Kapitel 66

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Besser ehrlich fliehen, als schändlich fechten.


»Clara?«, hauchte ich und rannte augenblicklich auf sie zu. »Was machst du denn hier?«, fragte ich panisch und das blonde Mädchen schaute mich mit tränennassen Wangen an. »Er ist mein Mate!«, begann sie ungläubig noch stärker an zu weinen. »Shane?«, flüsterte ich und sie nickte. Scheiße. Es tat mir so unendlich leid für sie, dass Clara die Frau war, die so einen Widerling an der Pelle hatte. Natürlich band ich sie sofort los und half ihr wieder auf die Beine zu kommen. »Wo ist er?«, fragte sie mich mit rauer Stimme.

»Keine Ahnung. Das kann ich dir nicht sagen. Es ging um ein anderes Rudel, was sich mit Duncan verbündet hat, um mir zu helfen und auch... ein Mädchen. Die Tochter des anderen Alphas soll befreit werden. Also heißt das, dass du es bist?« Clara nickte mit aufgerissenen Augen. »Er hat mich entführt«, raunte sie leidlich. »Hat er dir sonst noch etwas getan?«, wollte ich leise wissen und sie schüttelte eilig mit dem Kopf. »Er hat mir nicht ein Haar gekrümmt.«

Unsicher taumelte sie ein paar Schritte zur Tür und ich stützte mich etwas bei ihr ab, da ich extrem hinkte. Meine Wunde pochte mit jedem Schritt immer mehr, aber wir verließen eilig den Raum und versuchten so schnell wie nur möglich in den alten modrigen Kellerflur zu kommen. Dort war nichts zu hören und es kam einem vor, als wäre gar keiner da. Bis ich plötzlich zwei Männer hörte, die sich zischend unterhielten und dabei Stufen nach oben gingen. Genau über uns. 

»Los komm!«, hauchte Clara und zog mich an dem Kleid was ich trug etwas weiter zu sich, sodass ich mich noch besser abstützen konnte. Das Hochlaufen der Treppe stellte sich schon etwas schwieriger dar, als auf der Geraden. Allerdings biss ich fest die Zähne zusammen. Immerhin mussten wir von dort verschwinden. Auf der Stelle. Oben angekommen, schien wirklich keiner da zu sein, außer diese beiden Typen, die beschäftigt waren, sich genervt zu unterhalten. Ich war mir sicher, dass sie dachten, wir wären beide in unserem Kellerloch. Die anderen mussten Jonathan gefolgt sein.

»Wo sind die alle hin? Lassen sie uns einfach mit zwei Wölfen allein?«, fragte sich nun Clara trotzdem, die sich zu mir drehte und mich an die kalte raue Wand schob, wo ich mich dagegen lehnen konnte. »Ich gehe kurz vor und sehe mich um. Ich bin gleich wieder zurück. Rühre dich einfach nicht vom Fleck«, flüsterte sie und bevor ich überhaupt noch etwas sagen konnte, war sie auch schon verschwunden, dabei wollte ich gar nicht, dass sie allein ging.

Ich drückte mich fester gegen den kalten Beton, bevor ich noch an Ort und Stelle zusammenbrach. Er hielt mich nämlich etwas wacher. Zugleich schloss ich die Augen und probierte klaren Verstandes zu bleiben. Meine Lider wurden trotz dessen immer schwerer und die Zeit, in der Clara weg war, kam mir gar nicht so lange vor; als wäre es nur ein Wimpernschlag gewesen. Allerdings schien mehr Zeit vergangen zu sein, als ich dachte.

Unverhofft spürte ich eine Hand an meinem Arm und zuckte sichtlich zusammen. Ich war doch tatsächlich kurz weggenickt, trotz dass ich stand. Scheiße. »Die zwei Typen scheinen irgendwie wirklich die Einzigen hier zu sein.« Ihre Stimme klang tonlos, als wir schlagartig Schritte wahrnahmen. Wir drückten uns auf der Stelle noch weiter nervös gegen die Mauer und ich presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, in der Hoffnung kein Laut drang aus meinem Mund, da mich der Schmerz meines Schenkels fast auffraß. Ich betete einfach nur dafür, dass uns niemand entdeckte. 

Ungeachtet dessen hörten wir: »Ich schaue mal zu unseren neuen Gästen.« Die Stimme war belustigt. »Die Tochter des Black-Rudels ist mir scheißegal. Um die soll sich Shane selbst kümmern, aber Jonathans Tochter, auf die sollten wir echt ein Auge haben. Der Alpha killt uns, wenn sie ausbüchst«, hörten wir. »Ein Auge? Die Kleine ist echt geil. Zum kotzen, dass wir sie nicht anrühren dürfen«, antwortete der andere Mann und lachte. Sofort bekam ich eine Gänsehaut und verscheuchte die unangenehmen Bilder von Shane. »Es müsste ja keiner erfahren!«, gab der Erste zurück. 

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt