Das Leben verlangt von uns oft, dass wir Dinge wegstecken, für die wir gar keine Taschen haben.
Ich habe Duncan ja schon oft erlebt. Wie er hasst, liebt und auch Schmerzen wegsteckt, als wäre ihm kaum etwas passiert, aber nun sah es anders aus. Es kam mir vor, als ließ er mich jeden Tag stetig mehr in sein Herz kriechen. Als zeigte er mir eine ganze andere Seite von sich. Entweder lag es an der Bindung zwischen uns oder er wurde tatsächlich etwas weicher. Jedoch war das in diesem Moment nicht der richtige Zeitpunkt, denn das machte auch ihn noch verwundbarer, als er so schon war. Trotz alledem genoss ich seine wunderbaren Berührungen und wie er mir sanft über den Rücken streichelte. Dabei vergaß ich vollkommen, dass er verletzt war. Der alte Pullover, den ich am Leibe trug, saugte sich mit Blut von seinem Oberkörper voll, kratzte geräuschvoll auf seiner Haut und womöglich tat es mir innerlich mehr weh, als ihm selbst, weil er nur daran dachte, dass ich mich wieder in seiner Nähe befand.
Keine Ahnung, wie lange wir so dastanden, aber niemand störte uns dabei, bis ich mich schließlich dazu entschloss mich von ihm zu lösten, seine Hand zu greifen und ihn in das Badezimmer zu ziehen, in dem ich sonst duschen ging und mich frisch machte, als ich noch hier wohnte. Er ließ es zu. Alles war so vertraut und trotzdem fremd. Es schien mich an ein anderes Leben zu erinnern, mit dem alles begann und was ich mir auf der einen Seite einfach bloß wegwünschte. Ich wollte nicht so etwas erleben. Nicht all den Schmerz und die Qualen, die ich in der letzten Zeit durchstehen musste. Nichtsdestotrotz konnte ich auch niemals ohne River sein. Er war meins. Ich seins.
Am Waschbecken angekommen, blickte ich mit Absicht nicht mein Spiegelbild an. Ich ertrug es definitiv nicht, weil ich wusste, dass ich schlimm aussehen musste. Automatisch bückte ich mich und holte einen sauberen Lappen aus dem Schrank darunter heraus. Duncans Wunden mussten versorgt werden, denn sie waren eindeutig schlimmer, wie meine. Der Kloß dabei in meiner Kehle wurde dabei stetig extremer, woraufhin er allerdings nichts sagte. Aber er beobachtete mich die ganze Zeit durch seine halb geöffneten Lider. Er bekam diese nicht einmal richtig auf, da sie so zugeschwollen waren. Das Zittern meiner Glieder probierte ich anbei unter Kontrolle zu bekommen. Zuordnen konnte ich es nicht. Lag es an der Angst, weil ich nicht wusste, wie es weiterging? Oder an der elenden Kälte, die sich in meinem Mark festsetzte?
Vielleicht konnte es aber auch sein, dass ich mich kaum in den Griff bekam, weil ich jeden Moment dachte Dan zu verlieren. Trotzdem gingen meine Bewegungen von ganz allein. Ich dachte nicht darüber nach und öffnete den Wasserhahn. Leise seufzte ich auf, als mich die Wärme um meine Finger einhüllte. Es war, als spürte ich dieses Gefühl zum allerersten Mal und konnte es kaum beschreiben. »Du musst das nicht machen?«, hörte ich hinter mir und spürte einen Körper. Er war kälter als sonst. Doch sofort verneinte ich. »Ich muss das machen.« Ich musste mich einfach darum kümmern. Um ihn. Um irgendwen. Hauptsache ich tat etwas Gutes.
Unverhofft spürte ich einen Wimpernschlag später eine Hand, die unter den ekelhaften Pulli kroch. Diese blieb auf meinem Bauch liegen und streichelte die kleine Wölbung unterhalb meines Oberkörpers. Augenblicklich schloss ich die Lider. Gott. Dieses Gefühl brachte mir eine Gänsehaut ein. Es ließ mich aufseufzten; regelrecht schwindelig werden und als ich plötzlich etwas in mir spürte, zuckte ich hart zusammen. War es wirklich so schnell gewachsen? Es war noch immer nicht fassen, dass da etwas in mir wuchs. Immerhin konnte ich mich kaum damit auseinandersetzten, dass ich schwanger war. In erster Linie mussten wir erst einmal lebendig aus dieser Hölle kommen.
Duncan streichelte weiter sanft über meine Haut und irgendwie kam es mir vor, als würde dieses kleine Ding auf seine Berührung reagieren. Nein falsch. Es reagierte definitiv darauf, was mich sogar leicht lächeln ließ. »Ich mache mir echt Sorgen um euch«, raunte Dan mit gebrochener Stimme hinter mir. »So viel Angst in meinem Leben hatte ich noch nie. Nicht, dass mir etwas passiert, sondern dir und unserem Kind!« Das sagte er mit so viel Inbrunst und Schmerz in der Stimme, dass ich fast begann zu weinen und langsam legte ich meine Finger auf seine. Zwar fühlte ich mich elendig müde, aber ich durfte die Hoffnung nicht aufgeben. »Und ich habe Angst um dich!«, wisperte ich, tauchte den Lappen erneut ein und löste mich dann von River, sodass ich mich um seinen Oberkörper kümmern konnte.
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White Moon - Kiss of the Wolf
WerewolfSpringlight Award 2020: Platz 2 in "Vampire / Werwölfe" Passion Award 2019: Platz 1 in "Zauberhafte Welten" Goddess Award 2018: Platz 3 in "Vampire und Wölfe" Desire & Lust Award 2017: Platz 1 in "Werwolf" Was würdest du tun, wenn alle um dich herum...