White Moon - Kiss of the Wolf

Kapitel 24

Nur der Denkende erlebt sein Leben, an Gedankenlosen zieht es vorbei.

Der Tag im Café ging gewissermaßen ziemlich schnell herum und das war auch ganz gut, denn so musste ich wenigstens nicht die ganze Zeit an die Sache mit Duncan denken. Indessen ließen mich allerdings ein paar Fragen dann doch nicht los. Meinte er es wirklich ernst oder tat er mir möglicherweise doch etwas an? Und vor allem, was war das verdammt noch mal für eine Verbindung zwischen uns beiden? Das war totaler Schwachsinn. So etwas gibt es nicht. Wir waren Menschen und nicht irgendwelche Figuren aus Büchern oder billigen Fantasyfilmen. 

Ungeachtet dessen gab es da diese Empfindungen, wenn er mir nahekam. Erst beachtete ich sie nicht weiter, weil ich River definitiv hasste, aber war es überhaupt das richtige Wort? Bestand Hass nicht aus Gefühlen? Und das hatte ich bisher nicht für diesen Mann gehegt. Das änderte sich auch nicht, oder doch? Wenn er mir näherkam, wusste ich nicht mehr was ich überhaupt denken sollte. Da ging mir schon der Moment durch den Kopf, wie er sich bei mir entschuldigte. Dort keimte etwas in meinem Innersten auf, was sich nicht erklären ließ. Es war, als könnte ich mich nicht wehren oder gar einen gewissen Abstand halten, so sehr ich auch wollte. 

Natürlich drängte ich diese Gedanken weit weg und holte sie gar nicht in den Vordergrund, aber sobald ich darüber nachdachte, fühlte ich etwas in meinem Herzen: Einen unsichtbaren Faden, der diesen Mann immer weiter zu mir zog. Nur was ich davon halten sollte, wusste ich nicht. Ich konnte das alles nicht einordnen. Und dann drangen da wieder diese Bilder hervor, als ich in meinem Zimmer bewusstlos auf den Boden krachte und ich in meinem konfusen Traum mit diesen Typen vögeln wollte. Warum eigentlich? Klar, sah er gut aus. Doch das war nicht alles und außerdem begegneten wir uns zu diesem Zeitpunkt kaum.

Blitzschnell dachte ich jedoch an die Schmerzen in Joshs Wagen und daran, wie dieser mir erzählte, was es damit auf sich hatte. Die Verbindung zu River hätte ich nie für möglich gehalten. Ich verstand das nicht. Das wollte nicht in meinen Kopf rein. Ich konnte es nicht erklären und Duncan schien es auch nicht tun zu wollen. Das machte mich verrückt. Im Prinzip konnte ich auch Gary fragen, doch ich sollte unbedingt den Mund halten und bevor ich mich wieder so sehr gegen River auflehnte und es erneut krachte oder sogar noch schlimmer endete, bloß weil er sich nicht am Riemen riss, hielt ich lieber meine Klappe. Das war sicherer für mich. Zumindest für den Moment.

Im Café ließ mich mein Boss nicht eine Sekunde aus den Augen, fragte mich öfter, ob ich nicht doch lieber bei ihm wohnen wollte, aber wenn ich an Dan dachte, wie er darauf reagierte, sollte ich das lieber schnell vergessen und Gary definitiv davon abbringen, sonst eskalierte das noch. Wenigstens meldete sich Stella endlich und tauchte sogar noch vor Ende meiner Schicht auf, um nach mir zu sehen. Wo hatte sie bloß gesteckt? Fast kreischend kam sie mir entgegen und zog mich liebevoll in ihre Arme. »Josh hat mir erzählt, was passiert ist... Oh mein Gott. Du musst dich sofort von River fernhalten. Das ist alles das reinste Chaos. Ich wollte das nicht. Es tut mir so leid. Versprich mir, dass du ihm aus dem Weg gehst!«, aber der Gedanke daran passte mir irgendwie überhaupt nicht, obwohl ich nicht verstand weswegen. 

»Wie soll ich das denn machen, wenn er bei dir kommen und gehen kann wie er will?«, murmelte ich in ihr rotes Haar. »Das stimmt allerdings«, gab Stella leise zurück und ließ mich wieder los. Flüchtig streichelte sie über meine Wange und meinte: »Wenn du jemanden zum Reden brauchst, bin ich für dich da, Süße!« und ich nickte schnell. »Das ist echt lieb von dir. Wo warst du überhaupt die ganze Zeit gewesen?« Immerhin war sie einige Zeit wie vom Erdboden verschluckt. »Ich musste nur etwas wegen Viola klären. Sie wird wieder in den nächsten Tagen zu uns kommen. Nur, dass du es schon mal weißt. Mit Josh habe ich auch schon gesprochen. Er wird nicht kommen. Ich nehme dich mit.«