Kapitel 71

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Zum Kampf gerüstet ward vom Schicksal jeder, das Schwert schwingt dieser, jener schwingt die Feder.


Schritte kamen langsam und bedacht auf uns zu und umso mehr Jonathan sich näherte, umso unbehaglicher fühlte ich mich. Nicht nur, weil er keine Klamotten am Leibe trug, was Duncan natürlich wie immer am Arsch vorbeiging; sondern weil ich Angst vor meinem eigentlichen Vater hatte. »So. So!«, murmelte er nun viel ernster, was mir ein Schauer über die Haut fahren ließ, und er sah mich schließlich prüfend an. »Ich habe dir wirklich geglaubt, aber du bist wie deine Mutter. Wenn es darauf ankommt, kannst du lügen wie gedruckt« und sein Blick fiel auf Dans Hand, die noch immer auf meinem Bauch verweilte.

Nach diesem Satz, ließ er mich allerdings los, holte mich auf die Beine und schob mich gereizt hinter sich. Natürlich ging das nicht spurlos an mir vorbei. Nicht nur, dass mir der Name meiner leiblichen Mutter vollkommen unbekannt war, sondern ich auch nicht wusste, ob sie überhaupt noch lebte. Ich war total durcheinander. Sonst fühlte ich mich bei River extrem sicher, aber als ein leises Knacken im Gebüsch zu uns herüberdrang, wurde mir ganz anders.

Das Blut gefror mir regelrecht in den Adern, denn neben Jonathan tauchten an seiner Seite zwei graue Wölfe auf und hinter ihm noch drei weitere. Nun waren sie zu sechst. Genau wie wir. Allerdings schien unserem Gegenüber kaum ein Haar gekrümmt worden zu sein, im Gegensatz zu uns. Darüber hinaus waren es stattliche Geschöpfe und ich streifte mit den Augen die breite Brust meines Erzeugers. Mich konnte man ja nicht einmal mitzählen.

Wenn man unsere Seite hingegen betrachtete, schien das schon ein wenig anders zu sein. Duncan war verletzt, hatte überall Blut kleben. Ich war keine Kämpferin, meine Wölfin war noch nicht lange an meiner Seite und obendrein war ich noch immer nicht richtig auf dem Damm, zwecks meines Beins. Außerdem war ich schwanger, was mir in diesem Moment wieder ziemlich auf den Magen schlug.

Dylan und Gary konnten es selbstverständlich nicht wirklich mit allen aufnehmen. Bei Viola war es nicht schwer sie zu töten und Clara, sowie Shane standen noch immer beisammen und starrten ebenso auf Jonathan. Auf welcher Seite sie nun waren, war fraglich. Shane gehörte immerhin zu dem Rudel meines Vaters, Clara besaß mit ihrem Dad ein eigenes und die anderen gehörten in gewisser Weise zu River. Auch ich irgendwo, wobei mir ziemlich schnell bewusst wurde, dass die blondhaarige junge Frau eindeutig nicht gegen ihren Mate kämpfen würde. Das war doch alles Mist. Trotz alledem konnte ich mich nicht einschüchtern lassen und ich blickte mit erhobenem Kinn auf den Blödmann vor mir.

Als er sich erneut in Bewegung setzte und ein paar Schritte zu uns kam, plusterte sich River vor mir noch weiter auf. Nichtsdestotrotz schien das Jonathan gar nicht zu interessieren. Sein Blick galt lediglich mir. Die eisigen Augen durchlöcherten mich regelrecht. Schließlich schaute er auf meinen Bauch. »Das ändert nichts an meinem Plan. Ich werde dir diesen Bastard meinetwegen auch selbst aus dem Leibe schneiden. Hauptsache ich kriege einen würdigen Nachfolger und du wirst ihn mir geben!« Im Anschluss wanderte sein Kopf nach rechts zu Shane, der sich versuchte nichts anmerken zu lassen, doch ich wusste selbst, dass man die Gefühle bei seinem Seelenverwandten, kaum verstecken konnte. Dafür machte er es allerdings ziemlich gut, im Gegensatz zu Clara.

Sie sah aus, wie ich mich fühlte. Wahrscheinlich jeden Moment den Nervenzusammenbruch nahe. Das fiel natürlich nicht bloß mir auf. River starrte kurzerhand zu ihr und zuckte mit dem Kopf in unsere Richtung. Natürlich zögerte sie zugleich, wusste nicht, was sie machen sollte und auch Jonathan bemerkte ihr kurzes Zaudern, doch Shane schob sie leicht vom Rudel meines Vaters, und somit auch weiter von sich weg.

Umgehend schaute sie ihn traurig an, kam dann aber trotz dessen eilig in unsere Richtung. »Du bist stark River, aber eindeutig zu schwach für uns. Zumindest für mich, denn ich stehe hier unverletzt. Du bist angeschlagen. Dein Rudel ist nicht hier und lässt sich prima ablenken, sodass ich mir meine nichtsnutzige Tochter zurückholen kann. Sie ist sogar so blöd und kommt freiwillig wieder her. Außerdem habe ich noch etwas gut bei ihr. Immerhin hat sie einen meiner besten Männer getötet.« Das es allerdings Glück war, band ich ihm nicht gerade auf die Nase.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt