Kapitel 25

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Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es.


Ich schaffte gezwungenermaßen ein halbes Stück Pizza. Gerade so. Duncan erinnerte mich ständig daran zu essen, aber Stella ermahnte ihn immer wieder in einem ruhigen Ton, dass er mich in Ruhe lassen sollte. Es war schwer. Mein Magen knurrte zwar extrem, doch es ging nicht. Wenigstens reagierte er nicht so sauer wie sonst, sondern sagte dazu lieber gar nichts. Ursprünglich wollte ich mit Stella eigentlich eine DVD gucken, aber irgendwie hatte ich keine Muse mehr darauf. Außerdem taten mir ziemlich die Knochen weh. Wäre River nicht da, hätte ich mich vielleicht doch dafür entschieden. 

Sicher wäre es auch eine Ablenkung von meinen schweren Gliedern gewesen. Aber mit ihm gemeinsam? Das wäre einfach zu »normal« und passte weder zu der Situation, noch zu diesem Mann. Das ganze Bild wäre komplett unwirklich. Schon der Gedanke daran absurd. Duncan war eher einer der Stunk suchte, aber nicht mit dem man einen Film schaute. »Ich werde nach oben gehen!«, murmelte ich nachdenklich und wollte mich gerade auf und davon machen, als Stella begann: »Ich dachte wir wollten noch...« Dass sie es nicht vergaß, konnte ich mir denken.

»Nee. Lass mal«, unterbrach ich ihren Satz auf der Stelle und winkte müde ab. Ohne ein weiteres Wort trottelte ich schließlich die Stufen nach oben hinauf. Ich war so froh, wenn ich endlich im Bett lag und beschloss mich noch kurzerhand ins Badezimmer aufzumachen. Eine heiße Dusche ist genau das richtige für meinen Körper. Vielleicht war es auch so möglich nicht mehr an diesen Mann zu denken. Jeder Gedanke an ihn war nämlich verschwendete Zeit. Er interessierte sich nicht für mich und ich mich nicht für ihn. Basta.

Bestimmt eine Stunde stand ich unter der Brause und genoss das heiße Wasser auf meiner Haut. Als ich wieder aus der Dusche stieg und mich abtrocknete, konnte ich einfach nicht anders. Ich musste die ganze Zeit an Duncan denken, trotz dass ich versuchte es zu verhindern. Vor allem aber an diesen Traum. Er in mir. Diese Empfindungen; was er in mir auslöste; es war nicht real; niemals passiert und doch kam es so wahnsinnig echt rüber. Innerlich beruhigte mich das selbstverständlich überhaupt nicht. Es erschreckte mich eher. Weshalb fühle ich bloß so? Warum? Das ergab doch alles keinen Sinn.

Nur ganz nebenbei wischte ich kopfschüttelnd den beschlagenen Spiegel wieder sauber. Außerdem wollte ich mein Gesicht sehen und so ging das ja schlecht. Meine Augen wirkten müde und matt. Ich war echt im Arsch und brauchte dringend richtigen Schlaf, keine komischen Träume und kein schlechtes Erwachen irgendwo im Wald. Das brauchte ich nicht. Schnell putzte ich mir im Anschluss noch die Zähne, beugte mich nach unten, um meinen Mund auszuspülen; hielt aber kurz inne, weil ich dachte etwas gehört zu haben. Natürlich zuckte ich dabei zusammen und bekam prompt Schiss. Ich war mir sicher, dass ich mich nicht mehr allein in diesem Raum befand. Die Temperatur kühlte extrem ab, trotz der dampfenden Hitze, und meine Glieder wurden bewegungsunfähig. 

Unvermittelt drehte ich mich eilig herum. Ich musste wissen, was da vor sich ging... Aber... Da ist gar nichts. Verdammt. War ich echt so bescheuert? Begann ich langsam freizudrehen? Das war doch irre. Trotz alledem spürte ich etwas. Es ließ sich nicht beschreiben. Ich drehte echt am Rad. Ich brauchte Ruhe. Am besten für eine ganze Weile. Diese Stadt machte mich wirklich konfus. Seufzend drehte ich mich wieder nach vorn, kreischte aber im gleichen Moment auf. Da war wieder dieses nicht unbekannte Bild. Fuck. Die roten Augen. Sie waren tatsächlich da und starrten mich unverwandt an, wollten mich nicht mehr loslassen.

Erschrocken taumelte ich nach hinten; starrte trotz dessen noch immer in den Spiegel, konnte den Blick nicht abwenden. Ich war verrückt. Eindeutig. Gab mir jemand heimlich Drogen? Musste ich möglicherweise zu einem Psychologen? Es war Tatsache, dass etwas mit mir nicht stimmte. Doch was? Langsam setzte sich das Gesicht sogar nach und nach im Spiegel zusammen. Umso länger ich darauf starrte, umso mehr erkannte ich nichts anderes außer mich? Natürlich schritt ich sofort wieder näher und verringerte den Abstand zu mir selbst. War das wirklich ich? Nein. Das war... Nahm ich doch ungewollt komische Substanzen zu mir? Anders konnte ich mir das nicht erklären.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt