Kapitel 58

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Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel schwingt.


Ein lauter Krach, ließ mich nach oben fahren. Ich zuckte wie verrückt zusammen und saß auch schon kurz darauf im Bett. Scheiße, dachte ich. Woraufhin ich die Decke beiseite riss und mir schnellstmöglich etwas überwarf, da ich noch immer nackt war. Jeans und T-Shirt reichten voll und ganz aus. Als ich mich allerdings panisch umsah, erkannte ich, dass auf der anderen Bettseite niemand lag, was mich regelrecht in Angst und Schrecken versetzte, weil es von unten her klang, als schlug man Möbel zusammen, Scheiben zertrümmerten und Knochen brachen.

Auf der Stelle rannte ich zur Tür. Das erste an was ich dachte, war River. Geht es ihm gut? Was passiert da unten? Doch als ich die Klinke nach unten drückte, gab es einen Widerstand. Abgeschlossen? Ja. Sah ganz so aus. Natürlich rüttelte ich wie eine Irre daran herum, wusste aber nun auch nicht, was ich in diesem Moment tun sollte, da die Geräusche auch nicht weniger wurden. Ganz im Gegenteil. Verdammt.

Hatte mich Duncan wirklich mal wieder eingesperrt? Aber warum denn? Sofort spürte ich meine inne Wölfin. Ihre Präsenz war enorm und ich wusste auch, dass meine Augen begannen rot aufzuleuchten. Sie war unruhig und wusste genau, dass etwas nicht in Ordnung sein konnte. »Lasst mich raus!«, brüllte ich und rüttelte an der Tür herum. Sollte ich weiter schreien? Oder doch lieber den Mund halten, sodass mich niemand Fremdes wahrnahm?

Das sich jemand in diesem Haus befand, der nicht zu uns gehörte, wurde mir gleich bewusst, doch was war mit River und den anderen? Ich musste ihnen doch helfen. Auf der Stelle ging mir Jonathan durch den Kopf. Ist er hier? Wollte er mich doch schneller holen, wie gedacht? Vielleicht saß ich ja deswegen auch hier drin fest. Ich hatte null Plan, was nun die beste Entscheidung war.

Nervös rannte ich im Zimmer auf und ab, fuhr mir verzweifelt mit zitternden Fingern durch die Haare und wenig später kam mir eine Idee. Ich konnte mit Duncan doch im Kopf kommunizieren. Dann würde es auch sicher in diesem Moment klappen, oder? Nur wie? »Duncan? Was ist verdammt noch mal da unten los?«, versuchte ich ihn in meinen Gedanken zu erreichen. Das war eigentlich total bescheuert. Frustriert knurrte ich auf, als ich zuerst nichts hörte. »Heaven. Bleib auf jeden Fall in deinem Zimmer. Lass das Licht aus und verhalte dich ruhig.«

Schlagartig zuckte ich zusammen, war verwundert, dass das doch klappte. Ich schluckte den dicken Kloß in meinem Hals herunter und probierte das zu machen, was er von mir verlangte. »Was ist passiert?«, musste ich noch wissen. »Ist es Jonathan?« Etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen. »Das Rudel von ihm. Zumindest ein Teil davon. Er ist nicht dabei.«

Das konnte doch nicht wahr sein. Am liebsten hätte ich vor Wut losgebrüllt, aber das ging ja nun mal nicht. Ich musste wenigstens ein einziges Mal auf Duncan hören, wenn ich es sonst schon nicht tat. »Ihr werdet wegen mir angegriffen und du sperrst mich ein?«, hauchte ich in seine Gedanken und es drang zurück: »Es wird nur eine Drohung sein, Heaven. Beruhige dich. Es ist alles gut. Sie sind in der Minderheit und jetzt reiß dich zusammen und gehe ins Badezimmer. Versteck dich dort. Versuche so leise wie nur möglich zu sein. Wir sehen uns gleich wieder.«

Dann war der leichte Druck aus meinem Kopf verschwunden. Somit auch River. Ich wusste, ich war nun allein auf mich gestellt, doch ich hatte trotz dessen Angst. Es war schlimm. Die Sekunden kamen mir wie Minuten vor. Die Minuten wie Stunden. Noch nie hatte ich mich so gefühlt. So schwach und hilflos. River sperrte mich ein, damit ich keine Dummheiten machte und mir nichts geschah, aber das waren die kleinsten Sorgen. Sondern, dass ihm etwas passierte. Das machte mich am meisten irre. Kurz musste ich daran denken, wie er in mein Zimmer über das Dach bei Stella kam. Wir hatten nie groß über seine Wunden gesprochen, aber ich wusste sofort, dass es die Wölfe meines Vaters gewesen sein mussten.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt