Es ist schwerer eine Träne zu stillen, als tausend zu vergießen...
Schon seit zwei Stunden tauchte Duncan nicht mehr auf und war verschollen. Wie sollte es auch anders sein, befand er sich im Keller. Am liebsten wäre ich die Treppen heruntergegangen und hätte ihn wieder zu mir geholt. Irgendwie brauchte ich seine Nähe in diesem Moment. Da er allerdings lieber bei Shane war und ihn die Fresse polierte, fing ich mich kaum noch. Ich war total durch den Wind; vermisste schon jetzt seine Nähe und wollte mich einfach nur an ihn festklammern.
Wie lange will er das überhaupt noch durchziehen? Er sollte ihn endlich umbringen. Wenn alles so blieb, wie die letzten Tage, hatte ich ständig Schiss, dass er da irgendwie herauskam und abhaute. Was, wenn er sich dann an mir rächt und ich das alles wieder von vorn durchmachen muss? Was, wenn es schlimmer wird, als zuvor?
Ich schaute aus dem Fenster und sah, dass es noch einigermaßen hell war. Zu diesem Zeitpunkt kam unvermittelt ein nackter Mann aus dem Wald. Na ja. Halbnackt. Wenigstens trug er eine Unterhose, die er noch rechtzeitig hochzog, bevor ich seinen Schwanz sehen konnte. Den Rest seiner Klamotten trug er über seinem Arm. Sicher war er nur Augenblicke zuvor gar nicht menschlich gewesen, sondern ein Wolf. Der Gedanke daran, ließ mich echt nervös werden. Wenn ich auch so etwas bin, wann werde ich mich verwandeln?
Da aber irgendwie in den letzten Tagen jeder ziemlich beschäftigt schien; sogar Viola, die mit einem anderen Mädchen in diesem Moment kochte, ging ich kurzerhand in mein Zimmer und zog mir meine Jogginghose über; sowie ein Shirt. Ich werde laufen gehen. Sport lenkte mich eindeutig ab und ich bemerkte auch ziemlich schnell, dass mir zwei Typen folgen, als ich das Grundstück verließ. Diese gehörten definitiv zum Rudel von Dan, aber es sollte mir nur recht sein. So lange sie im Hintergrund blieben, war mir das schnuppe.
Als ich schließlich begann durch den Wald zu rennen, hetzte ich regelrecht meinen Körper kaputt. Ich hörte nicht nur meinen schnaufenden Atem, sondern auch den der Männer. Deswegen steckte ich mir prompt Kopfhörer in die Ohren, schaltete die Musik laut und bewegte mich im Rhythmus. Nach einer dreiviertel Stunde kam ich dann wieder am Haus an, aber da bei Duncan noch immer kein Licht im Zimmer brannte, beschloss ich tatsächlich noch eine Runde zu laufen, obwohl meine Knochen und Muskeln ziemlich schmerzten. Ich trieb mich regelrecht weiter. Bis hin zur Erschöpfung. So lange, bis meine Glieder regelrecht zitterten und ich mich kaum noch wirklich bewegen konnte. Gerade so schaffte ich den zweiten Lauf.
Keuchend kam ich im schlussendlich am Herrenhaus an, riss die Kopfhörer aus den Ohren und stützte meine Handflächen gegen meine Schenkel. Gott, war ich fertig und so müde, dass ich sicher, wie ein Stein ins Bett fiel. Das war genau es, was ich damit bezweckte, denn es hielt eindeutig vom Nachdenken ab. Plötzlich wurde ich jedoch angebrüllt. Selbstverständlich zuckte ich sofort hart zusammen. Es war Duncan, der wie ein Wilder auf mich zu rannte. »Sag mal, wo kommst du jetzt her?«, keifte er und schien außer sich zu sein. »Schrei mich nicht so voll«, sprach ich hingegen ruhig, was ihn noch mehr auf die Palme brachte. »Du siehst doch, dass ich Laufen war.« Immerhin war er nicht blind.
»Ach? Da kann man wohl nicht mal Bescheid geben?«, hallte seine Stimme durch die Gegend. Mir war klar, dass uns hier jeder verstand, aber niemand ging dazwischen. »Du warst doch gar nicht da. Ich habe verdammte zwei Stunden gewartet und anstatt die Zeit mit mir zu verbringen, verschwendest du sie an so einen Wichser.« Augenblicklich ging ich enttäuscht an ihm vorbei, doch hielt River mich auf der Stelle fest. »Ich rede mit dir und bin noch nicht fertig. Verdammt! Ich mache mir bloß Sorgen.« Dann sollte er auch mir das zeigen und nicht diesem Mann im Keller.
»Deine Hündchen passen doch auf mich auf, oder?«, antwortete ich trocken. »Trotzdem habe ich Angst«, murmelte er nun beschwichtigend, ließ mich los und folgte mir mit nach drin ins Haus. Eigentlich wollte ich in mein Zimmer, aber er zog mich auf Anhieb mit in die Küche. Die meisten waren nun schon verschwunden. Ich musste echt lange gebraucht haben. Vor allem, was die zweite Runde betraf. Ich spürte regelrecht jeden schmerzenden Muskel in meinem Körper. Sogar da, wo ich dachte, ich hätte keine.
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White Moon - Kiss of the Wolf
WerewolfSpringlight Award 2020: Platz 2 in "Vampire / Werwölfe" Passion Award 2019: Platz 1 in "Zauberhafte Welten" Goddess Award 2018: Platz 3 in "Vampire und Wölfe" Desire & Lust Award 2017: Platz 1 in "Werwolf" Was würdest du tun, wenn alle um dich herum...