Kapitel 45

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Wer dein Schweigen nicht versteht, versteht deine Worte auch nicht.


Mein Körper fühlte sich stocksteif an, als mich Duncan mit sich zerrte. Wie konnte er mir das bloß antun? Wie? Schon mein eigentlicher Vater zeigte klar und deutlich, was er von dieser Einstellung hielt. Nämlich, dass River nicht ganz Herr seiner Sinne war. Jonathan lachte ihn regelrecht aus. Demnach war mir prompt klar, dass wir eine Verbindung haben mussten, die eindeutig über das Normale hinausging. Es war etwas Einzigartiges. Ich stand im eigentlichen Sinne sogar über der Familie. Und was hatte ich? Einen Mate, dem anderes wichtiger war, obwohl ich eigentlich diejenige wäre, die über alles stehen sollte? War er der Einzige, der so etwas tat? Auch wenn es so sehr schmerzte? Ich konnte das einfach nicht nachvollziehen.

Kurz ging ich in mich, denn tief in meiner Seele wusste ich: Er war es. Egal ob Mensch, Wolf, oder etwas anderes. Duncan war der Mann, der für mich immer alles in der Welt wäre. Diese Gefühle brauchte ich nun nicht mehr leugnen. Es war sowieso alles vergebens. Ich musste der Tatsache ins Augen blicken. Nun wusste ich auch, weshalb er mir trotz der Schmerzen, immer noch wichtiger schien, als alles andere. Und mir war irgendwo bewusst, dass es bei anderen nicht so ablaufen konnte, wie bei uns beiden.

Womöglich lag es auch daran, dass ein eigentlicher Wolf innerlich nicht so voller Wut war und seinen eigenen Seelenverwandten umbringen wollte, doch River ließ mich auch etwas hinter die Fassade schauen. Er konnte nicht immer so gewesen sein. Vor allem, als er so schwer verletzt war und er mich seine Wunden verbinden ließ. Noch immer konnte ich mich an den Schmerz erinnern, obwohl er ursprünglich von ihm stammt und auch, als er ganz am Anfang etwas mit einer anderen hatte. Der war überhaupt nicht zu vergleichen. Innerlich dachte ich tausend Tode zu sterben. Da wusste ich allerdings nicht, dass es noch schlimmer werden konnte. Nämlich, dass er mich verstieß. Der Gedanke ohne ihn zu sein, war gar nicht wirklich zu ertragen und mein Leben verlor plötzlich den ganzen Sinn seines Daseins.

Schlagartig wurde ich wieder in die Realität gerissen, als Duncan mich den Rest des Weges, regelrecht knurrend zu Jonathan stieß. Urplötzlich war mir extrem kalt und Tränen liefen meine Wangen hinab. Wie konnte er mir das denn nur antun? Das war die Frage, die mir immer wieder durch den Kopf hallte.

Kurz darauf spürte ich schon widerliche Hände, die meinen Arm berührten. Sofort erstarrte ich. Es war Jonathan. Zugleich blickte ich mich noch einmal um. Die anderen konnten mich doch nicht im Stich lassen. Gary befand sich im Hintergrund. Er wurde von zwei mir unbekannten Männern festgehalten, doch ich war mir sicher, dass sie zu Dan gehörten. Natürlich wollte er nicht, dass ich ging. Wahrscheinlich der Einzige. Nur die Möglichkeit, mich daran zu hindern, schien leider vergebens zu sein. Josh und Viola standen ebenso fassungslos da. Die beiden starrte River regelrecht ein Loch in den Kopf. Aber wo war Stella bloß? Wo zum Teufel steckt sie? War ihr etwas passiert? Ich konnte es nicht sagen, aber so langsam machte ich mir wirklich Gedanken um sie.

Dann fiel mein Blick wieder auf River. Er schaute mich nicht an, sondern starrte auf den Boden vor seinen Füßen. Der schien nämlich auf einmal viel interessanter zu sein. Lediglich seine Hände waren zu Fäusten geballt. Fest. Und ich wusste nicht, ob es die Wut auf Jonathan war, oder doch, dass er mich hergeben musste, oder besser gesagt: wollte. Keine Ahnung, ob mein Erzeuger dies spürte, doch plötzlich verstärkte sich der Griff um meinen Oberarm, sodass es richtig schmerzte. Als würde der Druck regelrecht meine Knochen zerbersten, wobei ein qualvoller Aufschrei aus meinem Mund kam. 

Er machte es definitiv mit Absicht. Das war mir klar. Auf der Stelle versuchte ich mich deswegen auf etwas anderes zu konzentrieren, aber was? Mein Herz war leer. Es blutete, weinte. Am besten ich töte mich irgendwie selbst; noch bevor er die Möglichkeit hat mich mitzunehmen. Mein Blick schweifte suchend umher, aber nichts war passend, um mir irgendetwas in die Schlagader zu stoßen, denn bei diesen Monstern wollte ich nicht enden.

White Moon - Kiss of the WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt