Vielleicht bin ich tot. Vielleicht wird da nie noch was sein. Die Lebenden werden in ihrer Welt weitermachen – sich berühren, gehen. Und ich werde in dieser leeren Welt bleiben und lautlos gegen die Glasscheibe zwischen uns pochen. (aus dem Buch "Bevor ich sterbe")
Meine Glieder fühlten sich an, als riss mir einer diese mit voller Wucht heraus. Mein Herz zerbrach in tausend Teile und ich konnte es nicht mehr zusammenhalten. War es jemandem überhaupt möglich das zu tun? Der elende Schmerz und diese unendlichen Qualen ließen mich nicht nur nach rechts und links taumeln. Nein. Wenn man es so nahm, war ich gar nicht mehr dazu im Stande überhaupt noch etwas zu spüren. Die Gefühle überschwemmten mich; zerstörten mich immer wieder ein Stückchen mehr. Ich konnte nicht mehr. Wollte ich das überhaupt noch? Nicht wirklich. Überhaupt nicht. In keiner Weise.
Ich stützte mich wehmütig an der kalten Wand ab. Meine Fesseln waren gelöst und es war mir nicht möglich überhaupt richtig zu sehen, so sehr waren meine Augen geschwollen. Hatte ich geweint? Mit Sicherheit. Aber wie lange? Mein Zeitgefühl schien komplett verschwunden zu sein. Tag oder Nacht... Ich hatte keine Ahnung und um ehrlich zu sein, konnte ich darauf echt scheißen. Klagend und wimmernd sank ich auf den Boden, da es mir nicht möglich war, mich überhaupt noch irgendwie auf meinen Beinen zu halten. Sie waren so dürr geworden. Kaum noch Fleisch daran. Nichts mehr außer Haut und Knochen.
Dumpf fiel mein Kopf auf den harten, aber dennoch feuchten Untergrund. Verschwommene Bilder machten sich von meinen Augen breit. Dunkle Stiefel, die wie aus dem Nichts aus meinem Sichtfeld verschwanden und mich in meinem eigenen Elend versinken ließen. Sonst konnte ich nichts weiter erkennen, außer die kleinen Steinchen und unbequeme Wurzeln, die mir noch mehr Schmerzen zufügten. Meine Kehle fühlte sich ausgetrocknet an. Es war mir nicht möglich zu schlucken. Es war mir nicht mal möglich etwas zu sagen, obwohl ich es versuchte. Ich konnte mich noch daran erinnern, dass ich geschrien hatte. Immer und immer wieder. Keiner kam mir zur Hilfe. Niemand. Weder jemand aus dem Rudel von Duncan; noch er selbst.
Das klaffende Loch in meiner Brust, als man mein Herz herausriss, pochte unaufhaltsam. So sehr, dass es alles vereinnahmte. Die körperlichen Qualen gingen dennoch stetig mehr zurück. Das andere wiederum schien bloß noch zu existieren und mich in meine persönliche Hölle zu schicken. Wie ich mich in diesem Moment fühlte, konnte ich nicht beschreiben. War das überhaupt möglich? Wenn man sich in einem endlosen Strudel des Wahnsinns befand, konnte man da überhaupt noch klar denken? Ich wusste nicht mehr wo hinten und vorn war und... so sehr wünschte ich mir den erlösenden Tod herbei. Wie er sich wohl anfühlte... Wäre er eine Befreiung für mich, oder doch noch schlimmer, als das was ich schon durchmachen musste? Fand ich endlich meinen Frieden?
Ich kratzte mit meinen abgekauten Fingernägeln auf dem Boden herum, ergriff Dreck und zerdrückte diesen mit meiner Handfläche, bis es eine kühle ekelhaft klebrige Masse war, denn die Wärme in mir war schon längst entschwunden. Erneut probierte ich etwas von mir zu geben, aber nichts durchdrang meine Lippen, außer ein Stöhnen, was wohl niemand weiter hörte. Die Schritte entfernten sich stetig mehr und ich wusste, dass ich allein gelassen wurde. Mein Verstand sagte hingegen, ich sollte mich unbedingt aufrichten, aber mein Körper ließ das nicht mehr zu. Ich konnte mich kaum noch bewegen und dieses ständige dumpfe Schlagen meines Herzens, drang ohrenbetäubend durch meinen Schädel. Ich war schwach. Noch niemals zuvor in meinem Leben hatte ich mich so zerstört gefühlt.
Eine Last, die mich erschlug; ließ mich auch nicht wieder nach oben kommen. Ich hatte alles zerstört. Wäre ich doch niemals auf die Welt gekommen, dann wäre alles anders gelaufen. Die Menschen, die ich als Eltern kannte, wären noch da und hätten womöglich ein zwar einsames Leben, lediglich zu zweit geführt, aber sie wären dort, wo sie hingehörten und nicht unter der Erde. Duncan war auch weg. Ich wusste es. Ich spürte, dass er nicht mehr hier war. Und ich ging an diesem innerlichen Schmerz zugrunde. Niemals konnte ich ohne meinen Gefährten überleben. Wie auch? Er war mein Anker. Mein Halt. Ich brauchte ihn. Warum war das alles passiert? Hätte ich doch nie einen Fuß in diese gottverdammte Stadt gesetzt. Dann wäre auch er noch existent; wäre vielleicht noch immer ein Arschloch, aber er würde noch leben.
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White Moon - Kiss of the Wolf
WerewolfSpringlight Award 2020: Platz 2 in "Vampire / Werwölfe" Passion Award 2019: Platz 1 in "Zauberhafte Welten" Goddess Award 2018: Platz 3 in "Vampire und Wölfe" Desire & Lust Award 2017: Platz 1 in "Werwolf" Was würdest du tun, wenn alle um dich herum...