Kapitel 60

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Nicht der Verstand entscheidet, was der Mensch sucht, sondern die Sehnsucht seiner Seele.


Mit schweißnassem Körper erwachte ich mitten in der Nacht. Ich hatte die ganzen Stunden durchgeschlafen und berührte mit zitternden Fingern meinen ausgetrockneten Hals, dabei suchte ich im Dunkeln die Wasserflasche neben dem Bett. Kurz dachte ich an Duncan. Wie gern wäre ich in diesem Moment bei ihm, doch noch immer war ich hier bei seiner Mutter, nicht allzu weit entfernt von seinem Haus. Augenblicklich wurde mir aber immer komischer. Mein Körper fühlte sich eigenartig an. Verdammt, was ist nur mit mir los? Dieses Gefühl war einfach nicht zu beschreiben.

Mittlerweile war schon eine Woche vergangen. Die ganzen Tage hatte ich River nicht ein einziges Mal gesehen und es machte mich fast krank. Er hielt es allerdings auch nicht für nötig sich zu melden. Er und seine Sturheit. Wenigstens hatte ich mich an diesem Tag verwandelt. Wir alberten mit den Zwillingen herum und es war echt toll. Und schon jetzt freute ich mich, wenn ich erneut in den Körper meiner Wölfin steckte, aber meine Gedanken streiften sofort wieder zu Duncan.

Er hatte mich nicht einmal versucht im Kopf zu erreichen. Ich selbst, war mir allerdings ebenso etwas zu stolz, auch wenn ich immer wieder hin und her überlegte doch zu ihm zu laufen. Nachdem ich die Flasche absetzte, seufzte ich auf, denn es beruhigte mich in keiner Weise. Innerlich war ich plötzlich extrem aufgewühlt und diese Empfindungen schienen auch nicht abzuklingen. Ganz im Gegenteil.

Deswegen stand ich auf und trat zum Fenster. Ich blickte nach draußen, sah in den bewölkten Himmel. Am Firmament erkannte ich nur grau über graue Wolken. Keine Sterne. Keinen Mond. Alles wurde verdeckt. Draußen stürmte es extrem, sodass sich die Bäume bogen und die Blätter im Wind tanzten. Vielleicht lag meine Unruhe ja daran. Mein Blick fiel erneut auf die Uhr an der Wand. Es war genau Mitternacht. Im Haus war es komplett ruhig und alle schienen zu schlafen. Ich hingegen war vollkommen wach.

Trotz dessen legte ich mich wieder hin, aber es brachte mir rein gar nichts. Ich wälzte mich nur sinnlos hin und her. Meine Wölfin war auch komplett unruhig, was mich irritierte, denn ich wusste, dass mit River alles in Ordnung war. Kurzerhand beschloss ich mich auszuziehen und zu verwandelt. Vielleicht half das ja etwas gegen die Nervosität. Möglicherweise wollte das Tier in mir einfach nur raus.

Es tat zwar noch immer ein wenig weh, aber nicht mehr allzu sehr. Man konnte in der Stille bloß meine Knochen brechen hören und ein leises Keuchen meinerseits, wobei ich mich sofort auf den kühlen Boden legte, der mich etwas beruhigen sollte, aber nichts da. Ich musste hier raus. Auf der Stelle. Ich sprang augenblicklich auf meine vier Pfoten, suchte den Weg nach unten und beschloss wenigstens vors Haus zu gehen.

Klar standen dort überall Wachen, aber ich konnte ja wohl mal vor die Tür und es schien auch niemandem etwas auszumachen. Draußen tapste ich aufgebracht im gemächlichen Tempo hin und her, doch auch das machte mich nicht ruhiger; brachte mich nicht herunter. Verdammt, was ist das? Ich ließ mich zugleich auf den frischen Boden plumpen, wälzte mich unwillkürlich auf der Wiese herum und hatte noch immer keine Ahnung, was das bedeutete. Es war wie ein Zwang.

Leise winselte ich auf, steckte meine schwarze Schnauze in flache Grashalme und schmierte meinen Kopf auf dem Rasen entlang. Als es noch anfing zu regnen, kümmerte mich das ebenso nicht in Bohne. Auch das half nämlich nichts. Schlagartig durchflutete mich allerdings eine extreme Welle von Gefühlen, was meinen menschlichen Verstand ausschaltete. Ich sprang wieder auf alle Vier und rannte blitzartig los. Die Krallen meiner Pfoten bohrten sich kräftig in die Erde. Mein Schwanz schlug wild um sich. Der rote Schleier vor meinen Augen verdichtete sich. Und bevor ich es mir versah, stand ich schon vor dem anderen Herrenhaus, wo Duncan schlief.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt