Kapitel 26

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Es ist gefährlich, anderen etwas vorzumachen, denn es endet damit, dass man sich selbst etwas vormacht.


Auf der Stelle ließ ich von Duncan ab und zuckte zusammen. Auch er machte sich schnellstmöglich von meinem Körper los und mich umschlang eine innerliche Trauer, die ich nicht beschreiben konnte. So, als wäre jemand gestorben. Das fühlte sich echt irritierend an. War das nun immer so? Eilig hob ich mit roten Wangen mein Handtuch auf und bedeckte meine Blöße, sodass mir niemand etwas abgucken konnte. Die Sache erwischt zu werden, war schon etwas peinlich. Erst recht nachdem was da alles zwischen River und mir passierte. Schließlich starrte ich in die grünbraunen Augen von Josh. »Was machst du denn hier?«, räusperte ich mich nervös.

»Was macht ihr hier?«, fragte er stattdessen. »Eigentlich bin ich wegen dir hier. Ich wollte wissen, wie es dir geht« und sein Blick fiel auf mein Gesicht. Er war besorgt, doch wusste haargenau was da gerade zwischen Duncan und mir geschah. »Ich... mir ist das Handtuch heruntergefallen«, stotterte ich errötend, weil die Sache nicht nur peinlich, sondern auch vollkommen irre war. Ich kam mir gegenüber Josh schon ein bisschen blöd vor, eben weil River mich noch bis vor wenigen Stunden töten wollte und nun hing ich wie eine Verrückte an seinem Hals. Ich verstand es ja nicht mal selbst. »Das sehe ich«, gab er zurück und starrte unverwandt seinen Bruder an. Warnend, aber doch wissend.

Duncan zog sich wieder etwas zurück und sagte auch nichts dazu, obwohl sein Gesicht verbissen wirkte. Keine Ahnung, ob es daran lag, dass es vielleicht doch ein Fehler zwischen uns beiden gewesen ist, oder wir nur bis dahin kamen und nicht weiter. Für mich hingegen war das Auftauchen von Josh schon ziemlich gut. Irgendwie dankte es zumindest mein Verstand, obwohl mich mein Herz regelrecht dafür prügeln wollte. Es wollte Dan, fand es scheiße, dass wir gestört wurden und es musste Duncan unbedingt wieder so nahe sein wie zuvor. Auf der anderen Seite fühlte ich mich ertappt; als hätte ich etwas Verbotenes getan. Das alles war so unwirklich. Niemand würde sich zu einem Mörder hingezogen fühlen, aber Josh sah mich nicht einmal komisch an.

Meine Wangen wurden trotz alledem stetig roter. Es wäre besser irgendetwas zu sagen, um die Situation aufzulockern, doch Duncan kam mir zuvor. »Ich gehe dann mal«, murmelte er lediglich und es brachte mich noch mehr durcheinander. Er hingegen kratzte sich verlegen am Hinterkopf, wobei seine braunen Haare wirr nach oben standen. Fast hätte ich geschmunzelt, denn das passte einfach nicht zu ihm und machte diesen Mann irgendwie... menschlich und schon verdammt süß. Dann war er auch schon verschwunden und ließ mich einfach so zurück. Ohne ein weiteres Wort.

Natürlich störte mich das extrem, auch wenn ich es nicht zugeben wollte, aber womöglich war es auch irgendwie besser so. Immerhin konnte ich nicht mehr klar denken. Er in meiner Nähe? Das machte mich verrückt. Nach dieser Aktion wurde es bloß noch schlimmer. »Tut mir leid!«, flüsterte ich nun zu Josh. »Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Ich kann es verstehen. Du kannst einfach nichts dafür«, lächelte er traurig. »Nur lass dir nicht wehtun oder dich kaputtmachen. Du bist ein echt liebes Mädchen. Es wäre wirklich schade drum. Immerhin weiß ich, wie er sein kann, was du ja nun auch schon miterleben musstest. Es wird schwierig werden ihm so aus dem Weg zu gehen, aber versuche es zumindest ein bisschen.«

Leidlich biss ich mir, nach seinen Worten, auf die Unterlippe und kaute darauf herum, bis ich sprach: »Es wird nicht noch einmal passieren. Dafür werde ich sorgen.« Auch wenn ich probierte mit einer harten, ruhigen Stimme zu reden, lachte Josh dennoch auf: »Das glaube ich kaum« und er lief, ohne Aufforderung in mein Zimmer. Natürlich folgte ich ihm still. Als wir dort ankamen, drehte er mir gleich den Rücken zu, ohne etwas zu sagen, doch ich wusste sofort worum es ging. So konnte ich mir nämlich ein paar Klamotten überziehen und hatte endlich das elende Handtuch von meinem Körper. 

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt