Kapitel 49

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Man denkt oft nicht daran, sich selbst zurückzuhalten: wer aber daran denkt, der lässt den Zorn erkalten.


Als ich in meinem Zimmer ankam, kochte ich nur so vor Wut. Sauer schmiss ich mich auf mein Bett und schrie wie eine Irre ins Kopfkissen hinein. Ich werde hier eindeutig verrückt. Kann das keiner verstehen? Dieser Wald war gruselig und nicht nur das: Man sieht immer nur das Gleiche. Tannen. Sträucher. Wiese. Dieses Haus. Verdammt. Es fühlte sich genau wie eine Mauer vor meiner Nase an. Dadurch bekam man irgendwann eine komplette Macke und das hatte ich schon.

Unvermittelt klopfte es wenig später an meiner Tür. Eilig rief ich: »Nein!«, weil ich meine Ruhe haben wollte, doch die Klinke wurde trotz dessen heruntergedrückt. Es war nicht Duncan. Eigentlich war ich erleichtert darüber, weil ich sauer auf ihn war. Andererseits enttäuschte es mich auch. Olivfarbene Augen musterten mich traurig, aber ich drehte den Kopf von ihm weg und verschränkte trotzig die Hände vor der Brust. »Josh... Ich will nicht reden. Also was willst du?« und auch, wenn ich ihn wieder von der Pelle haben wollte, lief er auf mein Bett zu und setzte sich auf die Kante.

»Verstehe ihn doch! Ich weiß, dass es schwer ist. Ich weiß auch, dass du dich eingesperrt fühlst...« Auf der Stelle unterbrach ich ihn allerdings. »Du weißt doch gar nicht, wie es ist. Ich will doch bloß ein bisschen Normalität haben« und ich biss mir nach meinen Worten hart auf der Unterlippe herum, sodass ich einigermaßen ruhig blieb. Ich war schon wieder kurz vorm Ausrasten. Das spürte ich klar und deutlich an meinem Körper, der sich in der letzten Zeit begann zu verändern. Ich fühlte diese Stärke in mir, die unbedingt das Licht erblicken musste. »Das wirst du irgendwann wieder haben«, äußerte er sich. »Aber wann denn bitte schön?« Jedoch sah ich es schon an seinem Blick. Es musste sich um eine Ewigkeit handeln. »Dann, wenn wir Jonathan getötet haben.«

Ich zuckte zusammen und sprang schlagartig nach oben. »Du willst mich jetzt verarschen, oder? Nicht, dass ich nicht will, dass dieses Monster komplett aus meinem Leben verschwindet, aber was ist mit euch? Habt ihr einen Plan? Was, wenn euch etwas passiert?« Josh blickte mir unergründlich in die Augen. Er versuchte selbst Worte zu finden. »Noch haben wir keinen Plan«, gab er zögerlich zu. »Doch wir werden uns etwas einfallen lassen und versuchen so wenig Wölfe wie nur möglich, aus dem Rudel, zu verlieren.« Und das war's? »Toll. Echt toll. Das ist alles nur ein Witz!«, ranzte ich und Tränen sammelten sich in meinen Augen. »Heaven!«, begann Josh leise. »Nichts mit Heaven. Ich will nicht, dass jemandem etwas passiert. Das lasse ich nicht zu«, brüllte ich wütend zurück.

»Was soll das heißen, du lässt es nicht zu?«, fauchte es unverhofft und die Tür flog lautstark gegen die Wand. »Wage es dir ja nicht irgendwelche Alleingänge durchzuführen«, hörte man ihn gefährlich durch den Raum. Er kannte mich zu gut. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Ich war doch leichter zu durchschauen, wie gedacht. Aber seine Stimme klang so bedrohlich, dass sich schlagartig meine Nackenhaare aufstellten. Seine Augen glühten extrem auf und nahmen einen leicht roten Schimmer an. Mir war bewusst, dass der Alpha aus ihm sprach und auch Joshua zog den Kopf ein, als River ihn nicht gerade freundlich vor die Tür setzte.

»Was soll das werden?«, gab ich trocken von mir. »Ich habe nie gesagt, dass ich irgendetwas allein durchziehen werde«, doch er schien sich kaum zu beruhigen und ich sprach trocken: »Ich will mit dabei sein.« Auf einen Schlag leuchteten seine Augen extrem grell auf. Erst wollte ich den Kopf senken, aber die Genugtuung gab ich ihm niemals. Ich tanzte nicht nach seiner Pfeife. Noch war ich kein Teil des Rudels und noch nicht einmal ein wirklicher Wolf. Da konnte er noch so sehr ausrasten. Natürlich kotzte ihn das extrem an und man erkannte auch die pochende Ader an seiner Schläfe, die stetig sichtbarer wurde.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt