Nass

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Pov Zeke

Ruhn richtete sich langsam auf und sah in die Ferne. Wir mussten hier raus. Ich nickte wortlos, beide wussten wir, dass wir das Gespräch auf später verschieben mussten.

Ruhn griff in die Tasche seines Mantels und holte den Mondstein hervor. Er hielt ihn einen Moment in der Hand. Mit einem langsamen Atemzug ließ er das Zepter um den Mondstein herum erscheinen. Die silbrigen Linien des Zepters webten sich wie von selbst um den Stein, und seine Macht begann sich zu entfalten.

>Wie?< stieß ich meine Frage zwischen den Zähnen hervor.
>Ich weiß es nicht. Es ist als, wenn es plötzlich neue Funktionen hätte< zuckte Ruhn die Schultern.

Ein leises Summen erfüllte den Raum, und vor uns öffnete sich ein schimmerndes Portal, dessen Umrisse sanft in der Luft waberten. Wir tauschten einen schnellen Blick – keine Worte nötig. Wir wussten, dass dies unsere einzige Chance war.

Ohne Zögern traten wir durch das Portal.

Auf der anderen Seite fanden wir uns in einer warm erleuchteten Kammer wieder. Die vertraute Präsenz von Santa erfüllte den Raum. Er stand mit verschränkten Armen da, seine Miene streng, aber unter der Oberfläche brodelte Sorge. Als er uns beiden sah, entspannte sich seine Haltung ein wenig, doch die Schwere der Situation blieb spürbar.

>Was ist passiert?< fragte Santa leise und durchdringend, ohne unnötige Worte zu verlieren.
>Salzwasser< antwortete ich knapp und sah an mir runter. Das Wasser tropfte von meiner Kleidung zu Boden.

Ich spürte die Kälte, die mich von innen heraus durchdrang, obwohl ich schon eine Weile aus dem Wasser war. Der salzige Geschmack hing mir immer noch im Mund, das Salz klebte in meinen Haaren, auf meiner Haut, und die Müdigkeit, die mich ergriffen hatte, war tiefer als nur Erschöpfung.

Ruhn öffnete ein weiteres Portal durch welches wir drei hindurch traten. Ich stand klatschnass in Fips’ Wohnzimmer, der schwache Lichtschein warf Schatten auf die Wände. Fips, typisch wie immer, hatte natürlich einen Spruch auf Lager. >Ihr zwei seht aus wie ausgespuckte Seetangrollen. Wer von euch macht die Couch nass?< Er grinste breit, seine Augen blitzten amüsiert, während er Santa zu sich an den Tisch winkte. Mir den Rücken zugewandt stand noch jemand, aber ich hatte nicht den Kopf mich darum zu kümmern.

Ich brachte es nicht mal über mich, zu kontern, was selten vorkam. Stattdessen hielt ich mich nur mühsam auf den Beinen. Die Erschöpfung zerrte an mir, die Tatsache, dass ich seit Tagen keine Kontrolle über meine Kräfte hatte, nagte an mir. Es fühlte sich an, als wäre ein Teil von mir taub. Ein Teil, den ich nicht vermisste, bis ich ihn verloren hatte.

>Zeke… du siehst gar nicht gut aus< hörte ich Livs Stimme, leise, fast sanft. Ich drehte den Kopf langsam zu ihr, meine Augen suchten ihre. Sie stand direkt vor mir, sah besorgt aus und griff nach meiner Schulter, als ob sie sicherstellen wollte, dass ich nicht gleich zusammenbrach. >Du solltest dringend aus den nassen Klamotten raus< sagte sie mit einer Mischung aus Sorge und Bestimmtheit.

Ich hob eine Hand, um ihr zu bedeuten, dass es schon ging, dass ich es im Griff hatte. Doch das Zittern in meinen Fingern verriet mich. Ich fühlte mich leer, schwach, auf eine Weise, die mir Angst machte, obwohl ich es sich nie eingestehen würde. >Es geht mir gut< brachte ich mühsam hervor, doch es klang wenig überzeugend.

Liv zog die Stirn in Falten. Sie ließ nicht locker. >Zeke, du zitterst am ganzen Körper und bist komplett durchnässt<

Ich wollte widersprechen, aber dann spürte ich etwas. Nicht Livs Hände, nicht das Ziehen der Müdigkeit, sondern Ruhns Blick. Ich sah über Livs Schulter hinweg und entdeckte ihn. Ruhn stand reglos da, sein Blick war eiskalt, durchdringend. Ein Blick, den ich nur zu gut kannte. Ich war es gewohnt, von Ruhn angeschaut zu werden, aber das hier war anders. Der Blick war nicht nur kalt, sondern voller Zorn, versteckt hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit.

Ich runzelte die Stirn. Warum hatte Ruhn mir den Blick zugeworfen? Ich spürte die Spannung in der Luft, und als ich Liv betrachtete, wurde mir klar, warum. Natürlich. Ruhn warf mir diesen Blick zu, weil Liv sich um mich kümmerte. Es war so offensichtlich, dass ich beinahe gelacht hätte, wenn ich nicht so erschöpft gewesen wäre.

>Mein Bruder sieht aus, als wolle er mich umbringen. Vielleicht bringst du ihm auch ein Handtuch< murmelte ich trocken, mein Blick ging zurück zu Ruhn.

Liv schien den Kommentar nicht zu hören, oder sie ignorierte ihn einfach. Sie nahm mich an der Hand und zog mich sanft zum Sofa. >Setz dich hin, Zeke< sagte sie entschlossen. >Ich hol dir was Trockenes zum Anziehen.<

Ich ließ mich widerstandslos auf das Sofa fallen, spürte, wie die Federn unter mir nachgaben, als ich sank. Meine Gedanken rasten noch immer, und ich spürte die Müdigkeit in jedem Knochen. Ruhn beobachtete mich weiter, diese Spannung in der Luft blieb bestehen, doch ich hatte jetzt keine Energie, darauf zu reagieren.

Während Liv sich von mir abwandte, um nach trockenen Kleidern zu suchen, musterte ich meinen Bruder erneut. >Was hast du?< fragte ich schließlich, meine Stimme rau und erschöpft, aber direkt. >Willst du mir irgendwas sagen?<

Ruhn antwortete nicht, zumindest nicht sofort. Stattdessen blieb er dort stehen, stumm, mit diesem kalten Blick, als würde er abwägen, ob er überhaupt eine Antwort geben wollte.

>Was hast du getan, dass sie dich so ignoriert?< allmählich amüsierte es mich doch. Liv kam zurück mit einem Stapel trockener Kleidung und unterbrach das Gespräch.

Ich sah meinen Bruder herausfordernd an. >Könntest du mir helfen? Der Mantel ist so schwer, wenn er nass ist< fragte ich an Liv gerichtet und stand auf. Liv nickte sofort und kam mir näher. Ich konnte es mir nicht verkneifen Ruhn an zu grinsen, während ich ihre Hände an mir spürte.

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt