White Moon - Kiss of the Wolf

Kapitel 78

Wie lange dauert für immer? Ich hoffe für immer. 

Ich konnte nichts mehr sagen. Ich hatte einfach viel zu sehr mit mir selbst zu tun. Nämlich nicht auf der Stelle einen Nervenzusammenbruch zu kriegen. »Ich dachte, dass du sie schon mal gesehen hast«, hörte ich Viola neben mir leise sagen, doch ich schüttelte automatisch mit dem Kopf. Ich kannte sie nicht. Noch niemals hatte ich sie vor Augen gehabt. Bis jetzt. »Es war vor dir«, flüsterte meine Schwester und legte beruhigend ihre Hand auf meine Schulter. Dennoch irritierte es mich. Ja. Vielleicht, war es bevor wir richtig zusammen waren, dennoch lief sie geradewegs in dieses Haus hinein.

»Wenn es vor mir war, warum lässt er sie dann rein und schickt sie nicht wieder weg?« Eine stumme Träne lief über meine Wange und meine Augen wurden so feucht, dass ich nicht mal mehr etwas erkannte. Vor mir verschwamm alles. Wie konnte er mich nur so verletzten?  Er war doch nicht blöd. Jede Frau wäre bei solch einer Aktion enttäuscht gewesen. Immerhin hatte er mit ihr normalerweise nichts mehr am Hut. Scheinbar bildete ich mir das zuvor lediglich ein. Immerhin versprach er mir, dass es niemals eine andere mehr geben würde. Ein dumpfer Schmerz machte sich in meiner Brust breit. Wie würde er reagieren, wenn irgendein Mann mit dem ich geschlafen habe, hier auftaucht? Duncan hätte ihn ohne mit der Wimper zu zucken getötet.

Meine Finger begannen prompt unerwartet zu zittern und auch meine Beine bebten. Am liebsten hätte ich mich auf den Boden fallen lassen und wie am Spieß geschrien und geheult. Auch Viola wusste nun nicht mehr mit mir umzugehen. Sie stand blöd neben mir. Kein einziges Wort hätte die Sache besser gemacht. Geht es denn noch schlimmer? Ich dachte die ganze Zeit, dass es nicht an dem war und nun? Duncan hätte sie wegschicken müssen und wenn das nicht, dann zumindest ihr gesagt, dass es nun mich gibt, anstatt mich stehenzulassen, als wäre ich eine Nichtigkeit. 

Taumelnd lehnte ich mich kurz gegen die Wand im Flur und bemerkte wie River einen Schrank öffnete. »Whisky?«, hörte ich ihn sanft. »Du weißt noch immer was gut ist. Ich nehme gern einen. Wie kommt es, dass man von dir nichts mehr hört?«, lauschte ich ihren Worten. »Ich hatte in der letzten Zeit... ziemlich viel zu tun«, erwiderte er und ich zuckte schwer zusammen. Am liebsten hätte ich einen Aufstand gemacht, auf beide eingeprügelt, doch irgendwie war ich zu ausgelaugt. Der Schock machte mich erst recht müde. Aber vor allem verstand ich sein Verhalten nicht. Nicht, dass er so arschig wurde, wie an dem Tag, als wir uns kennenlernten. 

Es tat mir in der Seele weh, bei dem was er nun abzog und traurig wollte ich ins Wohnzimmer, bevor er mit dieser Frau vielleicht doch noch irgendwo hin verschwand. Ich musste wenigstens kurz mit ihm sprechen. Vielleicht interpretierte ich doch zu viel hinein und machte dann ungewollt einen Aufstand, der hätte vermieden werden können. Es konnte ganz anders sein, wie es den Anschein trug. Zumindest war da noch die Hoffnung in mir. Ungeachtet dessen schien er aber wie aus heiterem Himmel, so kalt zu mir im Flur gewesen zu sein und auch, als ich in der Tür stand, hob er den Kopf und seine, nur für sie bestimmte weichen Gesichtszüge, änderten sich hart, als er mich sah.

»Verschwinde!«, sprach er trocken zu mir, widmete sich wieder ihr zu und sagte leicht: »Ich habe dich schon vermisst.« Ich dachte komplett vom Glauben abzufallen und drehte mich auf Anhieb um, bevor ich doch noch den Verstand verlor. Dabei hatte ich doch so sehr gehofft... Das ist doch alles nur ein Scherz. Was sollte das werden? War ich im falschen Film? Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Was hatte Duncan nur vor? Wollte er mich auf einmal doch nicht mehr? Stand da überhaupt noch die gleiche Person vor mir? Ich holte tief Luft, blieb vor der Treppe stehen und wusste nicht, was ich tun sollte. Selbstverständlich war ich neugierig, was das nun noch alles kam und verweilte auf der Stelle. Wahrscheinlich, um mir selbst wehzutun, oder auch nur um die Gewissheit zu haben.