Kapitel 81

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Manche Alpträume beginnen erst, wenn man die Augen öffnet. 


Die Schwärze um meinen Körper lähmte mich zunehmend, da ich wusste, dass ich mich nicht mehr dort befand, wo ich eigentlich sein müsste. Existierte ich überhaupt noch wirklich? Ich kam mir nämlich vor, als verblasste ich Stück für Stück in einem Nichts aus Erinnerungen und verschwand irgendwann vollends. Mein Kopf huschte nach links. Es war nichts weiter zu erkennen. Dann nach rechts. Auch da konnte ich nichts sehen. Trotz, dass ich nun die Augen eines Wolfes hatte, kam ich mir urplötzlich so unfassbar verloren vor. 

Da war nichts mehr von dem Wesen, was in mir steckte und mir sonst half, wenn ich es brauchte. Doch auch nach all dem Rufen in meinem Kopf, erreichte ich meine Wölfin nicht. »Nicht schon wieder«, hauchte ich. Ungeachtet dessen kam meine Stimme schallend zurück, so als würde ich mich in einem großen Raum befinden, aber einfach keine Umrisse und nichts weiter erkennen. Was soll das? Wo befinde ich mich? Keine Bäume, keine Mauern... Nur der elend kalte Boden, worauf meine nackten Füße standen. 

Dieser bohrte sich in meine Zehen, in meine Knöchel und kroch meine Waden weiter hinauf, bis mein ganzer Körper nur noch mehr erzitterte. Ich schien unverletzt zu sein. Zumindest bemerkte ich nichts, wenn man nicht daran dachte, dass ich womöglich den Verstand verlor. Ging das überhaupt? Konnte man so verrückt werden, wie ich? »Duncan?«, murmelte ich fragend, weil ich dachte, dass ich womöglich doch träumte. Immerhin hatte ich das schon, aber da wachte ich in diesem düsteren Nadelwald hinter dem Haus auf, aber hier war rein gar nichts. Unwillkürlich streckte ich die Hand aus, versuchte etwas zu ertasten, aber wie, wenn man sich im Nichts befand? Oder war ich einfach bloß in meinem eigenen Verstand gefangen, der mich nur noch wirrer werden ließ?

Kurz dachte ich an Jonathan und ich reckte etwas mein Kinn in die Höhe. Ich konnte ihn nicht riechen. Also hatte er mich schon mal nicht eingesperrt. Wenn man es allerdings so nahm, konnte ich gar nichts wahrnehmen. Nicht mal das gelang mir. Meine Wölfin schien sich komplett verkrochen zu haben. So, als steckte ich in einem Traum, der mich gefangen hielt, aber wenn das einer war, weshalb fühlte es sich so real an? Das konnte ich nicht verstehen.

Nun begannen meine Augen feucht zu werden. Die Sicht vor mir konnte sich nicht verschlechtern, weil ich nicht die Hand vor meinen Augen erkannte. Oder war ich einfach nur blind? Von meinen eigenen Gedanken sogar? Hatte mir man etwas angetan? Zugleich lauschte ich. Nichts. Es war schon fast gruselig, weil sonst immer etwas existierte. Egal ob man den Wind hörte, oder das leise Knarren von Holz, oder auch nur eine Uhr an der Wand. Nur mein eigener Atem strömte zwischen meinen trockenen Lippen hindurch. Dieser war jedoch so laut, dass es mir schon in den Ohren schmerzte. Er wurde zunehmend schneller. Würde ich bald hyperventilieren?

»Duncan?«, sprach ich nun panisch, drehte mich eilig herum, doch nichts war da, außer das elende Schwarz, was mich zu verschlucken drohte. Es machte mich wahnsinnig. Am liebsten hätte ich mich auf den Untergrund fallen lassen und angefangen mit heulen, aber es gab da noch etwas Hoffnung, dass es eine Erklärung für meinen Zustand geben musste. »Dan!«, schrie ich nun, stolperte nach vorn und streckte die Hände immer wieder suchend nach einem Gegenstand aus, der mir doch in den Weg fiel. Vergeblich.

»Sag doch jemand was!« Langsam wurde ich stetig panischer. Schlagartig war die Trauer der Einsamkeit fast verschwunden. Das Einzige was nur noch existierte war Angst, die mich dennoch weiter nach vorn laufen ließ. Langsam und unsicher. Der Ton meiner Stimme ließ nur erahnen, wie verlassen ich mich fühlte. Nun begann ich immer wieder nach meinem Gefährten zu rufen, da aber nichts zurückkam, brüllte ich schließlich nach irgendwem. Hauptsache ich wusste endlich, wo ich steckte.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt