Kapitel 87

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Besser im Kampf zu sterben, als ein Leben als Sklave!


Mein Kopf war irgendwie ausgeschaltet. Kein Funke Hoffnung lag in mir. Ich konnte es nicht fassen, dass da dieser Mann, den ich hier als erstes mit kennenlernte, vor mir zusammensackte. Mit stockendem Atem ging er in die Knie und hauchte bloß noch fast lautlos: »Lauf weg!« Stetig mehr Tränen sammelten sich in meinen Augen, sodass ich kaum noch etwas erkennen konnte. Unfassbar und total verstört taumelte ich schließlich etwas nach hinten. Wieder näher zu den Flammen, obwohl ich bei Gary bleiben wollte. ich konnte ihn doch nicht in diesem Flammenmeer allein lassen. Dennoch war ich nicht unwissend. Sofort war klar, dass ich ihn nicht helfen konnte.

Ich schluckte schwer, wusste nicht, was ich tun sollte. Garys Hände umklammerten anbei die breite Scheide die aus seiner Brust herausragte. Diese ganze Szenerie sah wie in einem schlechten Film aus. Konnte so etwas wahr sein? Wo war ich bloß hineingeraten? Salzige Tränen kullerten über meine Wangen, vermischten sich mit dem Ruß des Feuers, aber die Hitze hinter mir, war komplett verpufft, da sich die Trance in meinem Inneren noch mehr ausbreitete. Träge nahm ich die Hand von meinem Mund. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich sie mir auf die Lippen presste. Wahrscheinlich war es der Schock. 

Langsam sank diese nach unten, wobei ich die anderen Finger nach vorn streckte, denn auch wenn er nur ein Freund war, tat es mir extrem weh und die Tränen verschlechterten unaufhaltsam meine Sicht. Noch bevor Gary auf den trockenen Waldboden aufschlug, wurden seine Augen leblos, blieben jedoch geöffnet. Wie in Zeitlupe kippte schließlich zugleich sein Körper schlaff nach vorn über und blieb liegen. Bitte lass das alles nicht passieren. Bitte. Bitte. Meine Gedanken schlugen immer wieder in diese eine Richtung aus. Das Duncan noch nichts zu dem Zeitpunkt geschehen war, war nicht schwer zu erraten, denn das hätte ich eindeutig gespürt. Nun trat erst einmal Gary in den Vordergrund, was mir einen verzweifelten Blick einbrachte. Der Schmerz war zwar nicht mit meinem Gefährten zu vergleichen, dennoch tat es furchtbar weh.

Am liebsten hätte ich geschrien, aber wie? Erstens war ich regelrecht erstarrt und zweitens dufte ich das nicht, sonst wusste man erst recht, wo ich mich befand. Zweifelsohne musste allerdings das lange Schwert ja von jemandem stammen. Nur ganz nebenbei machte ich nackte Zehen aus. Diese vergruben sich im Dreck, blieben ungeachtet dessen stehen. Meine Augen wanderten suchend etwas nach oben. Am Ende seiner Jeanshose angekommen, sah man einen durchtrainierten Oberkörper. Durchaus aber auch genügend Blut und Schnittwunden darauf. Tief klafften diese und ich wusste, dass auch dieser Mann, der mich um Einiges mehr überragte, nicht gerade leicht verletzt war. 

Nichtsdestotrotz sah er so aus, als hätte er immer noch den Willen unendlich viele Leben zu zerstören und zu nehmen. An seinem Gesicht angekommen, schaute ich auf schmale Lippen. Eine Nase, die so breit war, als wäre sie schon unzählige Male gebrochen gewesen. Und dann diese Augen. Schwarz wie die Kohle. Man konnte nicht mal den Unterschied zwischen Iris und Pupille erkennen. Es war schon richtig gruselig und eine Gänsehaut huschte trotz der Hitze über meine Haut. Ich schluckte schwer, wusste nicht, was ich tun sollte. Das Schwert in Garys Körper steckte noch immer in seinem Brustkorb, aber das war sowieso relativ, wegen des fremden Typen, der mich sicherlich nur fangen wollte.

Postwendend kam es mir jedoch nicht wirklich so vor, als gäbe es ein Erbarmen für mich. Er hätte mich lediglich auch halb tot prügeln können und ich wäre sicher da, wo er mich haben wollte. Hauptsache ich bin am Leben. So wie es aussieht, wird das auch so ablaufen, wenn ich mich nicht schleunigst von Acker mache. Kurz huschte mein Blick noch einmal zu Gary. Sein Kopf lag nun seitlich, aber ich konnte sein Gesicht eindeutig erkennen. Die aufgerissenen Lider, die zeigten, dass kein Lebenshauch mehr in ihm steckte. Frustrierend. Es war schlimm zu wissen, dass wir nicht einfach heilen konnten und weiterlebten. Zumindest nicht nach so einer Verletzung. Mir war auch bewusst, dass es auf der Stelle sein Ende war.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt