht, die Kontrolle zurückzugewinnen – ohne Erfolg.

Santa brüllte Kommandos, während er versuchte, die unzähligen Briefe zu fassen. >Haltet sie fest, verdammt!< Mit einem schnellen Handgriff schnappte er sich einige der flatternden Umschläge, aber kaum hielt er sie, entwanden sie sich wie von Geisterhand wieder. Ich knirschte mit den Zähnen, als einer der Briefe sich an meinem Gesicht vorbei drehte und mich fast an der Stirn traf. >Das ist lächerlich!<

>Sieh's positiv< lachte Fips, während er versuchte, einen Hammer einzufangen, der wie ein entfesselter Greifvogel durch die Luft sauste. >Es könnte schlimmer sein. Stell dir vor, es wären keine Briefe, sondern Fische!< Er hechtete nach dem Werkzeug, aber der Hammer entwischte ihm und landete mit einem dumpfen „Plonk“ direkt auf Santas rotem Hut, der von dessen Kopf auf den Boden fiel. Santa grummelte nur und zog den Hammer mit einem energischen Ruck aus dem Holz.

>Konzentrier dich, Fips!< knurrte ich, ich hatte keinen Nerv für die Albernheiten. Ich wusste, dass wir uns diesen Spaß nicht leisten konnten, nicht in diesem Moment. Irgendetwas lief verdammt schief, und das war mehr als nur ein kleines Durcheinander. >Das hier ist nicht normal. Wer auch immer das ausgelöst hat, weiß, was er tut.<

Santa hatte inzwischen begonnen, die herumfliegenden Spielzeuge und Werkzeuge mit seiner Magie zu bändigen, doch immer, wenn er eines zur Ruhe brachte, sprang ein anderes aus der Reihe. >Das ist nicht gut< brummte er in seiner tiefen, müden Stimme. >Ich kriege sie nicht alle unter Kontrolle. Die Briefe... sie scheinen eine eigene Energie zu haben.<

Ich beobachtete, wie sich ein besonders widerspenstiges Schaukelpferd quer durch den Raum bewegte, als wäre es von unsichtbaren Fäden gezogen. Mit einem wütenden Schnauben schoss ich eine Energiewelle aus meinem Zepter, die das Ding gegen die Wand knallte. >Das bringt nichts! Wir bekämpfen hier bloß Symptome, aber der Kern bleibt unangetastet.<

Fips versuchte unterdessen, eine Box voller Weihnachtskugeln zu fangen, die sich wie Seifenblasen durch die Luft bewegten. Als er einen besonders großen Ball erwischte, zersprang dieser in seiner Hand, und glitzernder Staub rieselte über ihn. >Siehst du, Ruhn? Auch Chaos kann glitzern!< sagte er mit einem Grinsen, das ihm allerdings sofort im Gesicht gefror, als ein weiteres Werkzeug haarscharf an ihm vorbeischoss. >Okay, vielleicht ein bisschen zu viel Glitzer.<

Während Fips sich mit immer mehr fliegenden Gegenständen herumschlug, wich Santa einem schwingenden Schaukelpferd aus, das es irgendwie geschafft hatte, wieder aufzustehen. Ich zog den Kopf ein, als einer der Briefe über mich hinwegsauste, und spürte, wie die Frustration in mir hochkochte. Es war nicht nur das Chaos um uns herum, sondern das Gefühl, dass wir uns die ganze Zeit im Kreis drehten.

>Das war’s< zischte ich durch zusammengebissene Zähne, >wir müssen den Ursprung dieses Wahnsinns finden, sonst stecken wir bis zum nächsten Weihnachtsfest fest.<

Santa hob beschwichtigend die Hand, als er versuchte, ein wenig Ordnung in die Situation zu bringen. >Ruhe bewahren. Wir werden es lösen. Aber so wie es aussieht, wird es uns Zeit kosten, die wir nicht haben.<

Und während ich beobachtete, wie einer der Elfen mit einem fliegenden Geschenkpaket rang, das sich wie ein wildgewordener Bumerang verhielt, und Fips versuchte, einen Flaschenöffner davon abzuhalten, sich in seine Tasche zu verirren, spürte ich das Schweregefühl in meinem Magen. Es war, als wüsste ich tief in mir, dass das Chaos mehr war als bloße Störung. Es war der Vorbote von etwas Größerem.

Und wir waren einfach nicht in der Lage, es zu stoppen.

Das Chaos in der Werkstatt tobte weiter, als plötzlich einer der Wichtel mit panischer Stimme durch den Lärm rief >SANTA! Du musst das sehen, SOFORT!<

Wir sahen uns kurz an, und dann kämpften wir uns durch den Wahnsinn der umherfliegenden Briefe, Geschenke und Werkzeuge hindurch. Jedes Mal, wenn wir einen Schritt nach vorn machten, schien das Chaos noch schlimmer zu werden. Ein besonders widerspenstiger Ballen Geschenkpapier wickelte sich wie ein entfesseltes Monster um meine Beine, während Santa sich einen Weg durch umherschwirrende Zuckerstangen bahnte, die sich wie Lanzen auf alles und jeden stürzten.

Ich versuchte gerade, mich von dem verdammten Geschenkpapier zu befreien, als ich plötzlich einen seltsamen Ruck verspürte. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, hob ich vom Boden ab. Es fühlte sich an, als hätte unsichtbare Hände mich erfasst und hoben mich immer höher. >Was zum...?< rief ich, meiner Stimme schwang zwischen Verwunderung und Wut. Ich wirbelte durch die Luft, unfähig, Kontrolle über meinen eigenen Körper zu erlangen.

>RUHN!< schrie Fips hinter mir, der sofort erkannte, was passierte. Er sprang und packte meinen Mantel im letzten Moment, bevor ich endgültig aus seiner Reichweite glitt. Mit einem kräftigen Ruck zog er mich nach unten und wir beide landeten hart auf dem Boden, doch Fips konnte sich ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. >Man, du bist doch kein Ballon! Häng dich mal weniger rein!<

Ich atmete schwer und brachte nur ein knappes >Danke< hervor, während ich mich wieder auf die Beine rappelte. Das war mehr als nur Chaos. Irgendetwas spielte mit uns.

Schließlich erreichten wir den Wichtel, der Santa herbeigerufen hatte. Der kleine Kerl war kreidebleich, seine Augen weit aufgerissen vor Schock. >Schaut… schaut euch das an< flüsterte er und deutete mit zitterndem Finger auf die Wand.

Was wir sahen, ließ uns alle erstarren.

Wo normalerweise die unzähligen bunten Wunschzettel der Kinder hingen, war jetzt eine leere Fläche, die mit einer unheimlichen roten Schrift bedeckt war. Die Worte schienen sich in die Wand eingebrannt zu haben, als wären sie direkt aus dem Nichts erschienen.

Haltet euch fern von ihr. Das Schicksal ist nicht beeinflussbar.

Ich fühlte, wie sich mein Magen zusammenzog. Irgendetwas oder irgendjemand wollte uns warnen oder bedrohen.
Das Schicksal, von dem die Rede war… bedeutete es wir sollten uns von Liv fernhalten? Wer sonst sollte gemeint sein? Oder war es noch größer als das?

>Das... kann nicht sein< murmelte Santa mit ernster Miene.

Fips trat näher an die Wand heran und strich mit seiner Handfläche über die Schrift. Sie war fest und echt, kein Trick oder Illusion. >Das ist eine Warnung, Ruhn< sagte er leise. >und ich habe das Gefühl, dass sie nicht bluffen. Was wenn Zeke deswegen entführt wurde? Ihr, damit ist etwas weibliches gemeint und das einzig weibliche hast du angeschleppt und Zeke abgeschleppt<

Ich ballte die Fäuste, das Pochen in meinem Kopf wurde stärker. Die Situation wurde ernster, als ich gedacht hatte. Und irgendjemand spielte ein perfides Spiel mit uns. >Ich weiß nicht, wer dahintersteckt< sagte ich schließlich, während ich die Worte auf der Wand anstarrte >aber eines ist sicher. Wir lassen uns nicht davon aufhalten. Santa setz dem ganzen hier ein Ende und dann suchen wir Liv und Zeke!<

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt