Kapitel 9

4.8K 233 20
                                    

Vergiss Sicherheit. Lebe, wo du fürchtest zu leben. Zerstöre deinen Ruf. Sei berüchtigt.


Müde und mit schlechter Laune machte ich mich in mein Zimmer auf. Doch bevor ich hinein ging, warf ich noch einen düsteren Blick den Gang nach hinten, da wo diese Hexe ihr Zimmer hatte. Die Tür war verschlossen. Das Licht brannte nicht. Vielleicht schlief sie schon, aber das sollte mir egal sein. Sie mochte mich aus einem bestimmten Grund nicht und deswegen würde ich sie auch in Ruhe lassen. So weit wie es in diesem Haus der Fall war, versuchte ich ihr nicht zu begegnen. Nicht, weil ich Angst hatte, sondern jeglichen Stress vermeiden wollte. Nur übertreiben sollte sie es nicht. Irgendwann blieb nämlich auch ich nicht mehr ruhig.

Man konnte nur hoffen, dass sie nicht wieder ihren Köter vorschob. Denn wenn sie mir persönlich körperlichen Schaden zufügen wollte, konnte ich mich definitiv wehren und spätestens dann, hatte Viola eine sitzen. Alles ließ ich nämlich nicht mit mir machen. Ich war doch nicht bescheuert. Sie benahm sie wie eine verzogene Göre. Entweder lag es daran, dass sie keine Respektperson besaß, Stella zu weich war oder was weiß ich. Die Schule und auch irgendwelche Jungs waren sicherlich nicht der Grund dafür einem anderen das Leben zur Hölle zu machen.

Mit hängenden Schultern drückte ich die Klinke nach unten und schlürfte in mein Zimmer hinein. Es war stickig, weil die ganze Zeit keine frische Luft hineinkam. Das änderte ich sofort. So bekam ich kein Auge zu, weshalb ich das Licht anknipste und zum Fenster lief, um dieses zu öffnen. Blinzelnd rieb mir dabei über die Augen, um mich dann den großen rustikalen Schrank im Raum zuzuwenden. Ich brauchte zum Schlafen schon je her ein großes weites T-Shirt und eine Shorts. Gedankenverloren wühlte ich darin herum und dachte immer noch nebenbei an den Vorfall von eben. Womöglich sollte ich doch nicht so ein Drama darum machen. Zu hoffen war nur, dass dieser Hund keine Tollwut hatte. Ich würde den nächsten Tag zu einem Arzt gehen müssen. Wenigstens brauchte ich die Gewissheit, dass alles soweit mit mir in Ordnung war.

Mit meinen Schlafklamotten in der Hand drehte ich mich herum und dachte komplett vom Glauben abzufallen. Ein Schreck saß mir tief in den Knochen. Augenpaare die mich durchlöcherten. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein. Ich wurde beobachtet, als sollte ich von diesem Ort so schnell wie möglich verschwinden. Wollten mich alle verarschen, oder wie? Hatte ich das Bild nicht extra von der Wand genommen? Stella musste es wieder hingehängt haben. Prompt wurde ich sauer. Wenn ich schon hier wohnte, dann richtete ich auch das Zimmer nach meinem Geschmack ein und wenn ich dieses scheiß Ding nicht an der Wand haben wollte, musste sie damit klarkommen.

Jedes andere Bild hätte ich dort gelassen. Jedes verfluchte, aber bei diesem fühlte ich mich eindeutig extrem beobachtetet. Sauer hetzte ich zur gegenüberliegenden Wand, ergriff schnellstmöglich den Rahmen und löste es von der Tapete. Ich werde es wieder in den Schrank stellen. So konnte doch niemand schlafen. Als es endlich wieder hinter den großen Holztüren verschwand, atmete ich erleichtert auf. Ich fühlte mich so eindeutig viel viel wohler, auch wenn das der ein oder andere möglicherweise nicht verstand. Aber diese Augen... Das war, als würde man gar nichts weiter auf diesem Bild betrachten können, außer diese stechenden beschissenen Augen, die dich jeden Zentimeter im Zimmer verfolgten.

Wenigstens bekam ich endlich genügend Sauerstoff und schon nach wenigen Minuten war es in diesem Raum richtig angenehm und ertragbar. Ich gähnte herzhaft, versuchte den Schmerz in meinen Gliedern zu unterdrücken und ließ den Rahmen nur ein kleines Stückchen offen, sodass ich die Nacht nicht wieder aufstehen musste. Die anderen ließ ich geschlossen. Das würde eindeutig reichen. Beim Hinüberziehen der Gardine sah ich, wie dunkel es mittlerweile geworden war, was mir ein Schauer über den Rücken laufen ließ. Ich schüttelte mich leicht und rieb mir benommen über die Arme. Würde ich mich jemals an diesen Anblick gewöhnen? Ich rückte mich innerlich zurecht. Ich musste es einfach, obwohl dieser Wald mir eindeutig nicht geheuer war.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt