Kapitel 17

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Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt - und nicht, was wir ersehnt haben.


Ich stand da wie erstarrt und ließ alles noch einmal Revue passieren, doch ich fand keine rationale Erklärung für die ganze Aktion die Duncan veranstaltete und Gary schien auch nicht sehr redegewandt zu sein; außerdem wollte ich ihn nun auch nicht die ganze Zeit über nerven. Deswegen sagte ich bloß: »Ich gehe dann noch mal hinter ins Lager und hole das Zeug von der Liste.« Er nickte jedoch nur geistesabwesend und winkte ab, aber als ich um die Ecke bog und noch einmal zurückschaute, sah ich wie er mit verschränkten Armen an der Anrichte stand und verloren nach draußen blickte. Sicher gingen ihm nun tausend Dinge durch den Kopf. Wohl oder übel würde er mir diese mit Sicherheit nicht verraten. Hinzukommend kannten wir uns kaum. Also wird er bestimmt nicht mit mir über seine Probleme sprechen. Was hätte ich dafür gegeben Gedanken lesen zu können.

Ich war vollkommen verwirrt. Somit rückte sogar mein komischer Traum in den Hintergrund. Zwei Tage war ich nicht mal wirklich an diesem Ort und alles wurde mehr und mehr mysteriöser. Ich verstand die Welt nicht. Das alles. Die ganze Situation war unglaubwürdig. Wer verhielt sich denn bitte wie diese Menschen? Warum gab es einen Mann, der jeden unfassbar mies behandelte, als gehörte ihm alles? Und erst recht verwirrten mich diese eigenartigen Empfindungen, die ich in seiner Nähe spürte und ich nicht wirklich kontrollieren konnte.

Im Lager angekommen, nahm ich mir einen kleinen Korb, der in einer Ecke stand und packte das Zeug von der Liste hinein. Es war nicht wirklich viel. Felsenfest war ich immer mehr davon überzeugt, dass mir Gary diesen Zettel bloß in die Hand drückte, weil ich verschwinden sollte, falls Duncan doch in den Laden kam. Irgendetwas war zwischen den beiden vorgefallen und doch kannte mein Boss diesen Typen genau, wusste wie er reagierte. Fuck. Ich sollte damit aufhören. Denken tat nicht gut. In diesem Moment hatte ich eine Beschäftigung. Das war gut so. Darum sollte ich mich kümmern. Damit konnte ich die Zeit herumkriegen, bis ich bald mit meiner eigentlichen Arbeit begann.

Und wie gedacht; stand ich nach einigen Minuten auch schon mit einem Stift und einem Block in der Hand bewaffnet an einen der Tische, an dem ich ein junges Pärchen bediente. Weitere Leute folgten und irgendwie schien ich mich in diesem kleinen Café langsam extrem wohlzufühlen. Trotz alledem spürte ich etwas Eigenartiges. Man konnte es nicht wirklich beschreiben. Lag es an den Menschen hier? Zwar waren alle echt nett zu mir, aber Einige schienen mich mit ihren Blicken regelrecht zu durchbohren. Komisch. Als wäre ich eine Außerirdische. Sah man mir an, dass ich nicht von diesem Ort kam? Den Gedanken verdrängte ich dann aber auch schon ziemlich schnell, als ein bekanntes Gesicht durch die Tür fegte. Mein Lächeln wurde breiter und auch seines war freundlich und offen.

»Da ist ja unsere kleine verlorene Seele«, feixte Josh und kam breit grinsend auf mich zu. Ohne Vorwarnung riss er mich in die Arme, um mich fest zu drücken. Selbstverständlich spannte ich mich erst an, weil ich es nicht kommen sah, doch ziemlich schnell wurde ich lockerer. Es gefiel mir, wenn er so leicht war. Das tat gut und ich schloss kurz die Lider. Einen kurzen Moment später ließ er mich dann auch schon wieder los. »Ich dachte, ich sehe mal nach dir... Wie du dich so machst und ob es dir hier gefällt.« Schnell nickte ich. »Es ist ganz okay. Ich kann halt noch nicht viel sagen. Ist ja erst der erste Tag, aber Gary ist voll in Ordnung«, gab ich fröhlich zurück.

»Das freut mich und wie ist es dir bis jetzt sonst ergangen?«, wollte er wissen und folgte mir in Richtung Tresen. Sofort dachte ich an den Vorfall mit Duncan, das abgebrochene Holz und in diesem Moment wurde mir erst richtig klar, wer er war. Ich dachte an das Bild in meinem Zimmer, was ich eigentlich abhängte, denn ich konnte die starren Blicke nicht ertragen und neben Joshua war Dan, der mich augenblicklich wieder in die Realität holte, als er leise hüstelte und mit den Fingern vor meinen Augen schnippte. 

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt