Wer sich zum Lamm macht, den jagen die Wölfe.
Mit nackten Füßen streifte ich durch das frische Gras. Ich blieb extra nahe am Haus, weil ich mich hier sicherer fühlte, als dort weiter hinten am Zaun. Das gab einen Grund. Und das war immer noch derselbe. Nämlich diese dunklen Tannen, die nun noch düsterer wirkten. Es konnte aber auch bloß sein, dass sie mir so vorkamen, weil ich schon etwas Schiss davor hatte. Der Garten war an sich nicht sonderlich groß bepflanzt. Mal hier, mal da wuchsen ein paar Wildblumen, doch nichts hatte wirklich ein System, da sich groß keiner damit zu beschäftigen schien. Mich interessierte schon, wann das letzte Mal etwas auf diesem Grundstück gemacht worden ist. Sollte ich die Zeit finden, dann konnte ich es tun, denn in meinem eigentlichen Zuhause, was ich ja nun verkaufen musste, da war immer alles perfekt.
Es war toll für mich in der Erde zu wühlen, zu sehen, wie bunte Blütenblätter aus ihren Knospen sprangen. Ich liebte es einfach, obwohl ich wusste, dass ich eindeutig nicht den grünen Daumen von meinen Eltern erbte. Sie waren da nicht so bewandert. Ich dafür umso mehr. Möglicherweise konnte ich meine Leidenschaft hier ebenso ausleben. Das wäre echt toll. Zwar nahm ich mir viel vor, aber noch war ich allein und hatte bisher niemanden gefunden mit dem ich meine Zeit verbringen konnte, außer Stella.
Augenblicklich vergrub ich meine Zehen tiefer und ging dann doch ein Stück weiter in Richtung des Zaunes. Wenn man die Szenerie betrachtete, war es gar nicht allzu gruselig. Die Sonne stand am Horizont und war gerade am Untergehen. Das hier würde meine erste Nacht in meinem neuen Zuhause werden. Nach neunzehn Jahren überhaupt wo anders. Na ja. Zumindest so weit weg. Ich musste schwer schlucken, wenn ich wieder an meine Eltern dachte. Es war so wahnsinnig schlimm damals gewesen und noch heute war ich nicht der Meinung, wie die Polizei unserer Kleinstadt.
Ein Bär würde in einem kleinen Haus viel mehr Schaden anrichten, wenn er irgendwo eindrang. Dabei wurde nichts umgeworfen. Alles stand an Ort und Stelle. Als wäre nie etwas gewesen. Nur diese Kleinigkeit, dass Mom und Dad tot auf den Dielen lagen. Das passte alles nicht zusammen. Da war etwas faul. Egal was man mir sagte. Ich spürte es. Das lag aber nicht bloß daran, denn schon jeder Mensch mit etwas Verstand sah auf Anhieb, dass etwas anderes passiert sein musste. Scheiß Hilfssheriff. Der hatte doch überhaupt keine Ahnung. Von nichts. Das Einzige, was der konnte war irgendwelche Strafzettel zu verteilen, die auf einem Dorf niemanden interessierten.
Jetzt war ich hier am Rande von Chicago. Natürlich konnte ich der Sache nicht mehr auf den Grund gehen. Das Haus war zu teuer für mich. Die fällige Pacht war da nicht das Problem. Eher die Fassade und das Dach, was wieder neu gemacht werden musste. Allein, mit einem kleinen Job in einem Café, schaffte ich es nicht, somit auf die Beine zu kommen. Zwar wäre es das kleinste Übel gewesen einen zu finden, der mir geholfen hätte, jedoch lag es an den Materialkosten. Deswegen kam mir der Anruf von Stella auch gerade recht. Es war wie eine Antwort auf meine stummen Gebete, dass mir jemand helfen musste.
Verträumt schaute ich in den stetig roter werdenden Himmel. Kleine weiße Sterne blitzten schon durch das Firmament. Meine Eltern waren da oben. Das wusste ich. Immer würden sie bei mir sein, auch wenn ich nicht mehr jeden Tag bei ihnen auf den Friedhof sitzen konnte. Damit musste ich allerdings klarkommen. Ein Jahr verschwendete ich schon in diesem kleinen Kaff nach dem Tod der beiden. Bis ich alt und grau wurde, konnte ich dort nicht bleiben.
Lauer Wind wehte um meine nackten Beine und ließ mich etwas erzittern. Ich stand in einem kurzen Trägertop und einer Hose, die gerade mal bis kurz über meine Knie reichte. Schuhe trug ich keine. Ich streckte mich ein wenig. Meine Glieder taten zwar mal wieder weh, aber mit ein paar Schmerztabletten war es sicher schon bald vorbei. Das hatte ich öfter. Erst recht in der letzten Zeit. Manchmal war es gerade in der Nacht extrem unerträglich, dass ich glaubte jemand schälte mir die Haut von den Knochen. Und niemand wusste weshalb. Kein Arzt. Alles schien in Ordnung zu sein. Doch es war keine Einbildung. Das wusste ich. Nicht einmal Stella hatte eine Ahnung, was es war, die ich bevor ich in den Garten ging, darauf ansprach. Es hätte ja sein können, dass es in unserer Familie lag. Jedoch hörte sie so etwas noch nie und meinte es sei vielleicht bloß eine Verspannung. Sie meinte, ich solle ein Bad nehmen und mich danach hinlegen. Als hätte ich das noch nicht oft genug versucht.
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White Moon - Kiss of the Wolf
WerewolfSpringlight Award 2020: Platz 2 in "Vampire / Werwölfe" Passion Award 2019: Platz 1 in "Zauberhafte Welten" Goddess Award 2018: Platz 3 in "Vampire und Wölfe" Desire & Lust Award 2017: Platz 1 in "Werwolf" Was würdest du tun, wenn alle um dich herum...