White Moon - Kiss of the Wolf

Kapitel 76

Glaube den Leuten nicht, die behaupten, niemals eifersüchtig gewesen zu sein. Sie haben in Wahrheit nie geliebt.

»Ich habe euch nicht herbestellt«, murmelte River und ich spürte genau, wie er probierte ruhig zu bleiben, aber jeder wusste auf Anhieb, dass er kurz davor stand an die Decke zu springen und komplett auszurasten. Zuallererst war ich die Person, die ihn auf die Palme brachte und nun Shane, nicht Clara. Ungeachtet dessen war nun die Lage ganz anders. Da Jonathan nicht vor ihm stand, musste er sich nicht entscheiden, wem er die Kehle herausreißen sollte, sondern wusste es in dem Moment, als er ihn roch. Selbstverständlich stand ich auch nicht gern bei Shane und um ehrlich zu sein, hätte ich ihn lieber tot gesehen, anstatt vor dem Haus von River. Nur was soll ich machen?

Mir hatte man eindeutig gelehrt, dass man seinen Gefährten liebte, egal was er zuvor machte. Und auch wenn Duncan mich schon wortwörtlich erwürgend wollte, bedeutete er mir trotzdem alles. Dieses Wolfsding verstand ich überhaupt nicht. War es aus diesem Grund nun richtig, für das was Shane mir zuvor antat ihn umzubringen? Was wäre dann mit Clara? Immerhin war das ihr Mate. Wurde er durch sie zu einem besseren Mann? Machte das die Vergangenheit somit wieder gut? Die Situation war echt verworren und so wie es den Anschein trug, konnte sich auch River nicht entscheiden; dafür spürte ich seine Gefühle viel zu sehr in meinem Inneren.

Frustriert fuhr er sich mit den Fingern durch das braune Haar, sah kurz auf mich herab und ballte dann die Hände fest zu Fäusten, sodass es lautstark knackte. Im Anschluss schaute er auf Clara. Ihr Gesicht war leicht gesenkt, weil sie wusste, dass sich Shane ihm eigentlich nicht gegenübertreten sollte. Sie wusste definitiv was zwischen mir und ihrem Gefährten passierte und dass das was er tat nicht zu entschuldigen war. Das sah ich ihr an. Natürlich fühlte sie sich aus diesem Grund schlecht. Dennoch durfte nicht vergessen werden, dass mich diese Frau rettete. 

Ihre blonden Haare trug sie in einem Pferdeschwanz und sie stand so nahe an ihrem Mate, dass man umgehend wusste, dass die beiden offiziell ein Paar waren. Einerseits war das kompletter Irrsinn, andererseits Schicksal für die beiden. Positiv wohl am meisten für Shane, da er solch eine Frau überhaupt nicht verdiente. »Was sagt dein Vater dazu?«, knurrte Duncan wie aus heiterem Himmel und ich sah, wie Clara sich noch weiter zu Shane stellte, der augenblicklich seine Hand um ihre Taille legte. »Was soll er schon sagen?«, gab sie angespannt zurück und machte sich schließlich doch etwas lockerer. In ihrer Haut wollte ich nicht stecken.

»Ich weiß, dass alles etwas... komisch ist. Nicht nur für euch, sondern auch für uns und es tut mir auch leid, was dir passiert ist...« und ihre Augen bohrten sich in meine hellen. Augenblicklich versteifte sich Duncan und ranzte: »Du willst mich doch jetzt nicht verscheißern, oder? Du hast dich nicht dafür zu entschuldigen, was er ihr angetan hat. Normalerweise wäre dieses Schwein schon längst tot. Das weißt du auch. Er verdient es zu sterben« und Rivers Muskeln spannten sich prompt hart an, obwohl er eigentlich noch verletzt war. Allerdings schien ihn das gar nicht mehr zu interessierten und mich im Moment auch nicht, da ich sofort meine Finger um seine schlang.

Flehend sah ich ihn an. »Was?«, blaffte er mich an. Natürlich verstand ich ihn. »Willst du ihn auch noch in Schutz nehmen? Vergiss nicht, was er mit dir gemacht hat.« Schlagartig zuckte ich sichtlich zusammen. Was soll das? Selbstverständlich vergaß ich es nicht. Musste er mich erneut daran erinnert? Es war so schon schwer für mich alles zu verarbeiten, obwohl wenn man es genau nahm, hatte ich das nie. Das Geschehene war immer präsent. Vielleicht befand es sich im Hintergrund, weil ich es verdrängte. Dennoch war es da. Ich verarbeitete bisher gar nichts. Trotzdem klappte es bisher, wenn ich nicht an den Vorfall dachte. Allerdings vergaß Duncan eines: Ich war dabei. Er nicht. Um mich ging es. Nicht um ihn.