Kapitel 69

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Tue immer genau das, wovor du dich fürchtest! 


Gary begann mich sofort zu stützen, weil augenblicklich meine Knie nachgaben. Plötzlich war das Gefühl des Schmerzes in meinem Bein komplett irrelevant. Lächerlich, wenn man daran dachte, mir noch zuvor über so eine Nichtigkeit den Kopf zu zerbrechen. Denn etwas raubte mir den Atem und tat viel extremer weh, als alles andere auf der Welt. Dieser war nicht zu ertragen und irgendwie kam ich mir vor, als wäre ich kaum noch in der Lage mich überhaupt auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Ich war mir sicher, dass Duncan nicht tot war, aber er schien mehr als nur verletzt zu sein und ich wusste auch sofort, dass die ganze Sache mit Jonathan schief ging. »Was ist passiert?«, eilte nun Viola ebenso zu mir und hielt mich an der anderen Schulter fest.

Irgendwie tat es gut, nicht ganz allein zu sein, doch prompt drückte ich die Knie durch und versuchte so standhaft wie möglich zu werden. »Duncan!«, hauchte ich, probierte mich aus dem Griff der Beiden zu lösen und schnappte mir schnellstmöglich eine Jeans und einen Kapuzenpullover. Natürlich zog ich mir alles so schnell wie möglich über, sah allerdings kaum noch etwas vor meinem Gesicht, da ein nebliger Schleier meine Sicht immer mehr und mehr versperrte. Es waren meine Tränen, die sich nicht aufhalten ließen.

»Ich muss sofort zu ihm. Da stimmt etwas nicht.« Allerdings bemerkte ich auf der Stelle das Zögern von Gary und Viola. Als kurz darauf noch ein weiterer Mann im Türrahmen stand, wusste ich augenblicklich, was er bei uns wollte. Durch seine Worte wurde ich nun auch noch in meinem Denken bestärkt. Er war aufgewühlt, durcheinander und gehetzt. »Was nun? Wir sollten endlich hier verschwinden.« Sein blondes kurzes Haar stand etwas vom Kopf ab und die blauen Augen sahen uns einen nach dem anderen erwartungsvoll an. Ich schluckte schwer. »Es bleibt bei der Planänderung«, warf ich in den Raum. »Wir fahren zu River!« und ich sah, wie sich der junge Mann schlagartig versteifte.

Ich kannte ihn mittlerweile und wusste genau, dass er Dylan hieß. Er war der Gefährte von Rosie und dem Zwillingspärchen Jasmin und Jason. Kurz huschte ein schlechtes Gewissen durch meinen Körper, weil ich ihn ungewollt von seiner Familie fernhielt und seine dunkle Stimme erfüllte erneut den Raum, weswegen ich ihm meine Aufmerksamkeit für einen Wimpernschlag schenken musste. »Ich versteh das nicht... River hat...« Ja, das hat River, doch ich lasse ihn nicht sterben.

»Egal was River will. Er ist nicht hier. Jetzt wird das gemacht, was ich sage oder ihr geht. Das ist mir egal. Eure Entscheidung!«, pampte ich auf der Stelle, weil mir plötzlich alles auf einmal extrem gegen den Strich ging. Die ganze Sache wuchs mir über den Kopf. Ich war doch auch irgendwo bloß ein Mensch. Warum konnte mein Leben dann nicht endlich mal in normalen Bahnen verlaufen? Es kotzte mich nicht nur an, dass Duncan ohne ein weiteres Wort verschwand, sondern jeder auch noch im Endeffekt das tat, was er wollte. »Wir können nicht zulassen, dass du dorthin gehst. Nicht mit und auch nicht ohne uns. Was wenn dir etwas passiert? Du solltest anfangen langsam nicht mehr nur an dich zu denken«, äußerte sich Dylan kühl.

Auf Anhieb war mir klar auf was er es bezog, doch es ging nicht anders. Natürlich wollte ich nicht, dass meinem Baby etwas passierte und auch wenn ich mich mit dem Gedanken noch nicht richtig angefreundet hatte, dachte ich trotz dessen daran. Aber meine Wölfin würde es niemals zulassen, dass etwas geschah; konnte aber auch nicht damit leben ihren Mate nicht geholfen zu haben. Es ging nicht. Auch wenn ich mich gegen dieses Tier in mir wehrte. Sie ließ nicht zu, dass ich flüchtete. Deswegen stand meine Entscheidung eindeutig fest.

»Ich werde gehen!«, brüllte ich lautstark und spürte, dass sich nicht nur meine Augen in ein intensives Rot veränderten, sondern auch meine Stimme eindringlich und mächtig wirkte. Hätte ich Zeit gehabt das zu analysieren, wäre ich definitiv zusammengezuckt, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich musste endlich aus diesem Haus kommen. Unverzüglich sah ich, wie Viola den Kopf senkte. Gary starrte mich regelrecht fassungslos an und Dylan schien langsam unentschlossen zu werden, nachzudenken mir nicht doch zu helfen.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt