Kapitel 59

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Manchmal musst du aufstehen und gehen, damit die Person auf der anderen Seite der Wippe auf den Boden fällt und merkt, wie du sie getragen hast.


»Ihr seid zu nichts zu gebrauchen. Zu überhaupt nichts!«, hörte man River durchs Esszimmer brüllen. Er war extrem angespannt. Ich hingegen stand abseits in einer Ecke und beobachtete ihn. Bei jedem Wort zuckte ich sichtlich zusammen. In diesem Raum waren mindestens dreißig Männer. Alle groß, stark und muskulös. Und jeder Einzelne hörte ihm trotz alledem aufmerksam zu. Josh stand genau hinter Dan. Gary hingegen befand sich in meiner Nähe. Duncan war komplett außer sich und dieses Verhalten war mir nicht unbedingt neu. Es sah nämlich aus, als würde er jeden Moment komplett durchdrehen. Wenn er etwas nicht bekam, was er unbedingt wollte, war seine Geduld am Ende, wobei ich ihn in dieser Hinsicht sogar etwas verstehen konnte.

»Ihr habt ihn einfach laufen lassen. Wisst ihr was das bedeutet? Er wird versuchen Heaven zu kriegen; sie zu schwängern. Es ist schon zum Kotzen, dass Jonathan einen Grund mehr hat uns zu töten und nun auch noch das? Ihr Nichtsnutze!« Seine Beleidigungen wurden von Mal zu Mal mehr und es sah auch nicht gerade so aus, als hörte er gleich wieder damit auf. Er putzte sie enorm herunter, sodass ich an ihrer Stelle schon längst einen Heulkrampf bekommen hätte, doch sie ließen sich dabei kaum etwas anmerken. Nur die Köpfe waren gesenkt, aber man spürte, dass er trotz dessen eine enorme Macht besaß. Das Zimmer schien regelrecht zu vibrieren.

Hinter ihnen tauchte dann plötzlich sein Vater auf. Er sah besser aus, bekam von Tag zu Tag immer mehr auf die Rippen, was ihn zugleich etwas gesünder wirken ließ. »Es ist gut«, sprach dieser leise, aber River wurde dadurch bloß noch wütender. »Sag mir nicht, was ich zu tun habe. Ich bin seit Jahren ihr Alpha. Ich habe die Männer stark gemacht und mich um sie gekümmert, als du es nicht konntest. Diese Luschen haben das zu machen, was ich ihnen sage, ansonsten wird es Konsequenzen geben und sie wollen nicht wissen, wie die aussehen.«

Nun ging er auch noch seinen Dad an. Eindeutig verletzte es ihn, doch er blieb hart. »Duncan!«, begann er sofort. »Nein. Nicht Duncan!«, schrie er sauer zurück und wurde nur noch breiter. Unsicher setzte ich mich in Bewegung. Wenn er sich nicht von jemand anderem beruhigen ließ, dann musste ich es probieren. Womöglich war es bei mir, als seine Mate, etwas ganz anderes. Deswegen wurden meine Schritte schneller, umso näher ich zu ihm kam. Als ich vor River stand, legte ich liebevoll eine Hand auf seine Brust und flüsterte: »Beruhige dich, Duncan. Es reicht!«, aber er schien mich kaum wahrzunehmen. 

Ungeachtet dessen gab ich nicht so einfach auf. Das brachte doch alles nichts. Shane war nun einmal verschwunden. Als ich seine Handgelenke ergriff und wisperte: »Hast du gehört?«, drehte er sich richtig zu mir, aber was dann kam, darauf war ich nicht vorbereitet. Ohne wahrscheinlich nachzudenken stieß er mich mit extremer Wucht, hart an der Schulter zurück, und so weit nach hinten, dass ich ziemlich taumelte und nur mit Mühe und Not auf den Beinen blieb. Luft wich aus meinen Lungen und sofort machte sich ein pochender Schmerz in meinem Körper bemerkbar. 

»Du hast mir gar nichts zu sagen. Verpiss dich aus meinem Blickfeld. Los!« Erschrocken wankte ich noch weiter zurück. Es verletzte mich, wenn er mich mies behandelte. Tränen sammelten sich schlagartig in meinen Augen. »Ich dachte, du hast dich geändert!« Meine Worte klangen stark, obwohl ich mich schwach fühlte. Nun war der Raum regelrecht komplett erstarrt. Man hätte eine Stecknadel hören können, wenn diese zu Boden gefallen wäre. Nur noch eine eingefrorene Stille. Natürlich war es nicht richtig, wenn man so mit seiner Mate umging. Darum drehte ich mich augenblicklich herum und stürzte buchstäblich in den riesigen Treppenflur. Hauptsache weg. 

Erst wusste ich nicht wohin, doch raus war das Beste. Außerdem war es schon hell. Ungeachtet dessen wollte ich wieder mal meine Sachen packen, aber ich unterdrückte das Gefühl. Man hörte nur noch etwas zu Bruch gehen und scharf sagen: »Passt auf sie auf.« Anstatt zu mir zu kommen und sich lieber zu entschuldigen, schickte er mir wie immer seine Köter hinterher, die auf mich achten sollten. Somit verletzte er mich natürlich nur noch mehr und das ließ ich ihn auch innerlich spüren, indem ich ihm eine Woge des Zorns und der Enttäuschung schickte. Klar, wusste ich, wie River sein konnte, aber es war schwer damit klarzukommen, wenn er mich wie Scheiße behandelte.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt