Im Netz der Erinnerungen

131 11 4
                                    

Während wir gemeinsam den langen, düsteren Gang entlangliefen, konnte ich nicht anders, als über die Sandfrau nachzudenken. >Was für eine Zicke< murmelte ich, mehr zu mir selbst als zu Zeke, doch er hörte es natürlich.

Zeke drehte sich mit einem belustigten Grinsen zu mir um. >Findest du nicht, dass das wundervoll ist?< fragte er, seine Stimme von einer seltsamen Leichtigkeit durchzogen, als hätte er soeben den besten Scherz gemacht. Ich sah ihn verwirrt an.

>Was soll daran bitte wundervoll sein?< entgegnete ich skeptisch. >Sie ist unfassbar unfreundlich. Kaum auszuhalten.<

Zeke lachte leise. >Weil sie genau so ist, wie ich sie geschaffen habe< sagte er. >Jede ihrer Reaktionen, jede ihrer Launen... das bin im Grunde ich. Nur mit etwas mehr... Drama.< Sein Lächeln blieb, aber ich konnte den unterschwelligen Stolz in seiner Stimme hören, als wäre die Sandfrau sein kleines Meisterwerk, auch wenn sie schwer erträglich war.

Ich starrte ihn für einen Moment sprachlos an, bevor ich entgegnete >Na, dann herzlichen Glückwunsch zu deinem Werk. Du hast wirklich ganze Arbeit geleistet, Zeke.<

Er zuckte nur mit den Schultern. >Manche Dinge müssen einfach einen gewissen Biss haben, um interessant zu bleiben.<

Ich wollte Zeke erst fragen, warum er sich überhaupt jemanden wie die Sandfrau erschaffen hatte, doch ich biss mir auf die Lippen und ließ es. Ich spürte, dass ich auf diese Antwort keine Lust hatte. Stattdessen entschied ich mich für eine andere Frage. >Was hast du jetzt vor?< meine Stimme klang beinahe beiläufig, aber in mir tobte das Chaos.

Zeke warf mir einen kurzen Blick zu, während ich den Gang weiter entlanggingen. >Wir müssen die Erinnerung in dir finden. Die, in der die Mondkristalle in dein Blut gelangt sind.<

Ich blieb abrupt stehen, meine Stirn in tiefe Falten gelegt. >Mondkristalle? Was sind das? Und wieso sind sie in meinem Blut?< ich konnte nicht anders, als ihn verwirrt anzustarren. Das alles ergab keinen Sinn, und ich fühlte mich zunehmend, als würde ich in einer Welt wandeln, die ich nicht verstand.

Zeke seufzte kaum hörbar, packte dann aber meinen Arm und zog mich wieder weiter. >Keine Zeit für Fragen< sagte er und seine Stimme war fest, fast ungeduldig. >Wir dürfen keine Zeit verlieren.<

Ich konnte nur widerwillig mitgehen, meine Gedanken rasten, doch Zekes Griff an meinem Arm war entschlossen, fast so, als hinge alles davon ab, dass ich jetzt weitermachte.

>Es wird schwieriger, deine Erinnerung zu finden, weil du hier nicht in deiner physischen Form bist< erklärte Zeke, während wir weiter den Gang entlanggingen. Seine Stimme klang kühl und sachlich, als ob er jeden Moment in Gedanken schon längst einen Schritt weiter wäre.

Ich runzelte die Stirn und sah an mir herunter, auf das seltsame Gewand, das ich trug. Es war braun, mit winzigen Sternen bestickt. >Ist das der Grund, warum ich nicht meine eigenen Klamotten anhabe? Sondern dieses Kleid? Das ist ja nicht mal mehr vintage, eher historisch< Es war die einzige logische Erklärung, die mir einfiel. Schließlich war nichts hier normal, vielleicht war das so ein Kleid das fast Tote trugen. Sozusagen die Vorstufe zum Leichenhemd.

Zeke warf mir einen kurzen, amüsierten Blick zu und schüttelte den Kopf. >Nein< sagte er leichthin. >Das Kleid trägst du, weil ich wissen wollte, wie du darin aussiehst.<

Ich blieb wie erstarrt stehen, meine Gedanken stockten. Ich öffnete den Mund, aber kein einziges Wort kam heraus. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte oder ob es überhaupt etwas gab, was ich dazu sagen konnte. Zeke zog mich einfach weiter, ohne auf meine offensichtliche Fassungslosigkeit zu achten, als wäre seine Bemerkung das Normalste der Welt.

Wir betraten einen Raum, mit einem großen steinernden Tisch in der Mitte. Zeke forderte mich auf, mich darauf zu legen. Ich zögerte, es kam mir komisch vor. Schließlich wusste ich nicht was er vor hatte.
>Hängst du nicht so an deinem Leben?< Seine Stimme war kalt, fast abweisend. >Wenn nicht, kann ich mir das hier auch sparen.<

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, doch ich presste die Lippen zusammen und legte mich schließlich hin, meine Augen starrten an die Decke

Ich lag auf dem kalten, steinernen Tisch, der unbehaglich hart gegen meinen Rücken drückte. Mein Körper war angespannt. Doch Zekes ernster Blick ließ keinen Raum für Widerspruch. Zeke trat an meinen Kopf, seine warmen Hände legten sich auf meine Schultern, sanfter als ich erwartet hatte. Der leichte Druck ließ mich unbewusst tiefer in die Oberfläche sinken, meine Muskeln entspannten sich ein wenig.

>Schließ die Augen< flüsterte er, seine Stimme hatte eine fast hypnotische Wirkung.

Zögernd folgte ich seiner Anweisung, die Dunkelheit hinter meinen Lidern war beruhigend und zugleich unheimlich. Ich konzentrierte mich auf den Klang seiner Stimme, die so ruhig und sanft klang, als wollte sie mir Vertrauen einflößen. Doch ich spürte die unterschwellige Dringlichkeit, die in jedem Wort mitschwang.

*Mondkristalle< begann er zu erklären, >sind mehr als nur Edelsteine. Sie sind pures, konzentriertes magisches Licht. Etwas, das sich tief mit der Energie verbindet, die uns alle antreibt. Als Ruhn dir deine Energie entzogen hat, konnte er kaum widerstehen, weil du etwas in dir trägst, das weit über das Menschliche hinausgeht.< Seine Stimme wurde leiser, als würde sie langsam in die Ferne verschwinden. >Das ist der Grund, warum er nicht aufhören konnte...<

Ich spürte, wie sich meine Gedanken zu einem Nebel formten, der meine innere Klarheit umhüllte. Zekes Worte waren nur noch ein Flüstern in meinem Kopf. Alles wurde stiller, langsamer, als ob die Zeit selbst die Luft anhalten würde. Bis er plötzlich sagte >Öffne deine Augen.<

Mit einem Schlag kehrte die Realität zurück. Ich öffnete die Augen und blickte in eine vertraute Szenerie. Der Garten aus meiner Kindheit, die bunten Yoga-Matten auf dem grünen Rasen verstreut. Ich hörte das fröhliche Lachen des Jungen, das meine Brust mit einer bittersüßen Melancholie füllte. Wie in Zeitlupe drehte ich mich um, mein Herz klopfte schneller, als das Bild klarer wurde.

Secret desire | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt