Kapitel 4

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Das Schicksal nimmt nichts, was es nicht gegeben hat.


Ich starrte auch dann noch zur Tür, als Stella zu mir aufschloss. Die Küche hatte ich kaum wahrgenommen. Gar nichts mehr. Da war bloß dieses Mädchen, was mich wohl oder übel loshaben wollte. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn alles gepasst hätte. Meine Gedanken entfernten sich Stück für Stück. Ich wollte keinen Stress. Und erst, als eine Stimme in mein Ohr drang, zuckte ich zusammen. »Alles okay?«, fragte Stella mich vorsichtig. Prompt fühlte ich mich extrem fehl am Platz. Das bemerkte auch sie. »Ich wollte nicht, dass du das zwischen mir und Josh mitbekommst. Wir haben da eine kleine Meinungsverschiedenheit und ich bitte dich bloß um einen einzigen Gefallen. Der wäre einfach nur, dass du dich von ihm fernhältst. Bitte.« Jedoch ging mir das erst einmal am Arsch vorbei, denn das Einzige, was mich interessierte, war dieses Mädchen, was ein Problem mit mir zu haben schien. Weswegen auch immer.

»Warum?«, fragte ich trotzdem, um mich etwas mehr ins Hier und Jetzt zu ziehen. Ihre Stimme wurde nach meiner Frage plötzlich fester und kühler, als sie sprach: »Weil er dir nicht guttun würde. Mach einfach, was ich dir sage. Es ist nur zu deinem Besten.« Ich zuckte mit den Schultern. Definitiv würde ich nicht nach ihrer Pfeife tanzen, aber ich musste mich bemühen, wenn ich hierbleiben wollte, denn ich hatte Angst, dass Stella etwas gegen den Strich ging. Würde sie mich wieder herausschmeißen, dann wäre ich komplett am Arsch. Nun besaß ich ja nichts mehr. Dieses Haus sollte nun mein neues Leben sein. Ich brauchte eine Bleibe und das hier war besser, viel besser, wie gedacht.

»Wenn du meinst«, murmelte ich stattdessen und sah Josh, wie er gerade am Fenster vorbeilief. Er war noch immer wütend. Die Hände zu Fäusten geballt, sodass die Knochen weiß hervortraten. Seine Muskeln angespannt, was ihn extrem breit aussehen ließ. So, als platze er jeden Moment vor Wut. Dadurch bekam man echt Angst. Im Dunkeln wollte ich ihn mit dieser Laune nicht unbedingt begegnen.

Prompt fiel mein Blick zurück auf Stella. Sie beobachtete ihn genauso, wie ich. Ihr Gesicht war ebenso zu einer Maske verzerrt, aber da war mehr. Viel mehr. So schaute man sich nicht an, wenn einem der Mensch egal war. Womöglich erfuhr ich auch noch mehr über die beiden und warum sie sich nicht leiden konnten, doch fast glaubte ich gar nicht daran. Um ehrlich zu sein, hatte ich echt Wichtigeres zu tun, als mich um die Beziehungsprobleme anderer Leute zu kümmern. 

Unvermittelt kam mir aus diesem Grund wieder das Mädchen von gerade eben in den Sinn. Auf so ein Problem war ich nämlich in keiner Weise vorbereitet. Sie schien hier zu wohnen und konnte mich jetzt schon nicht leiden, obwohl ich ihr weder jemals zuvor begegnete, noch dass ich ihr etwas getan hatte. Dabei lebte sie nun einmal hier. Wir mussten miteinander klarkommen. »Sag mal, dieses Mädchen...«, begann ich. »Was hier lebt...« Ich musste Stella darauf ansprechen. 

»Du meinst Viola? Du hast sie schon gesehen?«, überlegte sie laut. Die Brauen zogen sich tief in ihr Gesicht und sie schüttelte sich die roten Haare etwas nach hinten. Sie wirkte sichtlich nervös. Gab es da doch ein Problem in dieses Haus zu ziehen? Und wenn ja, warum? »Wer ist das?«, musste ich wissen und nahm, ohne Aufforderung, auf einem Stuhl am Tisch Platz. Dieses dumme Herumgestehe machte mich nur noch verrückter. »Sie ist meine Schwester. Ignoriere sie einfach. Sie wird sich schon wieder einkriegen. Das ist alles nicht so leicht. Vor allem, das mit deiner Ankunft.« Ist es das?

»Hast du ihr denn nichts gesagt?« Dann verstand ich sie nämlich. Ich würde auch nicht wollen, dass eine Wildfremde einfach so in mein Haus kam und dann auch noch einzog. »Sie wird sich schon daran gewöhnen. Mache dir da mal keinen Kopf. Außerdem wirst du sie kaum bemerken. Sie ist gerade in der elften Klasse. Ihre letzten Zensuren waren nicht gerade prickelnd. Deswegen habe ich sie zum Lernen verdonnert; weswegen sie zwar noch mehr schlechtere Laune haben wird, aber umso öfter wird sie sich verziehen. Du wirst sie wirklich kaum mitbekommen. Und wenn, ignorierst du sie.« Wenn es nur das war... Musste man einen Menschen so bescheuert behandeln, nur weil man sein eigenes Leben nicht auf die Reihe bekam? Nein, oder täusche ich mich da.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt