Kapitel 77

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Was Du hast, können viele haben. Doch was Du bist, kann keiner sein. 


Mein Atem drang flach durch meine Lippen hindurch und irgendwie fühlte ich mich, als ersticke ich jeden Moment. Ich probierte zu schlucken, aber auch das funktionierte nicht, da meine Kehle nicht bloß ausgetrocknet zu sein schien, sondern auch verdammt rau. Ich erinnerte mich zugleich daran, was zuvor passierte. Wie am Spieß hatte ich geschrien, dass sie alle aufhören sollten und nun lag ich hier. Das alles ging mir nur noch auf den Senkel; dass niemand miteinander normal sprechen konnte, vor allem durch das was zuvor passierte. Klar waren meine Launen auch nicht wirklich prickelnd und ich suchte zuvor regelrecht Streit mit Duncan, aber das was nun geschah war schlimmer. Wenn wir uns gegenseitig an die Gurgel gingen, war das lediglich zum Vorteil meines Vaters.

Sofort versuchte ich die Augen aufzureißen, da ich plötzlich Angst verspürte. Was, wenn sich River und Shane doch gegenseitig die Kehle herausrissen, dachte ich. Das darf nicht geschehen. Die beiden waren zwar nicht gerade gut aufeinander zu sprechen, was ich natürlich verstand, aber trotz dessen musste darauf geachtet werden, dass das nicht in einem Chaos endete. Des Weiteren wollte ich sehen, dass alle unversehrt waren. Hinzukommend war es eindeutig der falsche Zeitpunkt für diesen Mist. Natürlich verzieh ich Shane niemals, doch wenn ich an Clara dachte... Und mich in ihrer Situation vorstellte.

Logischerweise tat auch River einige schlimme Dinge und um ehrlich zu sein, wollte ich gar nicht wirklich alles wissen, weil es vor mir stattfand. Neben meinen Gedankengängen nahm ich eine Hand auf meiner Stirn wahr. Sofort spürte ich, dass es mein Mate war. »Was ist mit ihr? Warum macht sie nicht die Augen auf?«, ranzte er hart und neben mir gab die Couch nach. Unverzüglich wusste ich, dass ich im Wohnzimmer lag. Kurz darauf hörte ich James: »Sie wird schon noch wach werden. Lass ihr doch etwas Ruhe. Sie ist erst seit ein paar Wochen bei uns und noch nicht lange ein Wolf. Dann schwängerst du sie auch schon kurz nach der Verwandlung. Das ist alles ziemlich viel. Nicht nur für ihren Körper. Du musst das verstehen. Langsam musst du endlich lernen deine aufbrausende Art unter Kontrolle zu kriegen. Sie wird dich noch oft genug auf die Palme bringen. Glaub mir!«, doch ich spürte auf der Stelle wie sich Duncan versteifte.

»Sag mir nicht was ich zu tun habe. Ich will das sie sofort die Augen aufschlägt. Du bist Arzt. Also mach was!« Mal wieder klang er nicht gerade nett. »Er kann nichts machen. Immer mit der Ruhe. Lass sie etwas schlafen.« Das war Clara. »Halt du dich doch da raus. Wegen euch ist das doch alles. Wärt ihr hier nicht aufgetaucht...«, aber das was er da von sich gab, war totaler Quatsch. Es stimmte schon was James sagte. Duncan musste sich in den Griff kriegen. Es ging da nicht um uns, sondern um die Sache mit Shane. Sie sollten ja keine Freunde werden, aber er musste ihn dulden, sonst waren wir echt am Arsch. Wir brauchten nun mal seine Hilfe und kurz dachte ich wieder daran, was die blonde hübsche Frau sagte. 

Wir haben einen weiteren Maulwurf? Das hieß, dass ein Verräter im Rudel steckte. Doch wer sollte es sein? Augenblicklich dachte ich an den engeren Kreis. Ich konnte es mir ehrlich gesagt bei gar keinem vorstellen. Immerhin standen sie River treu zur Seite, auch wenn er nicht gerade mit leichten Mitteln und Strafen gegen Ungehorsamkeit vorging. Vielleicht war es auch Rache, bei dem wie er sich manchmal verhielt? Ich hatte keine Ahnung. Noch lange gingen mir verschiedene Leute durch den Kopf, wobei ich gar nicht bemerkte, wie die Zeit voranschritt und kämpfte gar nicht mehr die Augen überhaupt zu öffnen, sondern versuchte Rivers wütende Stimme zu ignorieren. Womöglich bekam er selbst irgendwann mit, dass er sich endlich in den Griff bekam. 

Dann musste ich einen Moment weggenickt sein und schlug tatsächlich etwas später müde die Lider nach oben. Es war keiner bei mir. Na ja. Nicht ganz. In der Küche wuselte Viola herum. Das erkannte ich an ihre gewohnte Art. Auf dem Sofa lag ich allein, aber Duncan saß auf dem Sessel gegenüber. Ich beobachtete seine breite muskulöse Gestalt, die jeder männliche Wolf an den Tag legte, aber ein Alpha noch mehr. Er war schon extrem einschüchternd, wenn man ihn betrachtete. Sein dunkles Haar war etwas gewachsen und hing ihm weit in die Stirn, berührte schon seine langen Wimpern. Da er sich keinen Millimeter bewegte, ging ich davon aus, dass er schlief. Und wie gedacht waren seine Augen geschlossen. Er war fertig und hatte selbst kaum geschlafen. Möglicherweise war es auch das, was mir fehlte. 

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt